Ägypter hoffen auf schnelleren Wechsel Militärrat macht Zugeständnisse
03.05.2012, 12:39 Uhr
Demonstriert hatten vor allem Salafisten, deren Kandidat nicht zur Wahl zugelassen wurde.
(Foto: REUTERS)
Die Parteien in Ägypten werfen der militärischen Übergangsregierung vor, die jüngste Gewalt selbst inszeniert zu haben. Falls das stimmt, geht das Kalkül nicht auf. Der Militärrat steht nun nämlich unter Druck und geht auf das Volk zu: Er stellt eine raschere Machtübergabe in Aussicht.
Nach schweren Ausschreitungen in Kairo zieht der Militärrat in Ägypten eine Übergabe der Macht an eine zivile Regierung ab Ende Mai in Betracht. Wenn nach dem ersten Durchgang der Präsidentschaftswahl ein Sieger feststehe, könne die Machtübergabe ab dem 24. Mai erfolgen, sagte Generalstabschef Sami Anan. Bei den Auseinandersetzungen in der Hauptstadt wurden laut Ärzten 20 Menschen getötet und dutzende verletzt.
Die jüngsten schweren Auseinandersetzungen entwickelten sich im Zusammenhang von Salafisten-Demonstrationen gegen den Militärrat. Rivalisierende Gruppen lieferten sich in der Nähe des Verteidigungsministeriums blutige Schlägereien. Bereits blutende Menschen wurden mit Eisenstangen geschlagen.
Polizei schreitet erst spät ein

Dem Militärrat wird vorgeworfen, selbst Schlägertrupps zu engagieren, um Unruhe zu stiften.
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Unklar ist, von dem die Gewalt ausging. Nach Angaben der Polizei stecken "wütende Anwohner, die gegen die ewigen Demonstrationen sind" hinter der Attacke. Die Muslimbruderschaft erklärte, der Oberste Militärrat trage die Schuld an der Gewalt, da er die Verantwortung für den Staat übernommen habe. Wiederholt gab es Hinweise darauf, dass das Militär selbst Schlägertrupps auf Demonstranten angesetzt haben könnte. Fast alle Parteien und Präsidentschaftskandidaten gaben im Nachhinein dem Obersten Militärrat die Schuld an den Zusammenstößen. Der Kandidat Amre Mussa erklärte, die Sicherheitskräfte hätten tatenlos zugesehen, wie die Menschen sich gegenseitig umbringen.
Erst nachdem die Straßenkämpfe mehrere Stunden andauerten, schickte die Armee am Mittag Soldaten in das Viertel. Die Ordnungspolizei errichtete Barrikaden, um die Kontrahenten zu trennen. Danach flogen nach Angaben von Augenzeugen nur noch gelegentlich Steine. Die Angaben zu den 20 Getöteten stammten von Ärzten, die vor Ort im Einsatz waren. Das Gesundheitsministerium gab die Zahl der Toten mit sieben an.
Zu den Opfern der Gewaltwelle zählten zahlreiche Anhänger des von der Präsidentschaftswahl ausgeschlossenen Salafisten Hasem Abu Ismail. Sie demonstrieren schon seit Tagen im Zentrum von Kairo für einen Machtverzicht des Militärrats. Abu Ismail wurde von der Wahl ausgeschlossen, weil seine verstorbene Mutter angeblich die US-Staatsbürgerschaft besessen hatte. Kandidaten, ihre Partner und Eltern müssen die ägyptische Nationalität haben, um zur Wahl zugelassen zu werden.
Wegen der neuen Gewalt kündigten vier Präsidentschaftskandidaten eine vorübergehende Unterbrechung ihres Wahlkampfs an.
Bundestagsdelegation sagt Besuch ab
Ein geplantes Treffen zwischen einer Bundestagsdelegation und Vertretern des Militärrates ist wegen der Straßenkämpfe kurzfristig abgesagt worden. Delegationsmitglied Klaus Brandner (SPD) sagte in einem Telefoninterview: "Wir haben den Termin beim Militärrat aufgrund der Sicherheitslage nicht wahrgenommen."
Die Armee hatte bisher versprochen, die Macht nach der Präsidentenwahl Ende Juni abzugeben. Für den 16. und 17. Juni ist eine Stichwahl vorgesehen, falls sich keiner der 13 Kandidaten im ersten Durchgang durchsetzt.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP