Bildungsnotstand Minister besorgt
13.11.2008, 20:56 UhrDie Kultusminister wollen im kommenden Jahr die Schüler der neunten Klassen einem bundeseinheitlichen Leistungsvergleich unterziehen und dabei erstmals ihre neuen Bildungsstandards testen. Dies beschlossen die Kultus-Staatssekretäre der Länder in Bonn. Teilnehmen soll daran "die gesamte Bandbreite der Jahrgangsstufe 9".
Über die Leistungen der jeweiligen Schulform soll jedoch nur "in einzelnen Länderkapiteln gesondert berichtet werden", heißt es in dem Beschluss. Ein länderübergreifender Vergleich der Leistungsfähigkeit gleicher Schulformen - wie etwa der Hauptschule - ist damit zunächst nicht möglich.
Schlechtes Niveau an Hauptschulen
Hintergrund bilden dabei alarmierende Meldungen über das schlechte Leistungsniveau an vielen Hauptschulen. Nach neuen Ergebnissen schafft rund die Hälfte der Hauptschüler in Mathematik nicht das für diese Schulform bundesweit vereinbarte Mindestniveau. Ein Jahr vor Schulabgang kann jeder Vierte nur "unterhalb der Grundschulstandards" rechnen, heißt es in einem als "vertraulich" gekennzeichneten Papier der Kultusministerkonferenz (KMK), wie die Deutsche Presse-Agentur dpa unter Berufung auf das ihr vorliegende Dokument berichtet. 75 Prozent der Hauptschüler verfehlen zudem mit ihren Schreibleistungen in Englisch die von der EU festgelegten Lernkriterien.
Neuer PISA-Bundesländer-Vergleich am Dienstag
Bei der Überprüfung der für die Hauptschule bundesweit vereinbarten Mindeststandards hätten sich die bereits aus den PISA-Schultests bekannten Probleme erneut gezeigt, berichtete der Schulforschers Olaf Köller den Staatssekretären. Köller leitet das ländereigene "Institut zur Qualitätsentwicklung im Bildungswesen" (IQB) in Berlin. Einen neuen PISA-Bundesländer-Vergleich mit Testergebnissen aus dem Jahr 2006 wollen die Kultusminister am kommenden Dienstag vorlegen. Es wird erwartet, dass die PISA-Forscher dabei vor allem das Problem der sogenannten Risikoschüler besonders herausstellen werden.
Die Staatssekretäre hatten ursprünglich erwogen, als Konsequenz aus den schlechten Ergebnissen die länderübergreifenden Qualitätstests an den Hauptschulen bis 2012 ganz auszusetzen und die für diese Schulform vereinbarten Bildungsstandards in den Fächern Mathematik, Deutsch und Englisch zu überarbeiten. Damit sollten im Hauptschulunterricht "Sein und Sollen in einem vertretbaren Spannungsverhältnis zueinander" gebracht werden. Über die Überprüfung und das weitere Vorgehen soll die jetzt die Kultusministerkonferenz am 4. Dezember entscheiden.
Im Gespräch ist zudem eine "gemeinsame umfassende Förderinitiative", um Schüler im unteren Leistungsbereich soweit zu qualifizieren, dass sie den Erwartungen "in einem vertretbaren Umfang entsprechen". Als zeitliche Vorgabe werden in dem Papier der Staatssekretäre dafür die Jahre 2012 bis 2015 genannt. Anschließend soll es einen "Fördergipfel" geben.
Beim Bildungsgipfel mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatten die Länder unlängst zugesichert, die Zahl der Schulabgänger ohne Hauptschulabschluss von derzeit acht Prozent eines Altersjahrganges binnen fünf Jahren zu halbieren. Bundesweit besuchen noch 18,9 Prozent der Fünftklässler eine Hauptschule. In mehreren Bundesländern sind Hauptschulen als eigenständige Schulform bereits abgeschafft.
Gewerkschaft fordert Auflösung der Hauptschulen
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte die Auflösung der Hauptschulen. Dieser Bildungsgang sei überholt, sagte die GEW-Vizevorsitzende Marianne Demmer. Die bekanntgewordenen Daten machten das Scheitern der nunmehr seit über 30 Jahren erfolglos betriebenen Hauptschul-Reparaturmaßnahmen deutlich. "Erst wenn Leistungsschwächere nach der Grundschule nicht mehr in die geschützte Nische Hauptschule abgeschoben werden dürfen, können Lehrer und Schüler im Vergleich mit anderen Stärken und Schwächen erkennen", erklärte Demmer. Nur dann könne die dringend notwendige individuelle Unterstützung wirkungsvoll ansetzen.
Quelle: ntv.de