Man bildet eine Arbeitsgruppe Minister peilen NPD-Verbot an
09.12.2011, 18:08 Uhr
NPD-Anhänger bei einer Demonstration im hessischen Friedberg.
(Foto: dpa)
Ganz einig ist man sich nicht. Aber die Innenminister von Bund und Ländern sprechen sich generell für ein Verbot der rechtsextremen NPD aus. Zunächst soll eine Arbeitsgruppe Material sammeln und Kriterien für ein erfolgreiches Verfahren aufstellen. Auch der Aufbau einer Verbunddatei wird beschlossen - hier stellt sich aber noch der Bund quer.
Nach der Neonazi-Mordserie mit mindestens zehn Toten streben die Innenminister von Bund und Ländern ein Verbot der rechtsextremen NPD an. Bei der Innenministerkonferenz (IMK) in Wiesbaden konnten sie sich aber noch nicht zu einem Beschluss für ein neues Verbotsverfahren durchringen. Sie vereinbarten, dass eine gemeinsame Arbeitsgruppe Kriterien für ein erfolgreiches Verbotsverfahren aufstellen und Material sammeln soll. Zwar sind die SPD-geführten Länder für die schnelle Einleitung eines Verfahrens. Die Unionsländer warnen aber vor Schnellschüssen, weil sie derzeit noch die Gefahr für zu groß halten.
Die IMK kann ohnehin keinen Verbotsantrag auf den Weg bringen, sondern lediglich ein Signal setzen. Nur Bundestag, Bundesrat und Bundesregierung können einen Antrag beim Bundesverfassungsgericht stellen. Im Jahr 2003 hatten die Richter einen ersten Verbotsantrag aus formalen Gründen abgewiesen, weil der Einfluss von V-Leuten des Verfassungsschutzes in der NPD-Führung unklar war. Die V-Leute müssten zumindest in der Parteiführung abgeschaltet werden, erklärten die Richter. Die Debatte um ein neues Verfahren war durch das Zwickauer Neonazi-Trio, dem zehn Morde angelastet werden, in Gang gekommen.
"Wir dürfen keine Zeit verlieren"
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich von der CSU sagte: "Wir streben ein Verbot der NPD an." Dazu werde die schon bestehende Arbeitsgruppe von Bund und Ländern erweitert. Er selbst werde zusammen mit Sachsen-Anhalts Innenminister Holger Stahlknecht von der CDU künftig den Vorsitz übernehmen. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann von der CDU sagte, es sei unstrittig, dass jeder die NPD sofort verbieten wolle, wenn ein Verbotsverfahren tatsächlich gelingen könne. Hessens CDU-Innenminister Boris Rhein betonte: "Wir werden alles tun, um nicht zu scheitern, weil wir nicht scheitern dürfen." Bayerns Innenminister Joachim Herrmann von der CSU drängte zur Eile und forderte einen neuen Anlauf bis zum kommenden Sommer. "Wir dürfen keine Zeit verlieren."
Im Vergleich zu 2003 gebe es neue Erkenntnisse, sagte Schünemann. Die NPD sei viel stärker in den freien Kameradschaften verstrickt, und vermutlich gebe es auch Verbindungen zu Rechtsextremisten und -terroristen. Aber dies müsse eben nicht nur einzelnen Funktionären zugeordnet werden, sondern der NPD insgesamt. Wenn das bewiesen sei, sei die V-Leute-Problematik hinfällig, sagte Schünemann. Er und sein Amtskollege Rhein betonten, dass die Sicherheitskräfte auf V-Leute nicht verzichten könnten. V-Leute hätten in der Vergangenheit durchaus wichtige Erkenntnisse geliefert, sagte Schünemann.
Linke und Grüne lehnten die Einrichtung der Arbeitsgruppe als unzureichend ab. Die Linken-Abgeordnete Ulla Jelpke sprach von vagen Absichtserklärungen für ein Verbotsverfahren und erklärte: "Ein solcher Eiertanz stärkt die Neonazis, anstatt sie zu schwächen." Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Renate Künast bekräftigte ihre Forderung nach einem Untersuchungsausschuss des Bundestages, um das Versagen der Sicherheitsbehörden bei der Aufklärung der Mordserie zu ergründen. Ihre Partei werde kommende Woche die Einrichtung dieses Gremiums beantragen. Allerdings haben Grüne und Linkspartei nicht genügend Stimmen, um einen Untersuchungsausschuss zu erzwingen.
"Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit bewiesen"
Sachsens Innenminister Markus Ulbig von der CDU sieht dagegen den "Schulterschluss" der Länder vollzogen. "Der Kampf gegen den Rechtsextremismus wird mit aller Konsequenz geführt und hat in der Sicherheitspolitik hohe Priorität." Berlins neuer Innensenator Frank Henkel von der CDU lobte die IMK-Pläne: "Die Innenminister haben Entschlossenheit und Handlungsfähigkeit bewiesen." Brandenburg Innenminister Dietmar Woidke von der SPD sagte: "Mit ihrem einstimmigen Beschluss haben die Innenminister den politischen Druck auf die NPD deutlich erhöht."
Zudem beschloss die IMK die Einrichtung eines neuen Abwehrzentrums Rechtsextremismus, das beim Bundeskriminalamt angesiedelt sein soll. Die Minister einigten sich auch auf den Aufbau einer Verbunddatei für gewaltbereite Rechtsextremisten. Jedoch gibt es für diese gemeinsame Datei von Bund und Ländern noch keine Einigung in der Bundesregierung: Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger von der FDP will nur die Daten von gewalttätigen Extremisten speichern lassen - nicht die von gewaltbereiten Extremisten. Friedrich betonte: "Ich plädiere dafür, bereits bei den Gewaltbereiten anzusetzen." Denn das seien oft die Rädelsführer, ohne dass sie im Einzelfall selbst gewalttätig würden.
"Die Bundesjustizministerin ist gut beraten, den Ernst der Lage zu erkennen und daraus die richtigen Schlüsse zu ziehen", sagte der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl (CSU), der "Mitteldeutschen Zeitung". "Denn wir haben ein Defizit in unserer föderalen Sicherheitsarchitektur. Und dieses Defizit muss durch eine Verbunddatei überwunden werden, damit die Gefährlichkeit von Rechtsextremisten bei allen zuständigen Sicherheitsbehörden ankommt."
Quelle: ntv.de, dpa