Politik

Friedrichs Vorstoß "abgebloggt" Ministerium will keine Klarnamen

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Hans-Peter Friedrich kann seine Ideen nicht durchsetzen.

(Foto: picture alliance / dpa)

Striktere Regeln im Internet wird es so schnell offenbar nicht geben. Ein entsprechendes Vorpreschen von Bundesinnenminister Friedrich stößt parteiübergreifend auf Widerstand. Während Friedrich seine Äußerungen verteidigt, spricht sein Ministerium von einem Missverständnis. So halte der CSU-Politiker die Internet-Anonymität in einigen Fällen für sinnvoll.

Das Bundesinnenministerium hat nach eigener Darstellung nicht vor, gegen die Anonymität im Internet gesetzlich vorzugehen. Es wäre ein Missverständnis, die Äußerungen von Minister Hans-Peter Friedrich (CSU) in einem "Spiegel"-Interview so zu interpretieren, sagte ein Sprecher auf Anfrage.

Friedrich habe sich lediglich für eine demokratische Streitkultur im Netz ausgesprochen. Er sei nach wie vor der Ansicht, dass es auch im Internet durchaus Bereiche gebe, in denen Anonymität sinnvoll sei. Es gehe nicht um eine gesetzliche Pflicht, sich im Netz überall auszuweisen zu müssen.

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Der Innenminister will eine "Grundsatzdebatte" zum Thema Klarnamen.

(Foto: dapd)

Friedrich hatte am Wochenende verlangt, anonyme Interneteinträge zu verhindern. Hintergrund sind Blog-Einträge von Rechtsextremen im Vorfeld der Anschläge im Juli in Norwegen.

Friedrich steht zu Äußerungen

Bei einem Besuch des Bundesamts für Verfassungsschutz in Köln verteidigte der Innenminister seine Aussagen: "Es geht mir darum, dass wir jetzt eine Grundsatzdebatte führen." In der von ihm angestoßenen Debatte gehe es darum, ob die in der "Offline-Welt" geltende Rechtsordnung auf das Internet übertragen werden könne und solle. So stelle sich unter anderem die Frage, ob Volksverhetzung nur in der analogen Welt ein Straftatbestand sein solle.

Die Grundsatzdebatte müsse "jetzt national und international geführt werden", unterstrich Friedrich. "Denn alle anderen Länder, von den USA bis nach Rußland, stehen vor dem gleichen Problem." Wer gleichsam in Konkurrenz zu Medien und Zeitungen im Internet als Informationsquelle auftrete, "der sollte meiner Ansicht nach schon auch seine wahre Identität preisgeben".

Angst vor "massiver Überwachung"

Mit seinen Äußerungen im "Spiegel" stieß der Innenminister auf heftige und parteiübergreifende Kritik. Sehr skeptisch äußerte sich SPD-Chef Sigmar Gabriel. Er habe starke Zweifel, ob solche Schnellschüsse weiterhelfen, erklärte er. Schon die Debatte über Kinderpornografie im Netz habe gezeigt, dass die Identifizierung von Nutzern im Netz technisch kaum machbar sei. Notwendig sei vielmehr, Polizei und Staatsanwaltschaft zur Aufklärung von Straftaten im Netz mehr Personal zu geben.

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Lars Klingbeil verweist auf die Blogger, die für Demokratie kämpfen.

(Foto: picture-alliance/ dpa/dpaweb)

Nach Ansicht Gabriels kann die Nichtnennung von Klarnamen in manchen Fällen auch berechtigt sein. So wies er darauf hin, dass Internet-Aktivisten bei den Volksaufständen in Nordafrika zum eigenen Schutz darauf verzichtet hätten. In der "Berliner Morgenpost" verwies der netzpolitische Sprecher der SPD, Lars Klingbeil, auf die Entwicklungen in Ländern wie Syrien und Libyen. Die zeigten, wie wichtig es sei, auch unter Pseudonym Beiträge im Internet veröffentlichen zu können. Sei dies nicht mehr möglich, würden "internationale Blogger in Diktaturen, die für Demokratie und Menschenrechte kämpfen, sich in Lebensgefahr begeben".

"Das ist absurd"

"Die Forderung von Innenminister Friedrich ist völlig illusorisch", sagte der FDP-Medienexperte Burkhardt Müller-Sönksen der "Berliner Morgenpost". "Sie können nicht Millionen Einträge mit einer Handvoll Mitarbeiter überwachen." Kommentare und Blogs seien im weltweiten Netz nicht kontrollierbar.

Ähnlich argumentierte auch der Grünen-Netzexperte Konstantin von Notz. "Der Innenminister will die Anonymität im globalen Netz abschaffen, ist aber nicht einmal in der Lage, einen vernünftigen Datenschutz in Deutschland durchzusetzen. Das ist absurd", sagte der Grünen-Abgeordnete der "Berliner Zeitung". Zudem sei das Internet Teil des öffentlichen Raums und die freie Meinungsäußerung dort von der Verfassung geschützt. Auch der Vorsitzende der Piratenpartei, Sebastian Nerz, kritisierte: "Herr Friedrich greift hier einen der Grundpfeiler unserer Demokratie an."

Rückendeckung bekam Friedrich dagegen aus der eigenen Partei. Der innenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Hans-Peter Uhl, beklagte "gravierende Nachteile" der Möglichkeit zu anonymen Äußerungen im Netz. "Erst durch die Anonymität ist die Verbreitung von Kinderpornografie oder extremistischem Gedankengut in einem nie gekannten Ausmaß möglich", betonte Uhl. "Wer in einer Demokratie seine Meinung äußert, sollte dazu stehen." Die von Friedrich angestoßene Diskussion sei zu wichtig, "um sie nur einigen Netzaktivisten zu überlassen".

Quelle: ntv.de, AFP/dpa

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