Politik

Gaddafis Leute schließen Kessel Misrata steht vor dem Fall

Ein Rebell betet vor seinem Einsatz.

Ein Rebell betet vor seinem Einsatz.

(Foto: dpa)

Nach wochenlangen Kämpfen steht der westliche Vorposten der libyschen Rebellen, die Hafenstadt Misrata, vor dem Fall. Die drittgrößte Stadt des Landes wird komplett von den Gaddafi-Streitkräften eingekesselt. Die Rebellenhochburg wird unablässig beschossen. Ärzten zufolge kommen bei den Kämpfen bisher Hunderte Zivilisten ums Leben.

Die Aufständischen sind nur schlecht gerüstet.

Die Aufständischen sind nur schlecht gerüstet.

(Foto: dpa)

Trotz der Unterstützung der internationalen Allianz verlieren die Aufständischen zunehmend die Kontrolle über Misrata. Die Rebellen betonten, Stadtzentrum und Hafen befänden sich weiterhin in ihren Händen. Regierungstruppen erklärten, sie seien bereits ins Innere der Rebellenhochburg vorgedrungen. Gaddafi-Truppen beschossen und zerstörten unter anderem ein Gebäude, in dem Verletzte versorgt wurden. Mindestens ein Mensch sei ums Leben gekommen, sagte ein Bewohner. Unterdessen drohen den Einwohnern Misratas auch Versorgungsengpässe. "Verschiedene Lebensmittel werden knapp. Wir fordern Menschenrechtsorganisationen auf, zu helfen", sagte ein Aufständischer, der sich Sami nannte.

Für Journalisten ist es kaum möglich, unabhängige Informationen aus den belagerten Städten zu erhalten. In den USA reihte sich der frühere US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld unter die Kritiker des Einsatzes ein. Solange nicht klar sei, dass die internationale Allianz Gaddafi stürzen wolle, sei es schwierig für die Mitglieder der bisherigen Führung oder Militärangehörige, überzulaufen, sagte Rumsfeld dem "Spiegel". Damit sei es nur wahrscheinlich, dass noch mehr Menschen ums Leben kämen.

Libysche Rebellen werden in Bengasi ausgebildet.

Libysche Rebellen werden in Bengasi ausgebildet.

(Foto: dpa)

Im Kampf um die Macht versuchen die Aufständischen nun ihre Kräfte besser zu bündeln. "Wir organisieren unsere Reihen neu", sagte der frühere Luftwaffen-Major Dschalid al-Libie Reuters. "Wir haben unsere erste Brigade gegründet. Sie besteht komplett aus Überläufern und ehemaligen Rentnern." Angaben zur Stärke der Truppe machte Libie nicht.

Schüsse auf Sintan und Brega

Augenzeugenberichten zufolge stoppten Graddafis Truppen zudem einen Vormarsch der Rebellen im Osten und griffen verstärkt Aufständische in den Bergen südwestlich von Tripolis an. Die Stadt Sintan wurde stark beschossen. Einen Vorschlag der Rebellen zur Waffenruhe wies das Regime in Tripolis zurück.

Die Aufständischen kämpften unterdessen weiter um die Kontrolle über die östliche Ölstadt Brega. Die NATO unterstützte die Rebellen dabei aus der Luft. Am Morgen waren Explosionen und Maschinengewehr-Salven zu hören.

Angeblich Geheimlager in Libyen

Die Zahl der Verwundeten wächst.

Die Zahl der Verwundeten wächst.

(Foto: dpa)

Amerikanische und ägyptische Spezialeinheiten bilden nach einem Bericht des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira angeblich libysche Rebellen aus. Wie ein namentlich nicht genannter Informant aus den Reihen der Aufständischen einem Korrespondenten des Senders sagte, würden die Gaddafi-Gegner an einem geheimen Ort im Osten des Landes militärisch trainiert. Der Osten des nordafrikanischen Staates ist in der Hand von Oppositionellen.

Wie Al-Dschasira weiter berichtete, hätten die Rebellen am Donnerstag im Schutze der Nacht eine Ladung von Katjuscha-Raketen aus Ägypten bekommen. Woher die Waffen genau stammten, sagte der Informant nicht. Sie seien jedoch auf dem neuesten Stand der Waffentechnik. Deshalb benötigten die Rebellen auch ausländische Ausbilder. Dafür seien vor Ort Mitglieder von amerikanischen und ägyptischen Spezialeinheiten. Eine unabhängige Bestätigung für diese Angaben gab es nicht.

Die libysche Regierung zeigte sich nicht überrascht, berichtete die Al-Dschasira-Korrespondentin in Tripolis. Der US-Geheimdienst CIA sei verwickelt und auch die Regierung des Golfstaats Katar liefere Waffen und Ausrüstung für die Rebellen, behaupte das libysche Regime. Die Regierung Gaddafis sehe dieses Vorgehen nicht durch die UN-Resolution zur Durchsetzung einer Flugverbotszone zum Schutz der Zivilbevölkerung gedeckt.

"Freudenfeuer" provoziert Luftschlag

griffen in der Nacht zum Samstag irrtümlich erstmals auch Milizen der Regimegegner an. 13 Aufständische wurden bei dem Bombardement zwischen Adschdabija und Al-Brega getötet. Auch gab es etliche Verletzte.

Die Raketen trafen mindestens vier Fahrzeuge, darunter einen Rettungswagen. Die Aufständischen machten unterschiedliche Angaben, wie es zu dem Beschuss gekommen war. Möglicherweise hätten sie selbst das Feuer auf sich gezogen, hieß es. Andere sagten, Handlanger Gaddafis hätten sich unter die Rebellen gemischt und den Angriff provoziert. Eine NATO-Sprecherin in Brüssel erklärte, die Militärallianz prüfe die Angaben.

Die Piloten des NATO-Geschwaders hatten keine Möglichkeit, dieses "Freudenfeuer" als "nicht feindlich" einzustufen. Ihren Einsatzregeln folgend, feuerten sie Luft-Boden-Raketen auf die aktive Geschützstellung ab. Die NATO will die Berichte über diesen Angriff noch überprüfen.

Trotz des Vorfalls appellierten die Rebellen an die internationalen Kräfte, nicht nachzulassen. "Man darf den großen Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren", sagte ein Sprecher im Rebellen-Hauptquartier in der östlichen Stadt Bengasi. "Fehler passieren, aber worauf es ankommt, ist, dass wir Gaddafi loswerden."

Kussa ist nicht immun

Der britische Außenminister William Hague will dem nach Großbritannien geflohenen libyschen Ex-Außenminister Mussa Kussa keine Immunität gewähren. Es gebe keine Abmachung über die Immunität vor Strafverfolgung und es werde keine geben, sagte Hague der BBC. Der am Donnerstag geflohene Gaddafi-Vertraute sei freiwillig nach London gekommen. Er stehe nicht unter Arrest - es stehe ihm frei, zu gehen, sagte Hague. Ziel sei es, weitere Vertraute Gaddafis zur Flucht zu bewegen. Ob Kussa deswegen mit Mitgliedern des Regimes in Kontakt stehe, wollte Hague nicht kommentieren.

Er habe Kussa noch nicht persönlich getroffen, seit dieser in London sei, sagte Hague. Er habe ihn aber gebeten, mit britischen Beamten zu sprechen. Die Behörden wollen unter anderem mehr über die Hintergründe des Lockerbie-Anschlags zu erfahren. Mehr Details werde er am Montag im Parlament bekanntgeben, kündigte Hague an. Bei dem Bombenanschlag auf einen Jumbo-Jet der PanAm waren im Dezember 1988 bei dem schottischen Ort Lockerbie insgesamt 270 Menschen ums Leben gekommen.

Der britische Außenminister schloss zudem erneut Besatzungstruppen in Libyen aus. Es könne aber "begrenzte Operationen" von Spezialeinheiten geben, beispielsweise um britische Bürger aus dem Land zu befreien. Die Diskussion über die rechtlichen Hintergründe einer möglichen Bewaffnung der Rebellen bezeichnete Hague als "akademisch". Bisher habe weder Großbritannien noch einer der Alliierten eine Entscheidung getroffen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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