Was halten Sie von Schwarz-Grün, Frau Klöckner? "Mit Trittin und Hofreiter wird's schwer"
10.10.2013, 16:29 Uhr
"Die Grünen wissen gar nicht, ob sie wollen sollen oder wollen dürfen", sagt Julia Klöckner (l.).
(Foto: picture alliance / dpa)
Große Koalition oder doch lieber mit den Grünen? CDU-Vizechefin Julia Klöckner erklärt im Interview mit n-tv.de, warum ein schwarz-grünes Bündnis gute Chancen hätte. Der SPD-Führung wirft sie derweil sogar vor, ihre Mitglieder zu erpressen.
n-tv.de: Die Union spricht mit SPD und Grünen über eine gemeinsame Regierungsbildung. Sie haben gesagt, Ihr Bauch sei für Schwarz-Grün, Ihr Kopf aber für Schwarz-Rot. Wer setzt sich denn am Ende durch: Bauch oder Kopf?
Julia Klöckner: Das ist gut (lacht). Das kann ich Ihnen erst sagen, wenn die Sondierung mit den Grünen abgeschlossen ist. Sonst könnte man sich diese Gespräche ja schenken.
Warum rät Ihr Kopf zur Großen Koalition?
Die SPD hat zwar nicht abgeschnitten wie eine Volkspartei, aber sie kann sich mit dem Anspruch einer Volkspartei der Mitgestaltung nur schwer entziehen. In Deutschland wollen sehr viele Menschen eine Große Koalition. Große gesellschaftliche Herausforderungen wie die Energiewende und die europäische Krise verlangen wohl eher nach einer breiten parlamentarischen Basis. Außerdem müssen wir Gesetze verabschieden können, die auch im Bundesrat mitgetragen werden. Da spielt die SPD eine Schlüsselrolle.
Und was spricht für Schwarz-Grün?
Schwarz-Grün wäre als neue Perspektive interessant. Es erweitert nicht nur die Koalitionsoptionen der Union im Bund und in den Ländern. Die Milieus zwischen den Parteien sind außerdem nicht mehr so weit auseinander wie vor 20 Jahren. Wir sind eine Volkspartei und manchmal weiter, als unser Image nach außen hin scheint. Bei den Grünen gibt es viele, die nicht mehr nur auf Protest und Verbot setzen. Dort gibt es auch kluge Köpfe. Herr Kretschmann hat ja zum Beispiel vor dem Steuererhöhungsprogramm der Grünen gewarnt.
Wo sehen Sie inhaltliche Übereinstimmungen mit den Grünen?
Es gibt Schnittpunkte bei der Bioethik und wenn es darum geht: Was darf der Mensch, und soll er alles tun, was er kann? Bei der embryonalen Stammzellendebatte oder der Patientenverfügung haben wir mit den Grünen gemeinsame Gesetzentwürfe geschrieben. In einigen medizinischen Bereichen sind wir also eng beieinander. Außerdem haben Grüne und Union die Energiewende ganz weit oben auf der Agenda. Die Instrumente sind natürlich unterschiedlich, darüber müssen wir uns intensiv austauschen.
Wird eine Koalition dadurch realistischer, dass Jürgen Trittin bei den Grünen künftig nicht mehr so eine große Rolle spielen wird wie bisher?
Ja, das macht es einfacher. Mit seinem Gesicht steht Trittin wie kein anderer für das Wahlprogramm der Grünen. Damit ist er baden gegangen, weil er an den Bürgern vorbei geplant hat. Wer Mittelschichten steuerlich derart belasten will, der verkennt, dass man Motivation braucht, um dem Staat überhaupt was abgeben zu können. Der Staat ist ja nicht lebensfähig ohne die Bürger und ihr Engagement. Es schadet nicht, dass Herr Trittin bei den Gesprächen noch dabeisitzt. Vielleicht ist das ein Funke Nostalgie, dass er noch einmal dabei ist.
Die Grünen haben ihre Führungsriege fast vollständig ausgetauscht. Ist das konsequent nach dem Wahlergebnis?
Nun ja, neben Herrn Trittin stand ja auch Frau Göring-Eckardt für das Wahlprogramm der Grünen. Für einige ist es daher irritierend, dass sie jetzt an der Spitze der Fraktion steht. Erneuerung sieht anders aus. Die Grünen müssen sowieso erst einmal zeigen, wer sie überhaupt sind und welche Seite der Partei sich durchsetzt. Für uns geht es immer darum, dass man Geld erst einmal erwirtschaften muss, bevor es verteilt wird. Mit Herrn Kretschmann oder Herrn Palmer hätte man bei diesem Thema die Hoffnung, dass man zusammenkommen kann. Wenn man aber mit Herrn Trittin oder Herrn Hofreiter reden muss, sieht das ein bisschen anders aus.
Die Grünen fordern einen Kurswechsel in der Flüchtlings-, Umwelt- und Europapolitik, einen gesetzlichen Mindestlohn und die Abschaffung von Ehegattensplitting und Betreuungsgeld. Bei welchen Themen könnte die Union den Grünen entgegenkommen?
Ich werde weder das Ergebnis der Sondierungen noch den Start der Koalitionsverhandlungen vorwegnehmen. Mir fällt aber auf: Im Vorfeld der Gespräche setzen die Grünen ganz konkrete Hürden, beispielsweise in der Flüchtlingspolitik, die in der Sondierung so noch nichts zu suchen haben. So konkret in Gespräche hineinzugehen, ist kein Zeichen von Offenheit. Man hat das Gefühl: Die Grünen wissen gar nicht, ob sie wollen sollen oder wollen dürfen.
CSU-Generalsekretär Alexander Dobrindt hat in dieser Woche gesagt: "Wir reden lieber mit der SPD, weil wir uns da nicht über Veggie-Days und andere Bevormundungen unterhalten müssen." Ist es klug, so kurz vor dem Treffen mit den Grünen so auszuteilen?
Jeder hat da seinen eigenen Stil. Es hätte sicherlich auch nicht geschadet, auf diese "Grußadresse" zu verzichten.
Am Montag sondiert die Union ein zweites Mal mit der SPD. Die Sozialdemokraten wollen ihre Mitglieder über einen möglichen Koalitionsvertrag abstimmen lassen. Sie haben das als "Trickserei" bezeichnet. Ist es nicht positiv, dass die SPD ihre Basis so stark einbindet?
Die SPD-Mitglieder werden ja fast "erpresst". Sie können doch nur den Daumen hoch oder runter machen. Aber wo ist denn da die starke Einbindung, macht man sich da nicht was vor? Änderungsanträge können die Mitglieder zu dem ausverhandelten Koalitionsvertrag natürlich nicht mehr stellen. Sonst müsste die SPD-Führung ja wieder zur Union rennen und darum bitten, einzelne Halbsätze zu ändern. Das geht nicht. Insofern sind die Mitglieder in einer Zwickmühle. Sollten sie gegen eine Große Koalition sein, wählen sie ihre komplette Führungsriege ab. Dann müssten Frau Kraft und alle anderen abtreten. Deshalb weiß ich nicht, ob das so klug war mit der Abstimmung nach einem ausgehandelten Vertrag.
Sie saßen bereits im Bundestag und waren Staatssekretärin. Gibt es einen Ministerposten, der Sie persönlich reizen würde?
Ich finde es wunderbar in Rheinland-Pfalz. Wir haben 2016 Landtagswahlen, und da möchte ich antreten, um nach vielen Jahren wieder die Regierung zu stellen. Mein Platz ist hier und nicht in Berlin.
Mit Julia Klöckner sprach Christian Rothenberg
Quelle: ntv.de