Mit Drosselung durch den Winter? Moskau spielt mit der Gaskarte
09.09.2014, 11:17 Uhr
(Foto: REUTERS)
Bisher sind die russischen Sanktionen wie der Lebensmittel-Importstopp für Europa beherrschbar. Doch nun erwägt Moskau weitere Schritte. Denkbar ist offenbar sogar eine Strafmaßnahme, die vor allem Deutschland empfindlich treffen würde.
Die EU und Russland spielen mit den Muskeln. Die Europäische Union einigte sich am Montagabend zwar auf neue Sanktionen, deren Umsetzung soll allerdings erst in ein paar Tagen erfolgen. Auch die russische Regierung ist zu Strafmaßnahmen bereit. Sie plant nicht nur ein Überflugverbot gegen westliche Fluglinien zu verhängen. Laut der "Financial Times" droht der Kreml damit, seine Gaslieferungen nach Europa zu drosseln. Es solle kein überschüssiges Gas mehr in die Ukraine geliefert werden können, heißt es der Zeitung zufolge in einem Bericht der EU-Kommission.
Offiziell wollte der russische Staatskonzern Gaszprom den Bericht nicht bestätigen. Davon höre er zum ersten Mal, sagte ein Sprecher der "Financial Times". Die Reexporte von russischem Öl von Europa in die Ukraine sind jedoch schon länger umstritten. Dies sei ein "halb betrügerischer Mechanismus", sagte Gazprom-Chef Alexei Miller. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte bereits im Juli erklärt, man könne nicht einfach "Gas durch die gleiche Röhre in die andere Richtung leiten".
Die Gaskrise zwischen Russland und der Ukraine schwelt bereits seit Monaten. Moskau hatte wegen unbezahlter Rechnungen den Gashahn im Juli zugedreht, weil Kiew nicht bereit war, die Preiserhöhungen mitzutragen. Der Ukraine steht vor großen Versorgungsproblemen im kommenden Winter. Schon seit August gibt es in einigen Städten kein Warmwasser mehr, weil man das Gas für die Heizsaison speichern will.
"Nie als politische Waffe eingesetzt"
Die Slowakei begann Anfang September mit Gaslieferungen in die Ukraine. Dabei leitet sie aus Russland importiertes Gas über eine derzeit ungenutzte Reserve-Pipeline zurück. Die Pipeline kann bis zum Frühjahr die maximale Kapazität von zehn Milliarden Kubikmetern Gas transportieren. Die Ukraine verbraucht rund 50 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr, 30 Milliarden Kubikmeter erhielt das Land bislang aus Russland. Bisher hatte Europa der Ukraine mit überschüssigem russischem Gas ausgeholfen. Sollte Moskau seine Lieferungen drosseln, stünden die Reexporte auf der Kippe.
In Deutschland ist wegen des milden Winters 2013/14 und Angst vor Engpässen so viel Erdgas gespeichert wie nie zuvor. Zum 1. September befanden sich 19,6 Milliarden Kubikmeter Gas in den Speichern, wie das "Manager Magazin" unter Berufung auf die Branchenvertretung Gas Infrastructure Europa berichtete. Laut der Unternehmensinitiative "Zukunft Erdgas" sei dies ein Allzeitrekord. Die deutsche Erdgaswirtschaft gehe gut aufgestellt in den Winter und werde zuverlässig liefern, sagte der Vorstandssprecher der Initiative, Timm Kehler.
Ob Moskau jetzt Ernst macht? "Deutschland gegenüber ist die Versorgung mit Erdöl und Erdgas nie als politische Waffe eingesetzt worden - nicht einmal im Kalten Krieg", hatte SPD-Außenpolitiker Niels Annen noch im Mai erklärt. Infolge der EU-Sanktionen hatte der Kreml im Juli allerdings schon einen Anstieg der Preise auf dem europäischen Energiemarkt angekündigt. Eine Gasdrosselung könnte den Westen empfindlich treffen. Ein Viertel des in Europa verbrauchten Gases stammt aus Russland. Deutschland bezieht sogar fast 40 Prozent seines verbrauchten Gases vom russischen Markt. Einige Politiker befürchten, die Ukraine könne im Winter für Europa bestimmtes Erdgas aus Russland abzapfen. Fast die Hälfte des russischen Erdgases wird über ukrainisches Gebiet geleitet. Kiew hat versichert, diese Option nicht in Erwägung zu ziehen.
Quelle: ntv.de, cro/AFP/dpa/rts