Wahlergebnis in Ägypten unklar Mursis Anhänger feiern
18.06.2012, 17:44 Uhr
Den Anhängern von Mohammed Mursi ist noch zum Feiern zumute. Doch wie es aussieht, wird er als Präsident gar nicht viel zu sagen haben.
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Das Ergebnis steht noch aus, doch beide Kandidaten der Stichwahl in Ägypten sehen sich als Sieger. Derweil sichert sich der Oberste Militärrat noch umfassendere Machtbefugnisse. Die einzige gewählte Institution im Land, das islamistisch dominierte Parlament, will sich dem nicht beugen.
Nach der sehen sich beide Kandidaten als Sieger. Die Muslimbruderschaft erklärte, ihr Kandidat Mohammed Mursi habe etwa 52 Prozent der gültigen Stimmen erhalten. Die Unterstützer seines Gegenspielers Ahmed Schafik behaupteten ihrerseits, Schafik habe mit "51,5 bis 52 Prozent der Stimmen" den Sieg davongetragen.

Der Oberste Militärrat will Ende des Monats die Macht an den neuen Präsidenten übergeben. Zunächst jedoch haben die Generäle dessen zukünftige Macht beschnitten.
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Die Muslimbruderschaft hatte Mursi schon wenige Stunden nach Schließung der Wahllokale am Sonntagabend zum Sieger ausgerufen. Auch die unabhängigen Medien Ägyptens sahen den Islamisten alle vorne. Ein paar tausend Anhänger Mursis zogen auf den Tahrir-Platz im Zentrum von Kairo, um den Sieg Mursis zu feiern.
Allerdings fehlten zunächst die Ergebnisse aus der Großstadt Kairo. Aus Kreisen der Wahlkommission hieß es, ein endgültiges Bild aus der Hauptstadt werde erst am Abend vorliegen, da die Auszählung in einigen Bezirken wegen vermuteter Unregelmäßigkeiten wiederholt worden sei. In Kairo lebt mindestens ein Viertel aller Ägypter. Die Wahlkommission will das offizielle Ergebnis allerdings frühestens an diesem Mittwoch bekanntgeben.
Militärrat sichert sich umfangreiche Macht
Die Präsidentenwahl hatte ursprünglich der Endpunkt der institutionellen Erneuerung in Ägypten sein sollen. Doch nachdem der seit dem Sturz Mubaraks regierende Oberste Militärrat in der vergangenen Woche das hatte und eine Verfassungsgebende Versammlung nie zustande gekommen ist, fehlen nun auch die Grundlagen für einen neuen Präsidenten, um das Land regieren zu können. Dieses Vakuum nutzt der Militärrat, um sich weitere Machtbefugnisse zu sichern.
Sollte der Muslimbruder Mursi die Wahl gewonnen haben, wird der Machtkampf zwischen den Militärs und den Islamisten in eine neue Runde gehen. Der Oberste Militärrat konterte die verfrühten Siegesfeiern der Islamisten bereits mit Verfassungsänderungen, die die Macht des Präsidenten deutlich begrenzen. Zugleich übertrug sie die Vollmachten des vor einigen Tagen aufgelösten Parlaments auf die Militärführung.
Die Militärs legten fest, dass der Präsident künftig nur noch nach Abstimmung mit dem Obersten Militärrat den Krieg erklären darf. Außerdem sollen die Generäle über die Belange des Militärs weitgehend autonom entscheiden. Bis zur Wahl eines neuen Parlaments zogen die Militärs die Vollmachten der aufgelösten Volksvertretung an sich. Das bedeutet, dass der Militärrat Gesetze erlassen kann und über den Staatshaushalt bestimmt.
Das Gremium der Generäle behält sich zudem vor, selbst ein Komitee zu ernennen, das die neue Verfassung ausarbeitet, falls das noch vom aufgelösten Parlament eingesetzte Verfassungskomitee nicht binnen einer Woche seine Arbeit aufnimmt. Auch können die Militärs gegen einzelne Bestimmungen des Verfassungsentwurfs ihr Veto einlegen. Die Verfassung soll am Ende zur Volksabstimmung vorgelegt werden. Erst dann wird ein neues Parlament gewählt.
Frust und Resignation in Kairo
Viele Ägypter waren am vergangenen Wochenende gegangen. Die liberalen, säkularen und unabhängig-islamistischen Kandidaten hatten alle die Stichwahl knapp verpasst. Kandidaten wie der linke Nasserist Hamdin Sabahi oder der Ex-Muslimbruder Abd al-Munim Abu al-Futuh galten eher als Repräsentanten eines neuen Ägypten als ausgerechnet der Muslimbruder Mursi oder der Ex-Mubarak-Minister Ahmad Schafik.
Die Stimmung in Kairo wird - abgesehen von den feiernden Mursi-Anhängern - als frustriert bis resigniert beschrieben. Die Wähler haben vielfach nicht aus Überzeugung gewählt, sondern den Kandidaten, den sie für das kleinere Übel hielten.
Muslimbrüder halten an gewähltem Parlament fest
Die Muslimbruderschaft protestierte vehement gegen die Machtkonzentration in den Händen der Generäle. "Der Militärrat hätte den freien Willen der Menschen respektieren müssen, der dieses Parlament hervorgebracht hat", erklärte Saad al-Katatni, der Präsident des aufgelösten Unterhauses. Hussein Ibrahim, der Fraktionschef der Muslimbrüder im Unterhaus, kündigte an, dass die Kammer an diesem Dienstag zusammentreten werde - wie gewohnt.
"Wir werden die einzige gewählte Institution in diesem Land nicht einem Militärputsch ausliefern", erklärte Ibrahim. Beobachter schließen an diesem Dienstag eine Machtprobe mit dem Militär nicht aus. Der Militärrat hatte Ende letzter Woche, unmittelbar nach dem Spruch der Verfassungsrichter, die Schließung des Parlamentsgebäudes verfügt.
Quelle: ntv.de, nsc/dpa