Politik

Ägypten steuert auf Stichwahl zu Muslimbrüder sehen sich vorne

Die Auszählung der Stimmen wird noch bis Samstag dauern.

Die Auszählung der Stimmen wird noch bis Samstag dauern.

(Foto: AP)

Die Präsidentenwahl in Ägypten wird wohl in die zweite Runde gehen. Laut mehrerer Nachwahlbefragungen wird dann der Name des Muslimbruders Mursi auf den Wahlzetteln stehen. Er wird vermutlich antreten gegen Ex-Außenminister Mussa oder den Ex-Ministerpräsident Schafik. Belastbare Ergebnisse gibt es aber vorerst nicht.

Bei den Präsidentschaftswahlen in Ägypten zeichnet sich ein Vorsprung des Kandidaten der Muslimbruderschaft, Mohammed Mursi, ab. Sowohl die Nachwahlbefragungen der Muslimbrüder als auch die der Wahlkampagnen von Ahmad Schafik, einem ehemaligen Kommandeur der Luftstreitkräfte, und vom früheren Außenminister Amro Mussa sehen Mursi vorn.

Das offizielle Ergebnis wird nicht vor Samstag erwartet. Die Nachwahlbefragungen der Bruderschaft machen nach ihren Angaben rund zwei Prozent aller Wahlbüros aus und ergeben für Mursi einen deutlichen Vorsprung. Weder die Auszählungsergebnisse noch die Zahlen der Nachwahlbefragungen konnten von unabhängiger Seite bestätigt werden.

Schließt man das unwahrscheinliche Szenario aus, dass einer der ein gutes Dutzend Kandidaten mehr als die Hälfte der Stimmen erhält, und geht man davon aus, dass sich die Tendenz der Befragungen bestätigt, dann kommt Mursi in die Stichwahl, die am 16. und 17. Juni abgehalten werden soll.

Die Wahlkampfteams von Schafik und Mussa sahen jeweils ihren Kandidaten als zweiten Mann in der Stichwahl. In jedem Fall würde dann ein säkularer gegen einen religiösen Bewerber ums Präsidentenamt konkurrieren. Die inoffiziellen Auszählungsergebnisse schließen allerdings auch einen Erfolg des früheren Muslimbruders Abd al-Munim Abu al-Futuh und von Hamdin Sabahi nicht aus, der eine linke Partei führt und sich als Vertreter der Armen präsentiert.

Auch das alte Regime steht zur Abstimmung

Die Ergebnisse sind mit äußerster Vorsicht zu genießen. Das Umfragewesen ist in Ägypten noch kaum entwickelt. Wo im Westen fein abgestimmte politische Befragungen jedem Wahlgang den Großteil der Spannung nehmen, ist das Ergebnis der international wichtigen Abstimmung bis zum Schließen der Wahllokale und darüber hinaus noch lange reine Vermutung.

Sollte es zu einer Stichwahl zwischen Mursi mit Mussa oder Schafik kommen, dann hätte jedes Duell seine eigene Note. Für viele Ägypter würde sich im Wettstreit Mursis mit Schafik der Kampf des alten Regimes gegen die Islamisten widerspiegeln, der Ägypten seit Jahrzehnten geprägt hat. Für viele wäre Schafik, der bis zu den letzten Tagen der Mubarak-Herrschaft zum inneren Führungskreis zählte, ein Rückfall in alte Zeiten.

Mussa diente zwar auch unter Mubarak, aber galt nie als harter Verfechter von dessen Politik. Der Diplomat gehörte zum Zeitpunkt des Sturzes schon fast zwölf Jahre nicht mehr der Regierung an und stellte sich früh hinter die Aufstände. Er dürfte der Favorit der Anti-Mubarak-Bewegung sein, von denen ein großer säkular orientierter Teil auf die Stichwahl verzichten könnte, sollten dabei Schafik und Mursi antreten.

Schlägereien vor Wahllokalen

Die Wahlen sind in jeder Hinsicht besonders. Sie wurde nur durch die Revolution Anfang 2011 möglich, die den langjährigen Machthaber Husni Mubarak aus dem Amt fegte, was die meisten Ägypter für praktisch unmöglich gehalten hatten. In mehr als einem Jahr erwachten große Teile der Bevölkerung aus jahrelanger politischer Apathie. Nun bestimmen sie erstmals in freier Wahl ihr Staatsoberhaupt.

Der Urnengang verlief nicht überall regulär. Unabhängige Wahlbeobachter berichten von mehreren Verstößen gegen die Wahlordnung. Die "Beobachter ohne Grenzen" sehen alleine für den ersten Wahltag 143 zu beanstandende Vorfälle. Die Ägyptische Organisation für Menschenrechte (EOHR) erhielt Kenntnis von mindestens elf Fällen in acht Provinzen, bei denen Geld für die Wahl eines bestimmten Kandidaten angeboten wurde. In einem Fall, in der Mittelmeer-Stadt Marsa Matruh, nahm das Militär deshalb mehrere Personen fest.

Gelegentlich schlugen die Wogen der Leidenschaft hoch. Vor einigen Wahllokalen kam es zu Schlägereien zwischen den Anhängern verschiedener Kandidaten. Nach Medienberichten wurden landesweit mehr als 30 Menschen verletzt. Insgesamt lag aber das Gewaltniveau deutlich unter dem früherer Wahlen in Ägypten. Nach offiziellen Angaben waren 300.000 Soldaten und Polizisten im Einsatz, um für einen friedlichen Wahlverlauf zu sorgen.

Quelle: ntv.de, jog/DJ/dpa

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