"Manipulationen in großem Umfang" Mussawi kämpft weiter
25.06.2009, 10:05 Uhr
Protest einer Exil-Iranerin in Brüssel.
(Foto: AP)
Trotz wachsenden Drucks des iranischen Regimes hält Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi an seinem Widerstand gegen das umstrittene Ergebnis der Präsidentschaftswahl fest. "Der jüngst ausgeübte Druck zielt darauf ab, dass ich meine Forderung nach Annullierung der Wahl aufgebe", schreibt Mussawi auf seiner Website, die am Nachmittag (MESZ) allerdings nicht mehr erreichbar war.

Mussawi will nicht aufgeben. "Wir müssen dieses teuflische Komplott ausschalten, indem wir bei unseren Protesten die Prinzipien der Iranischen Revolution achten."
(Foto: dpa)
Mussawi beklagte, dass die Führung des Landes seinen Zugang zur Bevölkerung behindere. Die Webseiten hätten Probleme, seine Zeitung sei verboten, und Mitarbeiter seien festgenommen worden. Er werde jedoch nicht aufgeben, bekräftigte Mussawi und rief zur Fortsetzung der Proteste auf. "Es hat Manipulationen in großem Umfang gegeben. Ich bin bereit zu beweisen, dass die Hintermänner verantwortlich für das Blutvergießen sind", hieß es auf der Website. "Die Fortsetzung der rechtmäßigen und friedlichen Proteste wird dafür sorgen, dass wir unsere Ziele erreichen."
"Prinzipien der Revolution achten"
Zugleich forderte Mussawi seine Anhänger noch einmal auf, bei ihren Protesten nicht gegen Gesetze zu verstoßen oder ihr Leben zu riskieren. "Ich bitte das iranische Volk aufrichtig, ruhig zu bleiben und jegliche Spannung zu vermeiden, damit niemand behaupten kann, die grüne Bewegung werde aus dem Ausland gesteuert." "Wir müssen dieses teuflische Komplott ausschalten, indem wir bei unseren Protesten die Prinzipien der Iranischen Revolution achten", forderte Mussawi.
Am Dienstag hatte Mussawi einen Bericht zu mutmaßlichen Betrugsfällen bei der Präsidentenwahl vom 12. Juni vorgelegt und die Bildung einer unabhängigen "Wahrheitskommission" gefordert, die den Wahlvorgang überprüfen soll. Der Wächterrat hat aber bereits erklärt, die Wahl werde nicht annulliert, weil es keine größeren Unregelmäßigkeiten gegeben habe. Dennoch liegt das offizielle Endergebnis noch immer nicht vor.
Mehr als 140 Festnahmen
Nach Angaben von Oppositionellen wurden im Iran bislang mehr als 140 Menschen festgenommen. Die reformorientierte Tageszeitung "Etemad" veröffentlichte eine Liste mit 71 Reformpolitikern, Journalisten und Wahlkampfmitarbeitern von Mussawi, die seit dem Urnengang am 12. Juni festgenommen wurden. Auf Mussawis Internetseite wurde zudem eine Liste mit 70 weiteren Namen von Universitätsvertretern sowie Mitgliedern islamischer Vereinigungen veröffentlicht, die den Angaben zufolge nach einem Treffen mit dem Politiker am Mittwoch festgenommen wurden.
Die Demonstrationen nach der Wahl vom 12. Juni, zu deren Sieger die Behörden Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad erklärt hatten, hatten in den vergangenen Tagen angesichts einer unbekannten Zahl von Toten und zahlreicher Festnahmen deutlich abgenommen. Andere Protestformen wie abendliche "Allahu akbar"-Rufe von den Dächern Teherans gehen allerdings weiter.
Laut BBC boykottierten etwa 200 iranische Abgeordnete aus Protest eine Siegesfeier von Ahmadinedschad. Von 290 eingeladenen Abgeordneten seien am Mittwochabend nur 105 erschienen. Unter den Abwesenden sei auch Parlamentspräsident Ali Laridschani gewesen. Ein BBC-Korrespondent wertete dies als Zeichen eines tiefen Risses in der iranischen Führung. Beobachter in Teheran wiesen allerdings auch darauf hin, dass viele Abgeordnete zur Zeit in ihren Heimatprovinzen seien.
Demo mit Luftballons am Freitag
Für Freitag hat Mussawi zu einer Kundgebung aufgerufen. "Please come to Baharestan Sq. in Tehran tomorrow at 4pm", heißt es auf Mussawis Twitter-Seite. 16.00 Uhr im Iran entspricht 13.30 Uhr MESZ. Mussawis Anhänger kündigten an, Tausende Luftballons mit der Aufschrift "Neda, Du wirst immer in unseren Herzen bleiben" aufsteigen zu lassen. Damit beziehen sie sich auf die junge Frau, die durch ein Handy-Video im Internet zu einer Ikone des Protestes geworden ist. Das Video, dessen Echtheit wegen der Zensur im Iran nicht bestätigt werden kann, zeigt, wie sie auf offener Straße stirbt.
Neda angeblich mit ausländischer Waffe getötet
Nach Darstellung der staatsloyalen Presse im Iran wurde Neda mit einer ausländischen Waffe erschossen. Die Zeitung "Watan Emrus", die Ahmadinedschad unterstützt, beschuldigte sogar den inzwischen des Landes verwiesenen BBC-Journalisten Jon Leyne, den Mord für seine Dokumentation in Auftrag gegeben zu haben.
Nedas Verlobter hatte zu Beginn der Woche der BBC gesagt, Neda habe gar nicht an den Protesten teilgenommen. Sie sei nur zufällig in der Nähe aus dem Auto ausgestiegen. Er beschuldigte die islamische Bassidsch-Miliz, für den Tod seiner Verlobten verantwortlich zu sein. Auf seine Freundin sei "absichtlich" gezielt worden.
Machtkampf im Establishment
Beobachtern zufolge hat sich die Auseinandersetzung um den Wahlausgang stärker in die Hinterzimmer des politischen Establishments verlagert. Mussawi hat dabei die Unterstützung einiger politischer Schwergewichte, darunter sind der Ex-Präsident und Chef der einflussreichen Expertenversammlung, Akbar Haschemi Rafsandschani, der frühere Präsident Mohammed Chatami und der angesehene Großajatollah Hossein Ali Montaseri, der einst als Nachfolger von Revolutionsführer Ajatollah Ruhollah Chomeini vorgesehen war. Der heutige Oberste Führer Ajatollah Ali Chamenei stand dagegen schon im Wahlkampf auf der Seite Ahmadinedschads.

Ahmadinedschad an Obama: "Ich hoffe, Sie halten sich aus den Angelegenheiten Irans heraus".
(Foto: REUTERS)
Montaseri warnte die iranische Führung davor, friedliche Proteste gegen die Präsidentschaftswahl weiter zu unterdrücken. Er forderte, ein "unabhängiges" Gremium mit der Beilegung der Krise zu betrauen und ermunterte seine Landsleute, die Proteste fortzusetzen.
Ahmadinedschad fordert Entschuldigung von Obama
Ahmadinedschad forderte US-Präsident Barack Obama auf, sich nicht länger in die inneren Angelegenheiten des Iran einzumischen. Obama hatte erklärt, er sei entsetzt und empört über die Gewalt gegen Demonstranten und deren Inhaftierung. "Wollen Sie in diesem Ton sprechen?", sagte Ahmadinedschad. Wenn dies Obamas Haltung sei, gebe es nicht viel, worüber man zwischen beiden Seiten noch sprechen könne. "Ich hoffe, Sie halten sich aus den Angelegenheiten Irans heraus und bringen Ihr Bedauern so zum Ausdruck, dass die iranische Nation davon erfährt."
USA laden Iraner wieder aus
Derweil hat das Weiße Haus alle iranischen Diplomaten von den Feiern zum Unabhängigkeitstag am 4. Juli ausgeladen. Wie der Sender CNN am Donnerstagmorgen berichtete, wies Außenministerin Hillary Clinton alle diplomatischen Vertretungen der USA an, die Einladungen an iranische Diplomaten zurückzuziehen. Eine Teilnahme iranischer Vertreter wäre unter den gegebenen Umständen "nicht mehr genehm".
Es war das erste Mal seit 30 Jahren, dass die USA überhaupt wieder iranische Diplomaten zu den Feiern des amerikanischen Unabhängigkeitstages in US-Botschaften eingeladen hatten. Die Einladungen waren Teil von Obamas angestrebter Annäherung der beiden verfeindeten Länder.
Wie CNN weiter berichtete, hatte Obama noch vor den Präsidentschaftswahlen Kontakt mit der iranischen Führung aufgenommen. In einem Schreiben an Chamenei habe Obama die Wiederaufnahme des Dialogs angeregt, berichtete der US-Sender unter Berufung auf Quellen im Iran. Die gegenwärtige Krise könne die Annäherung verhindern.
Quelle: ntv.de, hvo/AFP/rts/dpa