Steuerstreit mit dem Alpenland NRW provoziert die Schweiz
02.04.2012, 07:24 Uhr
Trügerische Idylle: Zumindest deutschen Steuerbeamten erscheint die Schweiz dieser Tage gar nicht friedlich.
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Schweiz erlässt Haftbefehle gegen Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen. Doch statt nun bei der Suche nach Schwarzgeldkonten im Nachbarland besonders vorsichtig vorzugehen, setzt das Bundesland auf Konfrontation. Finanzminister Walter-Borjans will weitermachen wie bisher, wenn die Schweiz Steuerschlupflöcher nicht schließt.
Trotz der Schweizer Haftbefehle gegen drei Finanzbeamte aus Nordrhein-Westfalen will die Landesregierung in Düsseldorf auch künftig Daten über deutsche Steuersünder im Ausland kaufen. Wer die Gesellschaft um seinen Anteil an der Finanzierung betrüge, der mache sich strafbar und müsse mit einer Verfolgung durch die Behörden rechnen, sagte Finanzminister Norbert Walter-Borjans der "Berliner Zeitung".
Deutschland und die Schweiz liegen seit Jahren im Streit, weil Bern es zulässt, dass Deutsche unversteuertes Geld auf Schweizer Konten deponieren. Am Wochenende eskalierte die Auseinandersetzung: Die Schweiz erließ Haftbefehle gegen drei Steuerfahnder aus Nordrhein-Westfalen. Die Beamten waren vor gut zwei Jahren am Ankauf einer CD mit Informationen über Steuersünder beteiligt. Nordrhein-Westfalen zahlte damals 2,5 Millionen Euro für die Daten deutscher Kunden bei der Schweizer Bank Credit Suisse. Die Schweizer Justiz wirft den Beamten nun Wirtschaftsspionage vor.
Walter-Borjans bezeichnete das Vorgehen Berns als einen "massiven Einschüchterungsversuch", der aber an der Entschlossenheit der Landesregierung nichts ändere. Das Land sei darauf angewiesen sich entsprechende Informationen durch an Kauf von Daten-CDs zu beschaffen, so der SPD-Politiker. Die Schweiz müsse die Schlupflöcher schließen.
Kritik am Finanzminister
Derweil entbrannte heftige Kritik am Vorgehen von Finanzminister Wolfgang Schäuble im Umgang mit den Haftbefehlen. Der CDU-Politiker sagte, die Schweizer Haftbefehle entsprächen geltendem Recht im Alpenland.
Die Opposition forderte den Minister auf, sich für seine Beamten stark zu machen, statt Verständnis für das Nachbarland zu demonstrieren. So sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann der "Bild"-Zeitung: "Die Regierung sollte die Steuerfahnder für das Bundesverdienstkreuz vorschlagen. Sie haben sich mit dem Kampf gegen Geldwäsche und Steuerhinterziehung um den Rechtsstaat verdient gemacht."
Die Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick und Thomas Gambke warfen Schäuble vor, er falle "den Finanzbeamten in den Rücken". "Anstatt sich klar hinter die Steuerfahnder zu stellen, die mit ihrer Arbeit erst die Aufdeckung der umfangreichen Steuerhinterziehung ermöglicht haben, zeigt der Finanzminister für das Schweizer Vorgehen Verständnis."
Geplantes Abkommen ist umstritten
Die Opposition sieht im Vorgehen der Schweiz auch ein Druckmittel in der Debatte über ein geplantes Steuerabkommen zwischen Berlin und Bern. Mit dem Abkommen soll deutsches Schwarzgeld in der Schweiz besteuert werden, Steuersündern würde es aber weiter Anonymität zusichern. . Auch die Deutsche Steuergewerkschaft Gewerkschaftschef hält wenig davon.
So sagte Gewerkschaftschef Thomas Eigenthaler der "Leipziger Volkszeitung", das geplante Steuerabkommen mit der Schweiz sei unzureichend. Komme es, würden weiterhin in den Hinterzimmern Schweizer Banken Steuern für Steuerhinterzieher anonym abgewickelt. Das sei "ein Schlag ins Gesicht für die ehrlichen Steuerbürger".
Auch Nachverhandlungen brächten keine durchschlagende Besserung. Steuerhinterzieher hätten bis 2013 genug Zeit, um ihre Konten im Nachbarland aufzulösen. "Dann passiert ihnen gar nichts." Eigenthaler schloss daraus: "Lieber kein Abkommen als dieses."
Nach den bisherigen Plänen sollen Erträge deutscher Anleger in der Schweiz ab 2013 mindestens genauso hoch besteuert werden wie in Deutschland. Schätzungen zufolge sollen deutsche Anleger zwischen 130 und 180 Milliarden Euro illegal in das Alpenland geschleust haben. Die von SPD und Grünen geführten Länder lehnen das Abkommen zur Besteuerung des Milliarden-Vermögens auch nach Zugeständnissen der Schweiz ab.
Schäubles Hoffnung, mit der Regelung flösse ein Steuerbetrag von deutlich mehr als die bisher verabredeten zwei Milliarden Schweizer Franken in deutsche Kassen, ist Eigenthaler zufolge "reines Wunschdenken". Zwischen Sommer 2011 und Frühjahr 2013 hätten die Steuerhinterzieher Zeit genug, um ihre Konten aufzulösen. Dann passiere ihnen gar nichts. Das sei angesichts von etwa 150 Milliarden Euro deutschen Schwarzgelds in der Schweiz ein "Skandal".
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP