"Unarische zeugungsfähige Männer" NSU mordete nach Muster
15.01.2012, 18:30 UhrImmer tiefer dringen die Ermittler in die Gedankenwelt des Zwickauer Terrortrios ein. Vorbilder von Zschäpe, Mundlos und Bönhardt sind wahrscheinlich US-amerikanische Rassisten. Aus ihrem menschenverachtenden Weltbild entwickelten sie dabei ein mörderisches Raster.
Bei den Ermittlungen gegen die Zwickauer Neonazi-Terrorzelle hat die Bundesanwaltschaft weiteres Beweismaterial ausgewertet. "Aus den frühen Entwürfen eines Bekennervideos und schriftlichen Unterlagen geht hervor, dass die Taten aus Fremdenhass begangen wurden", sagte der Sprecher der Bundesanwaltschaft in Karlsruhe, Marcus Köhler. "Die terroristische Zwecksetzung des NSU ('Nationalsozialistischen Untergrunds') wird dadurch weiter belegt."
Nach Informationen des "Spiegels" haben die Neonazis Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt ihre Mordserie womöglich nach dem Vorbild US-amerikanischer Rassisten geplant. In einem frühen, bislang unveröffentlichten Bekennervideo erscheinen demnach Kästchen, die sich jeweils mit dem Datum eines Attentats füllen. Auffällig sei, so heiße es in einem Ermittlungsbericht des Bundeskriminalamts, "dass bei den Einblendungen immer 14 umrahmte Felder zu sehen sind".
Die Zahl 14 habe "in der rechtsextremistischen Szene eine besondere Bedeutung" und beziehe sich auf die ideologische Leitlinie eines US-amerikanischen Rassisten, die aus 14 Wörtern bestehe. Die Ermittler gingen dem Verdacht nach, dass die Neonazis für jedes dieser Wörter einen Mordanschlag begehen wollten.
Opfer gezielt ausgesucht
In Zwickau gefundene Aufzeichnungen legen laut "Spiegel" nahe, dass sich Böhnhardt und Mundlos bei der Auswahl ihrer Opfer auf "unarische" Männer im zeugungsfähigen Alter konzentrierten. In einem Fall sollen die Täter von der geplanten Ermordung eines türkischen Unternehmers in Dortmund abgesehen haben, weil er über 60 Jahre alt war.
Nach einem Bericht des "Focus" wollte der NSU Rechtsextremisten anwerben, die sich an Verbrechen gegen Ausländer beteiligen. Das lege ein bislang unveröffentlichter Filmausschnitt nahe. Zu sehen sei ein Plakat mit dem NSU-Logo und der Aufschrift "Mitstreiter gesucht im Kampf gegen die Kanackenflut".
Personelle Konsequenzen
Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) räumte Defizite der Sicherheitsbehörden des Bundes im Fall NSU ein. "Das zentrale Problem war, dass eine Vernetzung des Trios über Thüringen hinaus nicht erkannt wurde", sagte Friedrich dem Berliner "Tagesspiegel am Sonntag". Trotz eines Anfangsverdachts auf terroristische Aktivitäten habe der Fall "als regional begrenztes Phänomen" gegolten.
Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) hat laut "Spiegel" personelle Konsequenzen aus den Versäumnissen gezogen. BfV-Präsident Heinz Fromm habe den Abteilungsleiter Artur Hertwig seiner Zuständigkeit für den Rechtsextremismus enthoben. Die 2006 zusammengelegten Abteilungen für Links- und Rechtsextremismus wolle Fromm wieder trennen. Ein BfV-Sprecher sagte dazu auf Anfrage, sein Haus äußere sich zu Personalfragen grundsätzlich nicht.
Quelle: ntv.de, dpa