Politik

Grüne werben um SPD-Mitglieder Nahles: Gabriel mitverantwortlich

Unter Druck: SPD-Chef Gabriel und Generalsekretärin Nahles.

Unter Druck: SPD-Chef Gabriel und Generalsekretärin Nahles.

(Foto: dpa)

Dass Sarrazin in der SPD bleiben darf, sorgt weiter für ordentlich Streit in der Partei. Generalsekretärin Nahles gibt den Druck an Parteichef Gabriel weiter. Baden-Württembergs SPD-Chef Schmid kritisiert erneut die Entscheidung, damit würden Migranten verprellt. Die Grünen werben deshalb offensiv um enttäuschte SPD-Mitglieder.

SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles hat Parteichef Sigmar Gabriel in Mithaftung für das Scheitern des Partei-Ausschlussverfahrens gegen Thilo Sarrazin genommen. Während des Verfahrens habe sie sich mit Gabriel über die "denkbaren Szenarien" verständigt, sagt sie der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung"."Der Versuch, in dieser Sache einen Keil zwischen Sigmar Gabriel und mich zu treiben, wird erfolglos bleiben."

Nahles war nach der Einstellung des Ausschlussverfahrens gegen den früheren Finanzsenator und Bundesbanker parteiintern stark unter Druck geraten. In der "FAS" kritisierte sie nun, dass der Ausgang des Schiedsverfahrens von ihrer eigenen Partei nicht ausreichend gewürdigt werde. Statt sich erneut als Opfer darzustellen, habe Sarrazin einlenken und sich auf die SPD zubewegen müssen. Auch sie störe es, dass er noch immer SPD-Mitglied sei. "Aber es kann nicht sein, dass missliebige Parteimitglieder mit unliebsamen Meinungen einfach rausgeworfen werden können."

Nahles verteidigte das Einleiten des Parteiordnungsverfahrens - obwohl sie intern früh vor den Risiken gewarnt hatte. Gabriel hatte sich dafür starkgemacht, Sarrazin aus der Partei zu werfen. Die Generalsekretärin betonte, sie habe dieses Verfahren unterstützt, schon um klar zu machen, wo die Grenzen der Meinungsfreiheit in einer demokratischen Partei seien. Sie habe sich überhaupt nichts vorzuwerfen, was ihre Haltung zu und in diesem Verfahren angehe: "Ich war da sehr klar." Das gesetzlich festgelegte Ausschlussverfahren sei aus ihrer Sicht "nicht geeignet, politische Kontroversen dieser Art wirklich auszutragen", sagte Nahles.

Schwesig verteidigt Verfahren

Auch die stellvertretende SPD-Vorsitzende Manuela Schwesig verteidigte die Entscheidung. Ein Fehler sei das Ausschlussverfahren nicht gewesen, sagte sie im Interview mit n-tv.de. Sie respektiere die Entscheidung der unabhängigen Schiedskommission. Das Ergebnis habe auch "nichts mit Rücksichtnahme auf Zielgruppen zu tun". Sie könne trotzdem verstehen, dass das Ergebnis zu Diskussionen in der SPD führe, "so wie Sarrazins Äußerungen immer wieder zu Diskussionen geführt haben", sagte Schwesig.

Alles wegen diesem Mann: Sarrazin und seine integrationspolitischen Thesen spalten die SPD.

Alles wegen diesem Mann: Sarrazin und seine integrationspolitischen Thesen spalten die SPD.

(Foto: dpa)

Zugleich warnte Schwesig ihre Partei davor, das Thema Integration nur auf den Umgang mit Sarrazin zu reduzieren. "Mich stört, dass, wenn es um Integration geht, nur noch über Sarrazin diskutiert wird, und nicht mehr darum, was eigentlich gut ist für Integration und was die SPD zu bieten hat", sagte Schwesig. Eine Personaldebatte angesichts der schlechten Umfragewerte lehnte Schwesig ab. Diese würde nur dazu führen, dass die SPD mehr Vertrauen verlieren als gewinnen würde. "Wir alle tragen gemeinsam Verantwortung für die SPD. Wir würden es uns deshalb zu einfach machen, das auf einzelne Personen zu reduzieren", sagte sie mit Blick auf Gabriel und Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier.

Auch der ehemalige SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel verteidigte die Entscheidung, Sarrazin nicht aus der Partei auszuschließen. Im Deutschlandradio Kultur versicherte er, die von Sarrazin abgegebene Erklärung sei substanzieller als öffentlich dargestellt. So habe dieser unter anderem zugesagt, bei Veranstaltungen sein Bekenntnis zu sozialdemokratischen Grundsätzen deutlich zu machen.

Schmid kritisiert Entscheidung

Das SPD-Präsidium wird sich auf einer Telefonschaltkonferenz am Montag auch mit der überraschenden Einstellung des Verfahrens gegen Sarrazin beschäftigen müssen. In der Partei gibt es darüber weiter Unmut. Baden-Württembergs SPD-Chef Nils Schmid, der mit einer türkischstämmigen Frau verheiratet ist, sagte der "Welt am Sonntag": "Die SPD hätte Sarrazin ausschließen sollen." Für viele Migranten sei die von ihm ausgelöste Debatte verheerend. Dafür aber fehle vielen Politikern das Bewusstsein.

Schwesig sieht das Verhältnis zu Einwanderern abernicht nachhaltig belastet. "Wie stark sich die SPD für sozial Schwache und Menschen einsetzt, die noch nicht ausreichend integriert, sondern derzeit eher diskriminiert sind, zeigt sich an unserem politischen Handeln", betonte die 36-Jährige gegenüber n-tv.de.

Mehrheit begrüßt Verbleib

Die Grünen werben nun offensiv um enttäuschte SPD-Mitglieder: "Wir bieten allen, die sich ihrer politischen Heimat beraubt fühlen, an, sich bei uns zu engagieren", sagte Parteichef Cem Özdemir der "Passauer Neuen Presse". Die SPD habe den "Anspruch verwirkt, weiterhin die erste Adresse für viele Menschen mit Migrationshintergrund zu sein".

Gut die Hälfte der Deutschen begrüßt den Verbleib von Sarrazin in der SPD, weniger als ein Drittel ist dagegen. In einer tns-Emnid-Umfrage für das Nachrichtenmagazin "Focus" sagten 52 Prozent der Befragten, sie fänden es richtig, dass der Bestseller-Autor in der SPD bleiben dürfe. 27 Prozent erklärten, sie fänden es nicht richtig. 20 Prozent machten keine eindeutigen Angaben. Bei der SPD sind ebenfalls 52 Prozent für die weitere Parteimitgliedschaft Sarrazins, 38 Prozent dagegen.

Quelle: ntv.de, tis/dpa

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