Datenverkauf auch an USA Neue Identität vom BND
23.02.2008, 11:55 UhrDer Liechtensteiner Informant des Bundesnachrichtendienstes (BND) in der Steuer-Affäre hat die kopierten Kundendaten nach einem "Spiegel"-Bericht auch an US-Behörden verkauft. Amerikanische Steuerfahnder hätten im Sommer 2007 mit entsprechenden Ermittlungen begonnen, berichtete das Nachrichtenmagazin unter Berufung auf Angaben aus Liechtenstein. US-Steuerfahnder sollen demnach seither in rund 50 Fällen zugeschlagen haben.
Bei dem Informanten handelt es sich dem Bericht zufolge doch um jenen Mann, der in Liechtenstein bereits 2004 im Zusammenhang mit einem Datendiebstahl bei der LGT-Bank verurteilt wurde. Er sei vom BND mit einer neuen Identität ausgestattet worden, nachdem er Wuppertaler Steuerfahndern mehrere DVD übergeben habe, schreibt das Magazin. Das Nachrichtenmagazin "Focus" berichtete, er habe vom BND zwei Pässe mit falschen Namen erhalten, nachdem das Bundeskriminalamt (BKA) es abgelehnt habe, ihn ins Zeugenschutzprogramm aufzunehmen. Nach übereinstimmenden Informationen beider Magazine war er von der LGT-Bank damit beauftragt, das Papierarchiv zu digitalisieren, und hatte deshalb Zugang zu den Kundendaten.
Der Informant soll sich zunächst unter falschem Namen und als Frau beim Bundesnachrichtendienst (BND) gemeldet haben, berichtetet die "Süddeutsche Zeitung". Der Tippgeber teilte dem Geheimdienst Anfang 2006 in einer E-Mail mit, er besitze Informationen über Geldwäsche und organisierte Kriminalität sowie über die Steuerhinterziehung deutscher Anleger in Liechtenstein. Er könne diese Tricksereien nun "nicht mehr aushalten".
Das den deutschen Behörden vorliegende Material besteht laut "Spiegel" aus 4527 Datensätzen über Stiftungen und Institutionen, von denen etwa 1400 deutschen Investoren gehören. Rund 65 Prozent der Stiftungen sollen nach Angaben der Ermittler noch heute existieren. Insgesamt sollen die Steuerfahnder bis zu 20 Bankmitarbeiter, Stiftungsräte und Kundenbetreuer in Deutschland und Liechtenstein verdächtigen, an "Steuersparmodellen" mitgearbeitet zu haben.
Leichtes Aufatmen im Bundestag
Unter den "Steuersparern" sollen nach neuesten Angaben auch mehrere Bundestagsabgeordnete sein. Leichtes Aufatmen im Parlament: Möglicherweise sind die betroffenen Personen aber längst ausgeschieden. Der "Süddeutschen Zeitung" sagte Oberstaatsanwalt Hans-Ulrich Krück von der in der Steueraffäre federführenden Bochumer Staatsanwaltschaft: "Es stehen keine Ermittlungen gegen aktive Bundestagsabgeordnete bevor." Bei den Ermittlungen gegen 700 beschuldigte Anleger habe sich kein Hinweis auf derzeit im Bundestag sitzende Abgeordnete ergeben. "In keinem Falle ist die Aufhebung der Immunität beantragt worden oder geplant." Eine Immunitätsaufhebung wäre Voraussetzung für förmliche Ermittlungen gegen aktive Abgeordnete. Die Fraktionen teilten mit, ihnen lägen keine Informationen über betroffene Parlamentarier vor. Die Staatsanwaltschaft hat für Dienstag eine Zwischenbilanz angekündigt.
Nach einem Bericht der "Berliner Zeitung" sollen drei Parlamentarier der FDP und einer der Union betroffen sein. Koalitionskreise bestätigten der Deutschen Presse-Agentur dpa entsprechende Hinweise. Widersprüchliche Informationen gibt es darüber, ob auch zwei SPD-Abgeordnete verdächtigt werden.
Zweite Liechtensteiner Bank im Visier
Die Bochumer Staatsanwaltschaft bestätigte, dass sie neben der bisher genannten LGT-Bank auch über Kundendaten einer zweiten Bank aus dem Fürstentum verfüge. Oberstaatsanwalt Bernd Bienioßek schloss allerdings aus, dass es sich dabei um die Liechtensteinische Landesbank LLB handelt. Allerdings berichtete "Focus", dass - nicht genannte - deutsche Finanzbehörden bereits Daten der LLB erhalten hätten. Ein Bremer Anwalt habe im August 2005 zehn Datensätze übergeben. Dabei handelt es sich offensichtlich um jenen bereits bekannten Fall von Datendiebstahl in Liechtenstein, in den ein in Rostock inhaftierter mutmaßlicher Erpresser verwickelt ist.
Die Staatsanwälte haben laut "Süddeutscher Zeitung" gegen drei Liechtensteiner Treuhänder, unter ihnen der frühere Chef der LGT Treuhand in Vaduz, Strafverfahren wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung eingeleitet. Mehrere hundert vermögende Deutsche sollen über liechtensteinische Stiftungen Steuern hinterzogen haben. Der bisher prominenteste mutmaßliche Steuersünder ist der inzwischen zurückgetretene Post-Chef Klaus Zumwinkel.
Kanzlerin für Strenge "ohne Ansehen der Person"
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich für die strenge Verfolgung von Steuersündern ausgesprochen, die ihr Geld nach Liechtenstein gebracht haben. "Es geht darum, in einem Lande das Steuerrecht einzuhalten. Und dafür gibt es auch keine entschuldigenden Ausnahmen", sagte die Kanzlerin in ihrer wöchentlichen Video-Botschaft. Jetzt komme es darauf an, dass die Staatsanwaltschaften gegen Steuerhinterzieher "ohne Ansehen der Person" ermitteln.
An die Adresse der Wirtschaft sagte Merkel: "Unser Land ist auf Unternehmerinnen und Unternehmer, auf Firmeninhaber, Familienunternehmen und Manager angewiesen, die sich an Recht und Gesetz halten." In Zeiten der Globalisierung müsse die soziale Marktwirtschaft neu ausgestaltet werden. Dabei gehe es auch darum, "welche Verantwortung die einzelnen Teile unserer Gesellschaft für das Gelingen der gesamten Gesellschaft haben".
Mitnahmementalität in Deutschland
Nach Ansicht des Wirtschaftsethikers Bernd Noll führt der Fall Zumwinkel zu einem weiteren Verlust von Vertrauen in die Institutionen. "Unsere grundlegenden Institutionen, Markt und Demokratie, hatten schon in den vergangenen Jahren einen Vertrauensverlust. Der Fall reiht sich ein in eine ganze Menge von Vorfällen: Korruptionsskandale, steigende Managergehälter und dramatische Steuerhinterziehungen", sagte der Pforzheimer Professor in einem dpa-Gespräch.
"Eliten - seien es politische oder ökonomische - haben eine Vorbildfunktion", unterstrich Noll. Wenn sie ein negatives Vorbild abgeben, reduziert sich aus Sicht des Wirtschaftsethikers auch beim Normalbürger die Bereitschaft für notwendige Reformen.
Der Aufruhr ist für ihn aber auch "ein bisschen scheinheilig". "Dass so etwas geschieht, wissen alle. Und Steuerhinterziehung gibt es täglich auch im Kleinen", sagte Noll. Er verwies auf "massenhafte" Schwarzarbeit in der Bauwirtschaft, häufigen Sozialmissbrauch und auch auf die nicht angemeldete Arbeit ausländischer Putzfrauen. "Die Hemmschwelle für illegales Handeln sinkt. Wo man kann, nimmt man mit."
Quelle: ntv.de