Greenwald sieht wirtschaftliche Interessen Obama erwägt Zwei-Klassen-Spionage
29.10.2013, 15:02 Uhr
US-Präsident Obama und Bundeskanzlerin Merkel: Bald Sonderregeln für Verbündete?
(Foto: dpa)
Die diplomatischen Beziehungen der USA zu ihren Partnern leiden unter der NSA-Spähaffäre. Zur Beilegung der Differenzen ist US-Präsident Obama offenbar bereit, den eigenen Geheimdienst strengere Regeln vorzuschreiben. Journalist Greenwald sagt: "Nichts hiervon hat mit Terrorismus zu tun". Ein US-Abgeordneter poltert, die NSA schütze die Deutschen mehr als die Bundeswehr.
Die Empörung internationaler Verbündeter über das Ausmaß der NSA-Ausspähaffäre zwingt US-Präsident Barack Obama womöglich zum Handeln. Informationen der "New York Times" zufolge ist Obama bereit, auf die Bespitzelung verbündeter Staats- und Regierungschefs künftig zu verzichten. Vor allem Deutschland dringt seit Bekanntwerden der Überwachung des Handys von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) auf verlässliche Zusagen der US-amerikanischen Geheimdienste, solche Aktionen künftig zu unterlassen.
Die "New York Times" berichtete unter Berufung auf US-Abgeordnete und Regierungsbeamte, dass Obama die Bespitzelung von Partnern künftig grundsätzlich untersagen will. Dies würde einen grundlegenden Wandel für die Arbeit des US-Geheimdienstes NSA bedeuten. Die Überwachung von Merkels Handy wurde nach anderen Berichten bereits in diesem Sommer gestoppt. Die CDU-Vorsitzende soll bereits seit 2002 vom US-Geheimdienst NSA abgehört worden sein.
Die offizielle Version ist jedoch noch eine andere: Das Weiße Haus hatte zuvor erklärt, zu künftigen Aktivitäten sei noch keine endgültige Entscheidung getroffen worden. Der Geheimdienstausschuss im US-Senat kündigte eine "umfassende Überprüfung" an. Die Ausschussvorsitzende Dianne Feinstein sagte: "Ich glaube nicht, dass die Vereinigten Staaten die Anrufe oder E-Mails von befreundeten Präsidenten und Premierministern sammeln sollten." Die einflussreiche Senatorin gehört wie Obama der Demokratischen Partei an.
"Es geht um Wirtschaftsspionage"
Der US-amerikanische Enthüllungsjournalist Glenn Greenwald widersprach der Behauptung des Weißen Hauses, die Spionage des US-Geheimdienstes NSA diene dem Anti-Terror-Kampf. "Nichts hiervon hat mit Terrorismus zu tun", sagte Greenwald bei CNN. "Ist Angela Merkel ein Terrorist? Sind 60 oder 70 Millionen spanische und französische Bürger Terroristen? Hier geht es eindeutig um politische Macht und Wirtschaftsspionage." Dieser Ansicht vertraten auch verschiedene Experten gegenüber n-tv.de. Deutschland nehme demnach eine globale Schlüsselrolle ein und sei ein Konkurrent der USA.
Der republikanische US-Abgeordnete Peter King verteidigte die Programme der NSA. "Tatsache ist, dass die NSA zum Schutz deutscher Menschenleben mehr unternommen hat als die deutsche Bundeswehr seit dem Zweiten Weltkrieg", sagte King. Die Deutschen sollten daher dankbar sein, das "Affentheater" nicht mitmachen zu müssen.
Merkels Gespräche aufgezeichnet?
Die Bespitzelung der Kanzlerin hat zu einer schweren Belastung der deutsch-amerikanischen Beziehungen geführt. Der amtierende Außenminister Guido Westerwelle (FDP) verlangte von den USA, Zweifel an der Partnerschaft auszuräumen. Der amtierende Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) sagte bei n-tv: "Die Amerikaner wissen inzwischen, dass diese Sache ihren eigenen Interessen sehr schadet." Die Bundesregierung will zur Klärung der Vorwürfe nun eine offizielle Delegation nach Washington schicken.
Brisant ist dabei, dass die Abhöraktionen auch aus der US-Botschaft in Berlin betrieben worden sein sollen. Der "New York Times" zufolge hatten die NSA-Mitarbeiter in Deutschland nicht nur die Erlaubnis, Daten über die von Merkel angerufenen Nummern zu sammeln, sondern auch, ihre Gespräche abzuhören. Wahrscheinlich seien auch Gespräche aufgezeichnet worden. Unklar ist, seit wann Obama Bescheid wusste. Die Botschaft selbst verweigert seit vergangener Woche jeden Kommentar. Am 18. November beschäftigt sich der Bundestag mit den Vorwürfen.
Bericht bis Ende des Jahres
Obama bekräftigte nochmals, die Tätigkeit der Geheimdienste komme auf den Prüfstand. Nach Angaben seiner sicherheitspolitischen Sprecherin Caitlin Hayden hatte Obama bereits im Sommer eine Untersuchung angekündigt, bei der auch der Umgang mit Staatschefs und die Absprachen mit Verbündeten geprüft würden. "Wir haben durch diesen Prozess bereits einige Entscheidungen getroffen und erwarten, weitere zu treffen", sagte sie. Der Bericht des Weißen Hauses soll bis zum Ende des Jahres vorliegen.
Quelle: ntv.de, rpe/dpa