Netanjahu sieht Existenz gefährdet Obama setzt auf Grenzen von 1967
19.05.2011, 20:49 Uhr
Die Agonie im Nahen Osten ist erst einmal vorbei.
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US-Präsident Obama wendet sich in einer Grundsatzrede voller Hoffnung an die Unruheregion Nahost. Obama zollt den Menschen in der arabischen Welt Respekt für den von ihnen angestoßenen Wandel, Ägypten verspricht er einen Milliarden-Schuldenerlass. Israel und die Palästinenser fordert er auf, endlich eine Lösung zu finden. Die Reaktion aus Jerusalem kommt prompt.
US-Präsident Barack Obama hat in einer lang erwarteten Grundsatzrede zu den Umwälzungen in der arabischen Welt die historische Leistung der Protestbewegungen gewürdigt. "Die Ereignisse der vergangenen sechs Monate haben uns gezeigt, dass Strategien der Unterdrückung und des Gräuels nicht länger funktionieren", sagte Obama in Washington. Ausgehend von Tunesien habe sich eine "Geschichte der Selbstbestimmung" entfaltet. "Es gibt Zeiten, in denen die Handlungen einfacher Bürger Bewegungen des Wandels auslösen, weil sie einen Freiheitswillen ansprechen, der sich über Jahre aufgebaut hat", sagte Obama.
Der Präsident verglich den "arabischen Frühling" mit der amerikanischen Revolution. Sie sei überfällig gewesen. Obama prangerte zugleich die "umbarmherzige Tyrannei" einiger Regierungen in der Region an, die ihren Bürger ein Leben in "Würde" verweigern würden. Obama forderte den syrischen Präsidenten Baschar el Assad auf, einen politischen Übergang einzuleiten "oder aus dem Weg zu gehen". Die syrische Regierung müsse die Gewalt gegen die Demonstranten umgehend einstellen. Auch Jemens Präsident Ali Abdullah Saleh rief Obama auf, sich dem Wandel nicht länger in den Weg zu stellen. Von der Regierung in Bahrain forderte Obama die Schaffung von Bedingungen für einen Dialog mit der Opposition. Das verbündete Saudi-Arabien erwähnte Obama in seiner Rede nicht.
Obama: Zaudern bringt keine Lösung
Israel und die Palästinenser rief Obama eindringlich zu mutigen Schritten zur Wiederaufnahme des Friedensprozesses auf. Die Lage sei unbefriedigend und die internationale Gemeinschaft sei des anhaltenden Stillstands müde. Konkret plädierte er für einen raschen Beginn neuer Gespräche, in denen zunächst die zentralen Streitfragen des Grenzverlaufs zwischen Israel und einem Palästinenser-Staat sowie Sicherheitsfragen angegangen werden müssten.
Obama warnte die Palästinenser-Führung zudem vor der angekündigten einseitigen Ausrufung eines eigenen Staates mit Hilfe der Vereinten Nationen. "Symbolische Aktionen bei den Vereinten Nationen, um Israel zu isolieren, werden nicht zu einem Palästinenser-Staat führen", sagte Obama. An die israelische Führung richtete er die Mahnung: "Einen dauerhaften Frieden kann es nicht mit anhaltender Besatzungspolitik geben." Obama sicherte Israel zu, die USA würden sich unbeirrbar für die Sicherheit des jüdischen Staates einsetzen. Obama machte deutlich, dass die USA für eine Zwei-Staaten-Lösung plädieren. Die Verhandlungen sollten nach Auffassung der US-Regierung auf den Grenzen von 1967 basieren, inklusive eines Gebietsaustauschs, auf den sich beide Seiten verständigten.
USA erwartet Entgegenkommen Israels

In Israel wurde mit Spannung erwartet, was Obama zum Konflikt mit den Palästinensern sagen würde.
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Der Verweis auf die Grenzen vor dem Sechstagekrieg 1967 war vor allem ein Signal an die Israelis, dass Obama Konzessionen erwartet, hieß es. Israel hatte im Sechstagekrieg weite Teile des Westjordanlandes und der Golanhöhen besetzt. Der israelische Ministerpräsident Benjamin Netanjahu - der am Freitag im Weißen Haus empfangen wird - lehnt ein solches Zugeständnis strikt ab. In einer Reaktion auf die Rede Obamas sagte Netanjahu in Jerusalem, die Gründung eines Palästinenserstaates dürfe nicht auf Kosten der Existenz Israels erfolgen. Netanjahu erinnerte in diesem Zusammenhang Obama an eine Zusage der US-Regierung aus dem Jahr 2004, wonach von Israel kein Rückzug auf die Grenzen von 1967 erwartet werde. Diese Grenzen seien nicht zu verteidigen.
Der israelische Regierungschef reagierte auch enttäuscht, dass Obama nicht weiter auf das palästinensische Flüchtlingsproblem eingegangen war. Ohne eine Lösung dieses Problems außerhalb der Grenzen Israels könnten territoriale Zugeständnisse den Konflikt nicht beenden, heißt es in der Erklärung Netanjahus. Darüber hinaus sollten die Palästinenser Israel als Heimstätte des jüdischen Volkes anerkennen.
Die Palästinenserführung berief unmittelbar nach der Rede Obamas eine Dringlichkeitssitzung ihrer Führungsgremien ein. Darüber hinaus wolle sich Präsident Mahmud Abbas mit den arabischen Führern konsultieren, sagte der Chefunterhändler Saeb Erekat in Ramallah.
Wirtschaftliche Hilfe

Nach Bin Ladens Tod wächst in den USA die Hoffnung auf ein neues Verhältnis zu den Muslimen.
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Zum Wandel in Nahost und in Nordafrika sagte der Präsident, dieser biete eine "einzigartige Chance". Obama hob das große politische Interesse der USA hervor, den demokratischen Wandel in der gesamten Region zu unterstützen. Die universellen Menschenrechte in den Ländern zu stützen sei nicht nebensächlich, sondern für die USA die Hauptsache. Das gelte insbesondere für Länder, wo politische Umbrüche noch ausstünden.
Eindeutig plädierte Obama für religiöse Toleranz auch in der islamischen Welt. Eine weitere Herausforderung seien die wirtschaftlichen Probleme der Region. Das stärkste Potenzial der Region seien die Menschen. Dies müsste gefördert werden. Ägypten und Tunesien, den beiden Staaten, in denen die Regierung durch Volksaufstände gestürzt wurden, sagte Obama Hilfen zu. Allein für Ägypten kündigte er eine Milliarde Dollar Schuldenerlass an. Obama kündigte zudem weitere Hilfen des Westens an. Auch der G8-Gipfel nächste Woche in Frankreich müsse Initiativen auf den Weg bringen.
Obama sprach vor US-Diplomaten im Außenministerium in Washington. Zu Beginn seiner Rede hatte er die Arbeit von Außenministerin Hillary Clinton ausführlich gelobt. Sie sei unglaublich viel gereist und werde als einer der besten Außenminister in Erinnerung bleiben.
Quelle: ntv.de, sba/dpa/rts/AFP