Guantnamo-Stopp Obama startet durch
21.01.2009, 18:55 UhrDer frisch vereidigte Präsident hat an seinem ersten Arbeitstag die drei wichtigsten Aufgaben zu Beginn seiner Amtszeit angepackt und einen regelrechten Blitzstart hingelegt. Barack Obama verfügte, sämtliche Terrorismus-Verfahren im Gefangenenlager von Guantnamo auf Kuba sofort auszusetzen. Damit steht das Terroristen-Lager, Symbol für die Missachtung der Menschenrechte unter George W. Bush, vor dem Aus. Dem Sender CNN zufolge wurde im Weißen Haus eine Verordnung zur Schließung von Guantnamo innerhalb eines Jahres vorbereitet. Obama nahm zudem den Kampf gegen die Wirtschaftskrise, den Rückzug aus dem Irak und die Vermittlung im Nahost-Konflikt in Angriff.
In der Nacht hatten Obama und seine Frau Michelle nach der feierlichen Vereidigung am Dienstag bis in die Morgenstunden einen wahren Feiermarathon in der Hauptstadt Washington absolviert und zehn Bälle besucht. "Heute feiern wir, morgen fängt die Arbeit an", sagte der frischgebackene Präsident. Erste offizielle Amtshandlung Obamas war, letzte noch nicht rechtskräftige Verfügungen seines Vorgängers zu blockieren oder zu überprüfen. Zu den letzten von Bush verfügten Neuregelungen gehörte die Erlaubnis zum verdeckten Tragen von Waffen in verschiedenen Nationalparks.
Am Tag eins seiner Präsidentschaft ordnete der 47-Jährige dann an, dass die anhängigen Verfahren gegen Terrorverdächtige bei den Militär- Sondergerichten in Guantnamo für 120 Tage ausgesetzt werden. In der Zwischenzeit soll geprüft werden, ob das umstrittene System der Sondergerichte vollständig abgeschafft wird. Die Schließung des Lagers war eins der Wahlkampfversprechen des ersten schwarzen Präsidenten der Vereinigten Staaten.
9/11-Verfahren liegt auf Eis
Kurz nach dem präsidialen Erlass verfügte ein Militärrichter den ersten vorläufigen Stopp des Verfahrens gegen den als "Kindersoldaten" bekannten Kanadier Omar Khadr. Er sollte sich von kommender Woche an vor einem Sondergericht wegen Tötung eines US-Soldaten 2002 in Afghanistan verantworten. Damals war Khadr 15 Jahre alt.
Binnen 120 Tagen soll das Prozess-System gegen mutmaßliche Terroristen in Guantnamo generell und in Einzelfällen geprüft werden. Von den Entscheidungen der Richter über den Antrag Obamas könnte auch ein noch anhängiges Verfahren gegen fünf mutmaßliche Hintermänner der Terror-Anschläge vom 11. September betroffen sein, allen voran gegen den als Hauptdrahtzieher verdächtigten Chalid Scheich Mohammed.
Scheich Mohammed widersetzte sich zwar dem Plan und forderte bei einer Anhörung, dass sein Verfahren wie geplant fortgesetzt werde. Seine drei Mitangeklagten Ali Abd al-Aziz, Wallid bin Attash und Mustafa Ahmed al-Hawsawi schlossen sich der Forderung an. Als einziger unter den fünf Angeklagten des Verfahrens stimmte Ramzi Binalshibh, der mutmaßliche Cheflogistiker der Hamburger Terrorzelle, einer Aussetzung zu. Doch wurde das Verfahren gegen alle fünf mutmaßlichen Drahtzieher für 120 Tage ausgesetzt, wie ein Sprecher des Militärtribunals mitteilte.
Nach acht Jahren unter dem republikanischen Präsidenten Bush verbinden viele Menschen auf der Welt mit den USA Folter, Krieg und Missachtung der Menschenrechte. Das Lager Guantnamo, wo mutmaßliche Terror-Kämpfer gefangen gehalten werden, war zum Symbol dieser Politik geworden.
Gates bereitet Schließung vor
Verteidigungsminister Robert Gates, der bereits unter Bush Pentagonchef war und unter Obama im Amt bleibt, hatte vor Wochen mit der Prüfung der dazu nötigen Schritte begonnen. Zurzeit befinden sich noch rund 245 Häftlinge in Guantnamo, darunter 20, die inzwischen als Kriegsverbrecher vor sogenannten Militärkommissionen angeklagt sind. Sie könnten nach einer Schließung Guantnamos vor ordentlichen Gerichten zur Rechenschaft gezogen werden. Unter Gates' Führung suchen die USA Länder für die Aufnahme von etwa 50 offensichtlich unschuldigen Gefangenen, denen bei einer Rückkehr in die Heimat Folter drohen würde.
Obama hatte am Dienstag in seiner Antrittsrede die Herausforderungen der USA als ernsthaft und zahlreich bezeichnet. "Sie werden nicht leicht oder kurzfristig zu meistern sein. Aber wisse, Amerika: Wir werden sie meistern." Der 44. Präsident der USA gab seinem Volk das Versprechen eines Neuanfangs für Amerika und sagte, er übernehme sein Amt mit der Forderung nach einer "neuen Ära" von Verantwortung und Frieden.
Brief von Bush
An seinem ersten vollen Arbeitstag im Weißen Haus hat der frischgebackene US-Präsident auf seinem Schreibtisch im Oval Office einen Brief seines Vorgängers vorgefunden. Auf dem Umschlag habe gestanden "An Nr. 44, von Nr. 43", teilte der neue Regierungssprecher Gibbs mit. Obama ist der 44. US-Präsident, Bush der 43. Über den Inhalt des Schreibens wurde allerdings nichts bekannt. Bush war am Dienstag unmittelbar nach der Vereidigung Obamas mit seiner Frau nach Texas gereist.
Der Präsident begann seinen Arbeitstag den Angaben zufolge um 8.35 Uhr. Er habe zehn Minuten allein im Oval Office verbracht. Danach habe Obama mit seinem Stabschef Rahm Emanuel den Terminplan des Tages besprochen. Um 9.10 Uhr habe dann Michelle Obama ihren Mann an seinem neuen Arbeitsplatz besucht.
Einsatz für Frieden in Nahost
Nach Angaben von Gibbs telefonierte Obama mit Palästinenserpräsident Mahmud Abbas, Israels Regierungschef Ehud Olmert, dem ägyptischen Präsidenten Husni Mubarak sowie Jordaniens König Abdullah II., um sich von Beginn an für Frieden im Nahen Osten einzusetzen. Im Gespräch mit Abbas habe Obama seinen Einsatz für einen "dauerhaften Frieden" in Nahost angekündigt, sagte ein Palästinenser-Sprecher. Er habe versichert, zusammen mit dem Palästinenserpräsidenten an einem Frieden für die Region arbeiten zu wollen. Zudem habe Obama zugesagt, alle möglichen Anstrengungen zu unternehmen, um schnellstmöglich auf Basis internationaler Resolutionen zu einer Lösung zu kommen.
Obama wollte außerdem noch am ersten Tag seiner Präsidentschaft seine Wirtschaftsberater treffen, um die Arbeiten an dem Milliarden-Konjunkturprogramm voranzutreiben. Außerdem plante er Gespräche mit Sicherheits- und Militärberatern über den von ihm versprochenen Truppenabzug aus dem Irak. "Er wird um die Ausarbeitung von Plänen zum Rückzug der Kampftruppen innerhalb von 16 Monaten bitten", kündigte Obamas Sprecher Robert Gibbs an.
Nach Angaben von Mitarbeitern möchte Obama den früheren Senator George Mitchell zum Nahost-Sonderbeauftragten ernennen. Er hatte sich in der Vergangenheit als Vermittler im Nordirland-Konflikt einen Namen gemacht. "Es wird ein voller Tag", sagte Obamas Spitzenberater David Axelrod dem Sender CNN.
Quelle: ntv.de