Politik

"Am Grabe nur Gutes" Oettinger bedauert

Nach tagelanger massiver öffentlicher Kritik wegen der Trauerrede für seinen Amtsvorgänger Hans Filbinger hat Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) "Missverständnisse" bedauert. Zugleich wies er Vorwürfe zurück, er habe mit der Würdigung für den ehemaligen Landeschef die Nazi-Diktatur relativieren wollen. "Ein solcher Eindruck war von mir in keiner Weise gewollt. Soweit Missverständnisse in dieser Hinsicht entstanden sind, bedauere ich dies ausdrücklich", betonte der Regierungschef in einer Erklärung, die der dpa vorlag. SPD-Generalsekretär Hubertus Heil nannte die Erklärung unzureichend, sein CDU-Kollege Ronald Pofalla begrüßte sie dagegen.

Oettinger hatte Filbinger bei der Trauerfeier am Mittwoch in Freiburg bescheinigt, er sei "kein Nationalsozialist" gewesen, sondern "ein Gegner des NS-Regimes". Daraufhin erhob sich ein Sturm der Entrüstung. Die CDU-Vorsitzende, Kanzlerin Angela Merkel, tadelte den Stuttgarter Ministerpräsidenten öffentlich.

"Es wird nur noch schlimmer"

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil reichte Oettingers Erklärung nicht aus. In der "Bild am Sonntag" forderte er: "Der Respekt vor den Opfern der Nazis verlangt, dass er seine Äußerung, Herr Filbinger sei ein NS-Gegner gewesen, zurücknimmt." Nach Ansicht von Baden-Württembergs SPD-Chefin Ute Vogt macht Oettinger mit der Erklärung die Sache nur noch schlimmer. "Mit diesem Rechtfertigungsschreiben versucht Herr Oettinger, die verheerende Wirkung seiner Rede für sein Ansehen jenseits der Landesgrenzen etwas einzudämmen, ohne den stramm Rechtskonservativen in der Union wehzutun", sagte Vogt.

"Eine wachsweiche Erklärung"

Grünen-Landtagsfraktionschef Winfried Kretschmann sagte im SWR: "Es handelt sich um eine wachsweiche Erklärung, mit der sich keiner zufrieden geben kann." FDP-Landeschefin Birgit Homburger, betonte: "Es ist gut, dass Ministerpräsident Günther Oettinger dem Rat gefolgt ist, sich zu erklären". Angesichts der Zerstrittenheit der CDU sei es aber offenbar nicht möglich, eine deutlichere Klarstellung zur Rolle Filbingers in der NS-Zeit abzugeben. Oettinger müsse das CDU-Verhältnis zum Nationalsozialismus klären, verlangte sie.

Dagegen bewertete CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla den offenen Brief positiv. "Es ist gut und richtig, dass Günther Oettinger diese Erklärung abgegeben hat", sagte er der "Bild am Sonntag".

"Peinlich bis dreist"

Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Thierse (SPD) sowie der Zentralrat der Juden hatten zuvor von Oettinger eine Entschuldigung bei den Opfern des Nationalsozialismus und den Hinterbliebenen der Soldaten verlangt. Thierse nannte Oettingers Äußerungen "peinlich bis dreist". FDP-Chef Guido Westerwelle forderte die Union zur klaren Distanzierung von jedem Versuch auf, die NS-Vergangenheit Filbingers zu beschönigen. "Ich hoffe, dass die Union in dieser Frage bei sich selbst schnell Klarheit schafft", sagte er der dpa. Das durch seine Suche nach untergetauchten Nazi-Verbrechern international bekannte Simon-Wiesenthal-Zentrum hatte Oettingers Rücktritt gefordert.

Am Grab nur Gutes

In dem als "Offenen Brief" an die Kritiker seiner Trauerrede bezeichneten Erklärung versicherte Oettinger nun: "Ihre Reaktion auf meine Trauerrede für Hans Filbinger bewegt mich, und ich nehme Ihre Kritik sehr ernst." Allerdings sei die Rede "in erster Linie an die Familie des Verstorbenen und an die Trauergemeinde, darunter eine große Zahl von langjährigen Freunden und Weggefährten", gerichtet gewesen. Bei derartigen Anlässen gehöre es zu den Gepflogenheiten, "Verdienste und das Lebenswerk des Verstorbenen positiv zu würdigen und ihm die schwierigen Phasen seines Lebens – ohne sie zu verschweigen – nicht nachzutragen."

Oettinger hob hervor, für die Landesregierung, für die CDU Baden-Württemberg und ihn selbst sei es selbstverständlich, "dass wir uns zu unserer historischen Verantwortung bekennen". Der CDU-Politiker fügte hinzu: "In unserem Land werden die Opfer des Dritten Reiches, der Widerstand gegen den Nationalsozialismus und die generelle Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus nicht vergessen."

Am Tag nach der Rede hatte Oettinger sich zunächst unbeeindruckt von der Protestwelle gezeigt und in einem Radiointerview lediglich erklärt: "Meine Rede war öffentlich, ernst gemeint und die bleibt so stehen."

Eine "Meisterprüfung"

In der baden-württembergischen CDU gingen die Reaktionen auf die Trauerrede weit auseinander. Baden-Württembergs CDU-Landesgruppenchef im Bundestag, Georg Brunnhuber, lobte Oettingers Worte sogar als "Meisterprüfung". Er wies die Kritik Merkels im Namen der CDU-Abgeordneten aus dem Südwesten verärgert zurück. Innenminister Heribert Rech (CDU) und der Generalsekretär der Südwest-CDU, Thomas Strobl, nahmen Oettinger ebenfalls in Schutz.

Quelle: ntv.de

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