Syrer legen Vier-Punkte-Plan vor Opposition berät Assads Sturz
16.07.2011, 17:55 Uhr
"Danke Al-Dschassira und Shaam News Network": Demonstranten in Hama bedanken sich für die Berichte der TV-Sender.
(Foto: AP)
In Istanbul treffen sich syrische Oppositionelle, um über Möglichkeiten des Regimes von Präsident Assad zu beraten und eine Strategie für die Zeit danach zu entwickeln. Im Ziel des Sturzes sind sie vereint, sonst aber sehr zerstritten. Und Assad geht weiter mit aller Gewalt gegen Proteste in Syrien vor.
Die syrische Opposition ist in Istanbul zu ihrer bislang größten Konferenz zusammengekommen, um über eine Strategie zum Sturz des Regimes zu beraten. Heftigen Streit gibt es dabei um die Frage, ob man eine Übergangsregierung bilden solle. Das Treffen in der Türkei, bei dem auch Pläne für die Zeit nach einem möglichen Sturz von Präsident Baschar al-Assad geschmiedet wurden, wurde allerdings von neuen Schreckensmeldungen aus Damaskus überschattet.
Die Organisatoren der Konferenz in Istanbul, bei der es keine türkischen Regierungsvertreter oder westliche Diplomaten als Beobachter gab, legten einen Vier-Punkte-Plan vor: Die Aktionen gegen das Regime sollen fortgesetzt und verstärkt werden, mit dem Ziel es zu stürzen. Die Macht soll an eine nationale Übergangsregierung übertragen und der Polizeistaat aufgelöst werden. Dann soll ein ziviler demokratischer Staat geschaffen werden, der die Rechte der Jugend und der Frauen respektiert. Alle Syrer - ob Kurden, Araber, Muslime oder Christen - sollen die gleiche Rechte haben.
"Chance nicht verspielen"
Die Oppositionellen versprachen, ihre ideologischen Differenzen so lange zu vergessen, bis das Regime von Assad gestürzt sei. Der Menschenrechtsanwalt Haitham al-Maleh, der die Konferenz leitet, appellierte an seine Landsleute, "die Chance, die sich uns jetzt bietet, nicht zu verspielen, indem wir uns über nebensächliche Themen streiten". Die Opposition ist in ein liberales und ein islamistisches Lager gespalten. Es gibt auch Streit darüber, ob ein Schattenkabinett gebildet werden soll.
Ursprünglich hätte parallel zu der Konferenz am Stadtrand von Istanbul auch eine Konferenz in Damaskus stattfinden sollen. Nach Angaben von Menschenrechtlern wurde diese jedoch durch ein Massaker am Tagungsort verhindert. "Am Freitag um 15.00 Uhr kam eine Patrouille der Sicherheitskräfte und erschoss im Al-Kabun-Viertel acht Menschen, sieben weitere starben später an den Folgen ihrer Schussverletzungen", sagte der ehemalige politische Häftling Walid al-Bunni telefonisch aus Damaskus. Dutzende von Anwohnern und Wächtern seien verletzt worden. Das Treffen wurde daraufhin abgesagt. In Al-Kabun gingen aber Tausende auf die Straße, um gegen das Regime zu demonstrieren.
Vor allem über die Frage der Übergangsregierung wird noch heftig gestritten. Die im Untergrund lebende Regimegegnerin Suhair al-Attasi und ein Teil der syrischen Jugendbewegung hatten erklärt, es sei noch zu früh für Konferenzen und für die Wahl einer Vertretung, die im Namen der Aufständischen spricht.
Neue Gewalt gegen Opposition
Die Konferenzteilnehmer, die zum Teil aus den USA und aus Europa angereist sind, erklärten am Rande der Konferenz, es sei bedauerlich, dass der Iran und Saudi-Arabien das syrische Regime unterstützen. Der Iran habe Syrien erst kürzlich einen Kredit in Höhe von 1,5 Milliarden US-Dollar gewährt, nachdem die Proteste die staatlichen Einnahmen hatten einbrechen lassen. Saudi-Arabien habe zwar keine gute Beziehungen zu Assad, fürchte aber nach den Revolutionen in Ägypten, Tunesien, Libyen und im Jemen weitere Umbrüche in der Region.
Bei den jüngsten Massendemonstrationen in Syrien wurden nach Angaben von Menschenrechtlern mindestens 41 Menschen getötet. Sicherheitskräfte hatten nach den Freitagsgebeten Oppositionsangaben zufolge in mehreren Städten des Landes auf Demonstranten geschossen. Am Freitag war zunächst von 27 Toten die Rede gewesen. Die Regimegegner schätzen die Gesamtzahl der Toten seit Beginn der Proteste auf mindestens 2000. Mehr als 15.000 Menschen seien seit März festgenommen worden und weitere 15.000 aus dem Land geflohen.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP