Politik

"Kuhhandel mit der Atomwirtschaft" Opposition verschärft Drohungen

Ende September will Schwarz-Gelb entscheiden, wie lange die Atommeiler in Deutschland in Betrieb bleiben. Die Opposition will die Verlängerung der Laufzeiten mit allen Mitteln verhindern. Der Vorwurf: Die Koalition wolle nur mehr Steuern einstreichen. In Karlsruhe hätten SPD und Grüne gute Karten, meint Ex-Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier.

Biblis A, rechts, ist seit 1974 am Netz.

Biblis A, rechts, ist seit 1974 am Netz.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Opposition ist fest entschlossen, die Pläne der Regierung für längere Laufzeiten von Atommeilern notfalls vor dem Bundesverfassungsgericht zu Fall zu bringen. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel, der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) und Grünen-Fraktionschefin Renate Künast warnten massiv davor, in dieser Frage den - demnächst von der Opposition dominierten - Bundesrat zu umgehen.

Gabriel sagte der "Bild am Sonntag", selbst CDU-Umweltminister Norbert Röttgen und CDU-Ministerpräsidenten warnten vor einem "Verfassungsbruch" durch Kanzlerin Angela Merkel und Vizekanzler Guido Westerwelle (FDP), "die den Bundesrat aushebeln wollen". Er fügte hinzu: ""Wir würden deshalb dagegen klagen und dem Gericht die eigenen Gutachten der Bundesregierung als Begründung vorlegen." Künast sagte der "Wirtschaftswoche": "Wer versucht, die Länder in dieser Frage auszutricksen, wird uns in Karlsruhe treffen."

Sigmar Gabriel: "Ein unverantwortlicher Deal"

Sigmar Gabriel: "Ein unverantwortlicher Deal"

(Foto: APN)

Der SPD-Chef betonte, man werde nicht zulassen, dass die Regierung einen "Kuhhandel mit der Atomwirtschaft" betreibe. Gabriel: "Alte und störfallanfällige Atommeiler wie Biblis A weiterlaufen zu lassen, nur um im Gegenzug von der Atomwirtschaft Geld durch eine Brennelemente-Steuer zu bekommen, ist ein unverantwortlicher Deal. Das werden wir stoppen." Ministerpräsident Beck wandte sich in der "Rheinpfalz am Sonntag" ebenfalls gegen ein solches "Handelsgeschäft". Zuvor hatte schon Baden-Württembergs Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) davor gewarnt, mit Einnahmen aus der geplanten Brennelementesteuer Haushaltslöcher zu stopfen. Im Saarland ist ein weiterer CDU-Politiker von den Plänen in Berlin nicht begeistert: Ministerpräsident Peter Müller sieht eine mögliche Umgehung des Bundesrates als "rechtlich fragwürdig".

Zweifel an Koalitionsplänen

Unions-Fraktionschef Volker Kauder (CDU) bleibt indes bei seiner Ansicht, dass der Bundesrat der Laufzeitverlängerung nicht zustimmen muss. "Das ist meine feste Überzeugung", sagte er den Dortmunder "Ruhr Nachrichten". Bundesumweltminister Röttgen betonte, die Atom-Restlaufzeit sollten so kurz wie möglich sein. "Meine Begeisterung gilt der Möglichkeit, auf eine bessere, sicherere Technologie umzusteigen, nämlich die erneuerbaren Energien. Dafür brauchen wir die Kernkraft als Brücke - aber eben nur so lange wir sie benötigen, nicht so lange wie es technisch möglich wäre."

Norbert Röttgen, links: Spielverderber im Kabinett?

Norbert Röttgen, links: Spielverderber im Kabinett?

(Foto: dpa)

Schwarz-Gelb kann die Laufzeiten nach einem Gutachten von Ex- Verfassungsgerichtspräsident Hans-Jürgen Papier für Umweltminister Norbert Röttgen nicht ohne Länder-Zustimmung verlängern - darauf hatte im Juni die Deutsche Umwelthilfe hingewiesen. "Ohne eigene Mehrheit im Bundesrat kann es längere Laufzeiten von Atomkraftwerken nicht geben." Die Bundesländer haben bisher die Atomaufsicht über die Atomkraftwerke in ihrem Gebiet. Die Mehrheit von CDU, CSU und FDP in der Länderkammer wird wohl kommende Woche verloren gehen - dann findet in Nordrhein-Westfalen aller Voraussicht nach ein Regierungswechsel zu Rot-Grün statt.

Widerstand aus eigenen Reihen

Auch das schwarz-gelb regierte Schleswig-Holstein fährt der Bundesregierung bei ihren Laufzeit-Plänen in die Parade. Das Land hat die Teilnahme an einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe aufgekündigt, in der beraten wird, wie die Reaktoren bei längeren Laufzeiten nachgerüstet werden sollen. Das Ziel, übergeordnete Anforderungen zu definieren, sei "nicht erreicht worden", heißt es in einem Brief aus Kiel.

Dort argwöhnt man, offenbar genüge es dem Bundesumweltministerium, ältere Reaktoren auf den Stand der jüngeren Anlagen zu bringen. Dagegen hält die Kieler Atomaufsicht umfangreiche Nachrüstungen an alten Anlagen wie etwa Brokdorf für notwendig. Auch Unions- Umweltexperten sprechen sich bei längeren Laufzeiten für eine Einzelfallprüfung aus, statt pauschal für alle Kernmkraftwerke länngere Laufzeiten zu gewähren.

Die Bundesregierung will nach Angaben Röttgens im Spätsommer eine Entscheidung über die Zukunft der Atomkraft in Deutschland treffen. "Am 28. September werden die Eckpunkte des energiepolitischen Konzepts beschlossen - im Bundeskabinett, unter Führung der Bundeskanzlerin", sagte der Minister. "Damit wird auch entschieden, für wie viele Jahre wir noch die Kernkraft brauchen werden."

Quelle: ntv.de, Werner Herpell, dpa

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