Politik

Grube "wechselt das Gleis" Palmer lobt Bahn-Schwenk

Ein Abrissbagger beginnt am 25. August 2010 am Nordflügel des Hauptbahnhofs mit den Abrissarbeiten.

Ein Abrissbagger beginnt am 25. August 2010 am Nordflügel des Hauptbahnhofs mit den Abrissarbeiten.

(Foto: dpa)

Stuttgart-21-Kritiker Palmer begrüßt die Ankündigung von Bahn-Chef Grube, den Südflügel des Hauptbahnhofs noch ein bisschen stehen zu lassen. "Das volkseigene Unternehmen Bahn kann doch nicht abreißen, was ein Volksentscheid erhalten soll", sagt der Grünen-Politiker.

Boris Palmer vertritt die Grünen bei der S21-Schlichtung.

Boris Palmer vertritt die Grünen bei der S21-Schlichtung.

(Foto: picture alliance / dpa)

Die Ankündigung von Bahn-Chef Rüdiger Grube, den Südflügel des Stuttgarter Hauptbahnhofs noch ein paar Monate stehen zu lassen, ist von Stuttgart-21-Gegnern begrüßt worden. Er habe ohnehin nicht verstanden, wozu die Drohung mit dem sofortigen Abriss des Südflügels gut gewesen sein sollte, sagte Tübingens Oberbürgermeister Boris Palmer n-tv.de.

"Das volkseigene Unternehmen Bahn kann doch nicht abreißen, was ein Volksentscheid erhalten soll", so der Grünen-Politiker weiter. "Das hätte nur Wut und Ohnmacht provoziert." Es sei "gut, dass Grube wieder auf das richtige Gleis wechseln will".

"Nicht unnötig provozieren"

Grube hatte der "Süddeutschen Zeitung" gesagt, grundsätzlich sei es denkbar, mit dem Abriss des Südflügels bis nach der Volksabstimmung im Herbst zu warten. "Wir wollen ja niemanden unnötig provozieren und schon gar nicht eskalieren", so Grube. Noch vor kurzem hatte Projektsprecher Wolfgang Dietrich die Forderung nach einer Verschiebung des Abrisstermins zurückgewiesen.

Rüdiger Grube hat bisher wenig Kompromissbereitschaft erkennen lassen.

Rüdiger Grube hat bisher wenig Kompromissbereitschaft erkennen lassen.

(Foto: dapd)

"Bedingung ist, dass uns finanziell und rechtlich keine Nachteile entstehen und dass das Projekt nicht weiter verzögert wird", sagte Grube. Das müsse Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) ihm verbindlich zusichern.

Aus dem Verkehrsministerium des Stuttgart-21-Gegners Winfried Hermann (Grüne) heißt es derweil, der Südflügel müsse ohnehin noch nicht abgerissen werden. Daher sei Grubes Entgegenkommen kein besonderes Geschenk - und Bedingungen dafür will das Land nicht akzeptieren.

Streit um Kombi-Bahnhof geht weiter

Erstmals äußerte sich Grube auch persönlich zu dem von Schlichter Heiner Geißler Ende Juli ins Gespräch gebrachten Kombi-Bahnhof. Die Idee sei Anfang der 90er Jahre "ausführlich diskutiert und damals aus guten Gründen nicht weiter verfolgt worden", sagte Grube. "Aus unserer heutigen Sicht ist Stuttgart 21 dem Kombi-Bahnhof überlegen - und zwar sowohl städtebaulich, wirtschaftlich, ökologisch als auch verkehrlich."

Palmer sieht das anders "Geißlers Kompromiss erlaubt mindestens ein Drittel mehr Züge und viel bessere Anschlüsse und Pünktlichkeit. Außerdem werden die Eingriffe in Stuttgart drastisch reduziert", sagte er n-tv.de. "Es wäre eine gute Lösung und deshalb bekämpft die Bahn sie so wie den Erhalt des Kopfbahnhofs mit falschen Argumenten. Diesmal sagt das aber der Schweizer Gutachter und Geißler selbst. Das sollte nachdenklich stimmen."

Gutachter veröffentlichen "Faktencheck"

Die Gutachter der Verkehrsberatungsfirma sma veröffentlichten unterdessen einen "Faktencheck", in dem sie ihre Argumente für den kombinierten Tief- und Kopfbahnhof zusammenfassen. Die Ablehnung der Kombilösung durch die Stadt Stuttgart, den Verband Region Stuttgart und die Bahn beruhe "auf einer Reihe von Behauptungen" und enthalte Falschaussagen, heißt es in der Stellungnahme der sma.

Unter anderem weist die Zürcher Firma die Aussage zurück, auch bei der Kombilösung müsse der Südflügel des denkmalgeschützen Bahnhofs weichen. "Das ist vermutlich nicht der Fall", heißt es in dem Papier. Grund: Der Tiefbahnhof werde mit vier Gleisen nur halb so breit wie beim Stuttgart-21-Konzept geplant. Die sma weist auch das Argument zurück, die Kombilösung ziehe wegen neuer Raumordnungs- und Planfeststellungsverfahren eine Verzögerung von zehn Jahren nach sich. Dies sei eine nicht bewiesene Behauptung.

Bei den möglichen Kosten für die Kombilösung distanziert sich die Beratungsfirma von den Berechnungen der Bahn, die auf 5,2 Milliarden Euro kommt. So seien etwa die Sanierungskosten für den bestehenden Bahnhof mit 1,3 Milliarden Euro zu hoch angesetzt, kritisierte die sma. Geißler beziffert die Kosten des Kompromissvorschlags auf bis zu 3 Milliarden Euro - also deutlich geringer als die 4,1 Milliarden Euro für Stuttgart 21. Zudem zweifeln die Schweizer die von der Bahn genannten Schadenersatzansprüche von 1,5 Milliarden Euro im Fall eines Scheiterns des Vorhabens an.

Termin für Volksentscheid am 27. November

Die Volksabstimmung zu Stuttgart 21 findet voraussichtlich am 27. November statt. Landeswahlleiterin Christiane Friedrich forderte die Kommunen jetzt auf, diesen Termin zu prüfen, sagte ein Sprecher.

Diese sogenannte Anhörung gehört zum Ablauf eines Volksentscheids, damit die Kommunen rechtzeitig die Abstimmung organisieren können. In dem Verfahren können auch andere Termine vorgeschlagen werden - dies sei aber noch nie der Fall gewesen.

Ob es zu einem Volksentscheid kommt, hängt vom Parlament ab. In einer Sondersitzung am 16. September wollen die Landtagsabgeordneten über das Ausstiegsgesetz zu Stuttgart 21 beraten und am 28. September darüber abschließend entscheiden. Die Abgeordneten der Grünen und der SPD wollen gegen den Entwurf ihrer Regierung stimmen. Auf diese Weise kommt es zu einem Konflikt zwischen Regierung und Parlament, der eine Volksabstimmung ermöglicht.

Allerdings könnte eine juristische Prüfung das Verfahren noch erheblich in die Länge ziehen. Die FDP liebäugelt mit einer Klage. Ihrer Meinung nach darf das Volk nicht über Projekte abstimmen, die direkt den Haushalt betreffen. Dies ist bei Stuttgart 21 der Fall, da das Land nach bisherigen Planungen 824 Millionen Euro zu dem Milliarden-Projekt beisteuern soll.

Quelle: ntv.de, hvo/AFP/dpa

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