Politik

Immer mehr Opfer in Libyen Panzer greifen Zivilisten an

Ein Libyer betrachtet die Trümmer nach einer Explosion in Bengasi.

Ein Libyer betrachtet die Trümmer nach einer Explosion in Bengasi.

(Foto: AP)

Zwei Wochen nach Beginn der Unruhen herrscht in Libyen weiter Chaos. Immer wieder ändern sich die Frontverläufe, viele Menschen sterben. Gaddafis Anhänger sollen Wohngebiete mit Panzern beschießen. US- und NATO-Truppen ziehen indes starke Einheiten auf Kreta zusammen. Kampfjets brauchen von hier etwa 20 Minuten nach Libyen.

Ein Aufständischer in Ras Lanuf.

Ein Aufständischer in Ras Lanuf.

(Foto: dpa)

In Libyen liefern sich Truppen von und Aufständische weiter schwere Kämpfe. Gegner des libyschen Machthabers Muammar Gaddafi nahmen nach eigener Darstellung im Osten des Landes weitere Gebiete ein. So sei die Stadt Bin Dschawad unter ihrer Kontrolle, teilten die Rebellen mit. Auch der wichtige Ölhafen Ras Lanuf wurde von ihnen beherrscht. Die Front verlief westlich der Stadt.

Aus der etwa 50 Kilometer von Tripolis entfernt liegenden Küstenstadt Sawija gab es Berichte über schwere Kämpfe. Ein Sprecher der Aufständischen sagte, man habe einen Panzerangriff von regierungstreuen Soldaten zurückgeschlagen. Gaddafis Anhänger sammelten sich demnach am Rande der Stadt. Nun haben Gaddafi-Truppen die Stadt umstellt, meldet die Nachrichtenagentur Reuters. Auch zwei Wochen nach Beginn der Unruhen sind die Frontverläufe in Libyen unklar und ändern sich immer wieder.

Eine Militäranlage in Bengasi brennt nach einer Explosion.

Eine Militäranlage in Bengasi brennt nach einer Explosion.

(Foto: AP)

Rebellen beschuldigten Gaddafis Anhänger, in Sawija schwere Waffen eingesetzt und Zivilisten angegriffen zu haben. Viele Menschen seien in umliegende Dörfer geflüchtet, sagte ein Sprecher. Auch arabische Fernsehsender berichteten, dass Wohngebiete mit Panzern beschossen worden seien. Die Zahl der Todesopfer ist unklar. In Sawija kamen mindestens 30 Menschen ums Leben, sagte ein Arzt. Demnach sind die meisten Opfer Zivilisten. In Radschma nahe der zweitgrößten libyschen Stadt Benghasi sollen Gaddafi-Truppen ein Waffendepot bombardiert haben. Zudem gab es Tote bei Kämpfen um die Stadt Ras Lanuf.

Inzwischen wenden sich immer mehr Funktionäre vom Gaddafi-Regime ab. Wie aus gut informierten Kreisen in Tripolis verlautete, haben sich die Sicherheitschefs der Städte Misrata, Sebha, Adschdabija, Bengasi und Tripolis auf die Seite der Aufständischen geschlagen. Auch mehrere hochrangige Offiziere des Militärgeheimdienstes, der Luftwaffe und diverser Polizei-Spezialeinheiten hätten Gaddafi den Rücken gekehrt.

US-Einheiten auf Kreta zusammengezogen

Die Zahl der Opfer steig und steigt.

Die Zahl der Opfer steig und steigt.

(Foto: AP)

Die USA und andere NATO-Staaten ziehen indes starke Einheiten auf dem großen Stützpunkt von Souda im Westen der Mittelmeerinsel Kreta zusammen. Wie griechische Medien berichten, sind bereits zwei große amerikanische Schiffe in der Bucht von Souda eingelaufen, darunter der Hubschrauberträger "USS Kearsarge". An Bord seien rund 1200 Besatzungsmitglieder, darunter fast 800 Marineinfanteristen. Das Schiff eignet sich sowohl für Landungsunternehmen wie auch für Evakuierungsaktionen.

Auch das amphibische Landungsschiff "USS Ponce" wurde gesichtet. Weitere Schiffe der 6. amerikanischen Flotte, die im Mittelmeer operiert, würden erwartet, berichtete die griechische Presse. Die Bucht und der Flughafen von Souda sind Teile eines der größten Marine- und Luftwaffenstützpunkte der NATO und der USA sowie der griechischen Streitkräfte im Mittelmeer. Schiffe können von dort binnen neun Stunden die libysche Küste erreichen, Kampfjets brauchen etwa 20 Minuten. Die griechische Regierung hat in den vergangenen Tagen wiederholt erklärt, der Stützpunkt von Souda könne nur nach einem Beschluss des UN-Sicherheitsrates für militärische Zwecke benutzt werden.

Zehntausende versuchen das Land zu verlassen.

Zehntausende versuchen das Land zu verlassen.

(Foto: dpa)

 

In Tunesien beteiligte sich unterdessen die Bundeswehr an einer Evakuierungsaktion des UN-Flüchtlingswerkes UNHCR für Ägypter, die aus Libyen in das Nachbarland geflüchtet waren. Nach Angaben des Verteidigungsministeriums halfen insgesamt 600 deutsche Soldaten auf den Fregatten "Brandenburg" und "Rheinland-Pfalz" sowie auf dem Einsatzgruppenversorger "Berlin" dabei, von der tunesischen Stadt Gabes aus Hunderte Ägypter in den kommenden Tagen in ihr Heimatland zurückzubringen. Auch in Großbritannien halten sich nach offiziellen Angaben Einheiten bereit, um sich bei Bedarf an Hilfs- oder Evakuierungsaktionen zu beteiligen.

Allein zwischen dem 21. Februar und dem 3. März haben nach jüngsten Informationen der EU-Kommission knapp 97.000 Menschen die libysch-tunesische Grenze überquert. Rund 47.000 davon waren Ägypter. Die Zahl der EU-Bürger in Libyen, die das Land vorerst nicht verlassen wollen, wurde von der EU-Kommission am Freitagabend mit rund 1200 beziffert. Nur 127 warteten noch darauf, in Sicherheit gebracht zu werden. Die Evakuierungsaktionen konzentrierten sich derzeit auf die Hauptstadt Tripolis, Bengasi sowie die Jalu/Nafura-Region, teilte die EU mit.

Militäraktionen erwogen

Die Rebellen bekommen Unterstützung von ehemaligen Gaddafi-Getreuen.

Die Rebellen bekommen Unterstützung von ehemaligen Gaddafi-Getreuen.

(Foto: AP)

Angesichts des brutalen Vorgehens der Sicherheitskräfte schließen die europäischen Sozialdemokraten Militäraktionen in Libyen zum Schutz der Bevölkerung nicht grundsätzlich aus. Sie müssten aber unter dem Dach der Vereinten Nationen und unter Einbeziehung der Arabischen Liga erfolgen, sagte der Vorsitzende der sozialistischen Fraktion im Europaparlament, Martin Schulz. Die EU will bei einem Sondergipfel Ende kommender Woche in Brüssel über ihre Haltung zu Libyen beraten.

In einem Brief an die Vereinten Nationen forderte die libysche Regierung eine Aufhebung der Sanktionen. Es habe nur ein "Minimum" an Gewalt gegen "Gesetzesbrecher" gegeben, schrieb Außenminister Mussa Kussa an den UN-Sicherheitsrat. Das Gremium hatte einstimmig umfassende Sanktionen gegen Gaddafi und sein Umfeld verabschiedet. Dazu gehören ein Waffenembargo, Reiseverbote und Kontosperrungen.

Zugang zum Internet besteht in ganz Libyen derzeit nicht. Seit Donnerstag sei das Netz wieder gekappt, teilte die auf die Überwachung des Internetverkehrs spezialisierte US-Organisation Arbor Networks mit.

Quelle: ntv.de, ghö/AFP/dpa/rts

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