Debatte um NPD-Verbotsverfahren Papier sieht "unsägliche Falle"
04.12.2011, 14:02 Uhr
Anhänger der NPD ziehen durch Halberstadt.
(Foto: AP)
Soll es ein neues NPD-Verbotsverfahren geben oder nicht? Diese Frage spaltet zurzeit die Republik. Der Ex-Präsident des Bundesverfassungsgericht, Papier, hält ein neues Verbotsverfahren für fraglich. Schließlich müsse nachgewiesen werden, dass die NPD als solche in die mörderischen Anschläge der Neonazis verwickelt sei. Die SPD sieht das weniger kritisch.
Der ehemalige Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Hans-Jürgen Papier, hat den Umgang von Politikern mit der Frage eines neuen NPD-Verbotsverfahren kritisiert. "Meine Befürchtung ist, dass sich die Politik für einen neuen NPD-Verbotsantrag entscheidet, ohne vorher die Erfolgsaussichten genau zu prüfen", sagte Papier der "Welt". "Die Politik ist dabei, wieder in eine unsägliche Falle hineinzulaufen."
In einem Verbotsverfahren müsse bewiesen werden können, dass "die Partei als solche die freiheitliche demokratische Grundordnung bekämpft", unterstrich Papier. "Die NPD - und nicht nur einer ihrer Funktionäre - müsste in diese mörderischen Anschläge in irgendeiner Form verwickelt sein." Dieser Nachweis werde nicht einfach zu erbringen sein. "Da müssten die Ermittlungen noch mehr ergeben", sagte der frühere Gerichtspräsident.

Mit Ralf Wohlleben (links) sitzt ein Ex-NPD-Kader als möglicher Helfer der Zwickauer Zelle in U-Haft.
(Foto: dpa)
Nach der Festnahme des ehemaligen Ralf Wohlleben, der die Zwickauer Terrorzelle unterstützt haben soll, hatten sich Politiker parteiübergreifend für ein neues NPD-Verbotsverfahren stark gemacht. Einige äußerten die Hoffnung, die Problematik der V-Leute werde angesichts von Verbindungen zwischen dem ehemaligen NPD-Funktionär und der Terrorgruppe bei einem neuen Verfahren in den Hintergrund treten.
Papier trat dieser Einschätzung entgegen. "So lange nicht erwiesen ist, dass die NPD als solche von einer verbrecherischen Grundtendenz beherrscht wird, bleibt die Frage der Informanten relevant." Das Bundesverfassungsgericht habe nicht gefordert, dass sämtliche V-Leute aus der NPD abgezogen werden müssten. "Allerdings muss die Staatsfreiheit der Führungsebene unmittelbar vor und während des Verbotsverfahrens gewährleistet sein."

Ein neues Scheitern eines Verbotsverfahren hält Papier für gefährlich.
(Foto: picture alliance / dpa)
Ein erstes NPD-Verbotsverfahren war 2003 gescheitert, weil V-Leute des Verfassungsschutzes auch in der Führungsebene der rechtsextremen Partei tätig waren. Ein zweites Scheitern würde "einen ganz fatalen Schaden für die politische Kultur in diesem Land anrichten", warnte Papier. Zwar sei eine Partei im braunen Spektrum "unserer Demokratie äußerst abträglich". Doch dürfe man "die rechtsstaatlichen Voraussetzungen eines Verbots nicht aus den Augen verlieren".
SPD will neuen Verbotsantrag
Die SPD dringt dagegen auf ihrem Parteitag auf ein Verbot der rechtsextremen NPD. "Wir wollen, dass die menschenverachtende NPD endlich verboten wird", heißt es in einer einstimmig verabschiedeten Resolution. Die NPD sei eine Gefahr für die Demokratie, sagte der Berliner Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit. "Ich finde es unerträglich, dass dies auch noch mit Steuergeldern bezahlt wird." Die Innenminister der unionsregierten Länder forderte er auf, die Vorsaussetzungen für ein NPD-Verbot zu schaffen. Die Ministerpräsidentin von Nordrhein-Westfalen, Hannelore Kraft, appellierte: "Was wir brauchen, ist ein neuer Aufstand der Anständigen im Land." Man müsse sich gemeinsam gegen die braune Gefahr wehren.

Bereits in der kommenden Woche könnte ein Verbotsverfahren gegen die NPD initiiert werden.
(Foto: dpa)
In ihrer Resolution fordert die SPD zu prüfen, ob die Strafgesetze für den Kampf gegen Nazi-Demagogen und -Schläger verschärft werden müssten. Auch die Arbeit des Verfassungsschutzes und der Polizei gegen den Rechtsextremismus gehöre auf den Prüfstand. Dies gilt nach dem Willen der Sozialdemokraten auch für den Einsatz der Informanten des Verfassungsschutzes, den sogenannten V-Leuten.
Die SPD-Delegierten forderten, eine Partei, die die Demokratie abschaffen wolle, dürfe nicht privilegiert sein und mit Steuermitteln finanziert werden. "Wir sind wütend, dass immer noch nicht alles unternommen wird, dem weiter erstarkenden Rassismus und wirksam Einhalt zu gebieten", heißt es in der Resolution.
Auch Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich will sich für ein neues NPD-Verbotsverfahren starkmachen. "Die Diskussion um das NPD-Verbot hat eine neue Dynamik erhalten", sagte Friedrich. "Eines ist klar: Wir wollen die NDP am Ende verboten haben." Entscheidend sei, dass Bund und Länder nun gründlich vorgingen, damit ein Verfahren auch Erfolg habe. "Denn wenn wir nicht erfolgreich wären, wäre dies ein Triumph für die NDP."
De Maizière fordert Sorgfalt
Verteidigungsminister Thomas de Maizière mahnte zu Sorgfalt. "Wenn ein NPD-Verbot angestrengt wird, dann sollten Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat das gemeinsam mit einer einheitlichen Begründung tun", sagte der ehemalige Innenminister der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung".
Quelle: ntv.de, rts/AFP