Mit Chinas Top-Geheimnissen betraut Peking entlarvt US-Spion
02.06.2012, 12:12 UhrIn China wird ein Mitarbeiter der Regierung wegen des Verdachts der Spionage für die USA verhaftet. Bei dem Mann handelt es sich wohl um einen Berater des chinesischen Vize-Ministers für Staatsicherheit. Aus Besorgnis über eine weitere Belastung für ihre Beziehungen sollen die USA und China mehrere Monate den Deckel auf der Sache gehalten haben.
Die chinesischen Behörden haben nach Medienberichten aus den USA und Hongkong einen mutmaßlichen US-Spion festgenommen. Wie die "New York Times" berichtete, soll der Mann einen ranghohen Posten im Ministerium für Staatssicherheit in Peking gehabt haben. Es handelt sich um den wohl größten Spionagefall zwischen den USA und China seit rund drei Jahrzehnten.
Die Festnahme erfolgte den Angaben zufolge bereits Anfang des Jahres. Das in Hongkong erscheinende Magazin "New Way" berichtete, der Festgenommene habe als Sekretär eines Vizeministers im Ministerium für Staatssicherheit gearbeitet, der größten Geheimdienstbehörde Chinas. Der Vizeminister, dessen Name das Magazin nicht nannte, sei vom Dienst suspendiert worden.
Laut "New Way" wurde der mutmaßliche Spion während seines Studiums in den USA vom US-Geheimdienst CIA angeworben. Der Zeitschrift zufolge handelt es sich um den größten bekanntgewordenen Spionagefall zwischen Washington und Peking, seit im Jahr 1985 der Geheimdienstmitarbeiter Yu Qiangsheng zu den USA überlief.
US-Mann mit Einblick in Top-Geheimnissen
"Unglaublich", dass der mutmaßliche Spion der Sekretär eines Vizeministers gewesen sei, "der mit Chinas Top-Geheimnissen betraut ist", schrieb das Magazin aus Hongkong. "Alle vertraulichen Dokumente, die an den Vizeminister geschickt werden, gehen zuerst durch die Hände des Sekretärs." Der chinesische Staatschef Hu Jintao sei "schockiert und wütend" über den Vorfall, berichtete "New Way". Er habe eine umfassende Untersuchung angeordnet.
US-Außenministerin Hillary Clinton wollte sich bei einem Besuch in der norwegischen Hauptstadt Oslo nicht zu dem Bericht äußern. Auch das Außenministerium in Washington und das Präsidialamt lehnten eine Stellungnahme ab.
Die "New York Times" schrieb, die Festnahme sei in einem Zeitraum erfolgt, in dem sich die zwischen der Kommunistischen Partei (KP) Chinas und den USA in einer schwierigen Phase befunden hätten. Im Februar hatte der damalige Polizeichef der Millionenstadt Chongqing, Wang Lijun, das US-Konsulat in Chengdu aufgesucht, um vertrauliche Informationen über den KP-Chef in Chongqing, Bo Xilai, und dessen Frau Gu Kailai vorzulegen. Die chinesischen Behörden verdächtigen Gu der Beteiligung an der Ermordung eines britischen Geschäftsmanns.
Sollten sich die Spionage-Berichte als zutreffend erweisen, wäre es der größte bekanntgewordene Spionagefall zwischen beiden Ländern seit 1985, als der chinesische Geheimdienstmitarbeiter Yu Qiangsheng zu den Amerikanern überlief. Erst kürzlich hatte die Flucht des chinesischen Bürgerrechtlers Chen Guangchengs in die Pekinger US-Botschaft die diplomatischen Beziehungen zwischen beiden Ländern auf eine harte Probe gestellt. Chen war vor zwei Wochen in die USA ausgereist.
Ausmaß der Spionage noch unklar
Welche Informationen der festgenommene mutmaßliche Spion den USA übermittelte, ist laut "New York Times" unklar. Ein US-Regierungsvertreter, der seinen Namen nicht nennen wollte, sagte, die chinesischen Behörden hätten den Mann im Zuge der Enthüllungen festgenommen, die durch die Affäre um Bo ans Licht kamen. Die Ermittlungen hätten sich über Bo hinaus auf das Ministerium für Staatssicherheit ausgeweitet. Wegen des Missbrauchs von Sicherheitsbehörden und Korruption werde gegen zahlreiche Beamte ermittelt.
Bo wurde im März seines Amts als KP-Chef in Chongqing enthoben. Wenig später wurde er wegen mutmaßlicher "schwerer Disziplinarvergehen" vom Politbüro ausgeschlossen. Der Politiker hatte sich vor allem im Kampf gegen Korruption und als Vertreter des linken KP-Flügels einen Namen gemacht.
Quelle: ntv.de, rts/AFP