Von Kugeln, die nie weg waren Phantomdebatte beschäftigt NRW
06.04.2011, 16:48 Uhr
Eine der gesuchten und nie verschwundenen Kugeln.
(Foto: dpa)
Der Verbleib von rund 2300 Brennelementkugeln aus dem Forschungsreaktor Jülich ist geklärt; das Forschungszentrum vermisst nämlich gar keine. Die Landesregierung wollte offenbar mit einer Kleinen Anfrage der Grünen die Zwischenlagerung atomaren Materials und vermeintliche Missstände in Jülich skandalisieren.
Eine Debatte über den Verbleib radioaktiven Mülls beschäftigt seit Tagen die nordrhein-westfälische Landespolitik: Gesucht wurden 2285 Brennelementkugeln. Die rot-grüne Landesregierung hatte für Alarmstimmung gesorgt mit der Mitteilung, es sei ungewiss, wo das strahlende Material aus dem ehemaligen Forschungsreaktor Jülich geblieben sei. Jetzt stellt sich heraus: Es war nie weg. Eine Steilvorlage für die Opposition, die die "peinliche Posse" im Düsseldorfer Landtag ausschlachtete.
Die Landesregierung sagte eine "lückenlose Aufklärung" zu. Noch vor Ostern werde ein Bericht vorgelegt, sagte Wirtschaftsstaatssekretär Günther Horsetzky im Wirtschaftsausschuss des Landtags.
Bundesumweltminister Norbert Röttgen (CDU) bestellte als oberster Atomaufseher der Republik die NRW-Atomaufsicht "kurzfristig zu einem bundesaufsichtlichen Gespräch ein". Neben der sachlichen Aufklärung zog Röttgen – zugleich CDU-Landeschef in NRW – anschließend auch ein politisches Fazit: "Mit ihren spekulativen Angaben haben das Wissenschafts-, Umwelt- und Wirtschaftsministerium nur für Verunsicherung gesorgt. Die Beteiligten haben versucht, aus einer ernsthaften Diskussion über die Zukunft der Kernenergie Kapital zu schlagen."
Die Verwirrung um die tennisballgroßen Kugeln hatte Nordrhein-Westfalens Wissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD) mit einer Antwort auf eine Anfrage der Grünen im Parlament ausgelöst. Darin hatte sie angegeben, es seien "allem Anschein nach" Brennelementkugeln in der Asse gelagert worden.
Konkrete Antwort auf eine konkrete Frage

Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (l.) spricht mit Svenja Schulze im Landtag von NRW.
(Foto: picture alliance / dpa)
Doch CDU und FDP wollten sich weder auf spätere schriftliche Berichte vertrösten noch auf Ausführungen zur Mengenlehre des spaltbaren Materials und Kugelzahlen einlassen. FDP-Fraktionschef Gerhard Papke riss im Wirtschaftsausschuss der Geduldsfaden: "Entweder Ihr Haus hat komplett den Überblick verloren oder nur eine folkloristische Antwort auf die Kleine Anfrage der Grünen gegeben."
Dort sei eben nur nach dem Verbleib der Kugeln und nicht nach dem entscheidenden radioaktiven Inhalt gefragt worden, erklärte Horsetzky. "Wenn eine Frage nach Kugeln gestellt wird, erhalten Sie auch eine Antwort zu Kugeln." Aus Jülich habe man "unterschiedliche Zahlenangaben" erhalten.
Koalition trifft ins eigene Tor
Aus Sicht der Opposition wollte die Koalition mit einer Kleinen Anfrage der Grünen die Zwischenlagerung atomaren Materials und vermeintliche Missstände in Jülich skandalisieren. Dieser Plan sei fehlgeschlagen. CDU und FDP äußerten Zweifel an der Kompetenz von Wissenschaftsministerin Schulze und kritisierten Verantwortungslosigkeit im Energieministerium. Minister Voigtsberger sei aber persönlich nicht mit der Angelegenheit befasst gewesen, versicherte sein Staatssekretär.
Quelle: ntv.de, dpa