Politik

Auf dem Weg in die Realpolitik Piraten sortieren sich

NRW-Parteitag in Soest: Alle 280 Parteimitglieder dürfen abstimmen, Delegierte gibt es nicht.

NRW-Parteitag in Soest: Alle 280 Parteimitglieder dürfen abstimmen, Delegierte gibt es nicht.

(Foto: dpa)

Die Piraten wollen eine feste Größe in der Politik werden. Die Politneulinge müssen sich inhaltlich, organisatorisch und finanziell aber erst neu sortieren. Auf einem NRW-Parteitag wird trefflich gestritten. Wachsen ist auch schwierig.

Nische und Bedeutungslosigkeit waren gestern. Wachstum und hohe Zustimmung sind heute. Aber was wird morgen? Die Piraten suchen ihren Kurs, müssen sich neu organisieren, inhaltlich positionieren. Seit ihrem Sensationserfolg im September in Berlin strebt die Piratenpartei auf bundesweit 20.000 Mitglieder zu, würde aktuell laut Umfragen locker bei Bundestagswahl und NRW-Landtagswahl über die Fünf-Prozent-Hürde springen. Das ist auch Herausforderung und Bürde. Beim NRW-Parteitag in Soest machen Vorstand wie "normale" Mitglieder klar: Es soll auch künftig basisdemokratisch, unkonventionell, transparent und eben ganz anders zugehen als bei den Etablierten.

"Wir müssen vermeiden, dass wir in Strukturen wie bei den etablierten Parteien kommen", betont Bundesvorstandsmitglied Matthias Schrade. Der Landesvorstand will Änderung in organisatorischer und finanzieller Hinsicht, um gezielt arbeiten zu können und sich der "Realpolitik anzugleichen", wie NRW-Landesvize Kai Schmalenbach erklärt. Redner Frank Herrmann - wie viele andere auch - ist misstrauisch und warnt: "Es darf nicht zu viel Macht geben für den Landesvorstand, sonst ist das mit der Mitmachpartei eine Farce." Die Piraten müssen sich den Realitäten anpassen, aber auch aufpassen, dass ihr Markenzeichen am Ende nicht futsch ist.

Mini-Einheiten verlieren Unabhängigkeit

Und so wird vor allem über eine Satzungsänderung gestritten. "Die brauchen wir, damit machen wir uns zukunftsfähig", sagt NRW-Oberpirat Michele Marsching nach heftigen Debatten. Die Parteitagsentscheidung lautet am Ende: Die Piraten-typischen Crews mit fünf bis neun Piraten machen weiter autark wichtige Basisarbeit, verlieren aber ihre finanzielle Unabhängigkeit. Der Landesvorstand entscheidet künftig, was wer wofür ausgeben darf - und hat damit besseren Überblick über die vielen Piraten-Mini-Einheiten.

Lauter Streit über die zukünftige Arbeitsweise der Piraten.

Lauter Streit über die zukünftige Arbeitsweise der Piraten.

(Foto: dpa)

Das Inhaltliche - Umwelt, Wirtschaft, Soziales - ging schneller über die Bühne: Drogensüchtige sollen entkriminalisiert, umstrittene Gasbohrungen verboten, erneuerbare Energien stärker gefördert und das Bleiberecht für Asylbewerber liberaler gestaltet werden. "Wir haben gezeigt, dass wir keine Ein-Thema-Partei sind", meint Sprecherin Christina Herlitschka. Und dass tatsächlich bei den Piraten vieles anders läuft. Alle 280 nach Soest gekommenen Parteimitglieder dürfen abstimmen, Delegierte gibt es nicht. Der NRW-Parteivorstand - wie auch der Bundesvorstand - arbeitet auch weiter ehrenamtlich.

Keine Scientologen und Rechtsextreme

"Die Botschaft des Parteitags ist: Wir sind da, wir werden bleiben und man kann uns nicht mehr ignorieren", sagt Schrade. Es gebe schon weit mehr als 18.000 Mitglieder bundesweit und noch massig unbearbeitete Anträge. Scientologen oder Rechtsextreme seien definitiv nicht willkommen, sagte Schrade zu bekannt gewordenen wenigen Einzelfällen.

Politikwissenschaftler Volker Kronenberg ist skeptisch, ob es bei dem Erfolg bleibt. "Die Piraten profitieren von einer allgemeinen und diffusen Unzufriedenheit mit den etablierten Parteien". Es handele sich um "Hobby-Politiker ohne Erfahrungsschatz", sagt der Akademische Direktor am Institut für Politische Wissenschaft an der Bonner Uni. Inhaltlich sei es noch dünn. "Es geht bei den Piraten derzeit vor allen Dingen um das Wie, nicht so sehr um das Was." Die Truppe sei vor allem für Nichtwähler und enttäuschte Wähler interessant, die etablierten Parteien sollten hellhörig sein. Aber: "Eine Verdrängung der FDP oder der Linken durch die Piratenpartei halte ich auch mittelfristig kaum für realistisch."

Quelle: ntv.de, Yuriko Wahl-Immel, dpa

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