"Achtzig Stunden? Vergiss es!" Platzeck erklärt seinen Rücktritt
29.07.2013, 20:05 Uhr
Woidke (l.) gilt als Vertrauter von Platzeck.
(Foto: dpa)
"Ich lebe noch", wirft Brandenburgs Ministerpräsident Platzeck ein, als sein designierter Nachfolger Woidke erklärt, wie sehr er seinen bisherigen Chef vermissen wird. Doch für beide ist der Auftritt ein emotionaler Moment. Bis Ende August behält Platzeck seine Ämter, dann übernimmt Woidke. Nur ein Posten ist noch nicht vergeben.
Der brandenburgische Ministerpräsident Matthias Platzeck hat seinen Rücktritt aus gesundheitlichen Gründen angekündigt. Er werde am 28. August sein Regierungsamt abgeben, sagte Platzeck nach einer gemeinsamen Sitzung der SPD-Landtagsfraktion sowie des SPD-Landesvorstands in Potsdam.

Zur Fraktionssitzung kam auch Manfred Stolpe, erster Ministerpräsident des Bundeslandes Brandenburg.
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Sein Nachfolger soll der bisherige Innenminister Dietmar Woidke werden, der auch den Landesvorsitz der SPD übernehmen will. Die Parteigremien hätten der Personalie zugestimmt, sagte Platzeck. Der Wechsel an der Regierungsspitze ist aus verfassungsrechtlichen Gründen am 28. August vorgesehen, wenn planmäßig eine Landtagssitzung angesetzt ist.
Im Juni hatte Platzeck einen leichten Schlaganfall erlitten und danach angekündigt, seinen Gesundheitszustand zu prüfen. Im Anschluss verabschiedete er sich in einen dreiwöchigen Urlaub, der an diesem Montag endete. "Zwei Jahrzehnte haben Wirkung, wenn der Motor immer auf Hochtouren läuft", sagte Platzeck nun. "Ich habe es nie vermocht, dass mir so was wie eine dicke Haut wuchs."
Nachfolge als BER-Aufsichtsratschef noch ungeklärt
Seine Ärzte hätten ihm signalisiert, dass die Strapazen des Regierungsamts für ihn zu viel seien. "Vierzig bis fünfzig Stunden kannst du gut und gerne arbeiten", zitierte Platzeck seinen Arzt, "aber achtzig - vergiss es."
Neuer Landesinnenminister und damit Nachfolger Woidkes soll der bisherige Chef der SPD-Fraktion im Landtag, Ralf Holzschuher, werden. Dessen Amt soll Klaus Ness, bisher Generalsekretär der Brandenburger SPD, übernehmen.
Noch nicht entschieden ist, wer Platzeck im Amt des Aufsichtsratschefs der Flughafengesellschaft Berlin-Brandenburg nachfolgt. Darüber solle in den kommenden Wochen beraten werden, sagte Platzeck. Sein designierter Nachfolger habe "klar gesagt", dass er für diesen Posten nicht zur Verfügung stehe.
"Noch mehr Sachverstand" für BER
Woidke selbst sagte zur Begründung, er habe sich in den vergangenen Jahren "relativ wenig" mit dem Flughafen beschäftigt. Sein Ziel sei, "noch mehr Sachverstand" in den Aufsichtsrat zu bringen. Die brandenburgische Landesregierung werde sich in den nächsten Wochen Gedanken machen, wer die Aufgabe übernimmt. "Personalentscheidungen werden dann getroffen, wenn wir so weit sind, und so weit sind wir heute noch nicht."
Woidke wirkte angespannt, er sagte, es sei "ein sehr emotionaler Moment". Platzeck habe Brandenburg zu einem erfolgreichen Land gemacht. Er werde Platzeck "sehr vermissen" - woraufhin Platzeck lakonisch einwarf: "Ich lebe noch."
Platzeck will Abgeordneter bleiben
Das Amt des Ministerpräsidenten nannte Woidke "die größte Herausforderung meines bisherigen Lebens", ihr werde er sich "mit größter Hingabe" stellen.
Platzeck kündigte an, sein Landtagsmandat zu behalten, schließlich dürfe er ja vierzig bis fünfzig Stunden arbeiten. Auch die nächste Aufsichtsratssitzung des BER Mitte August will er noch leiten. Über seinen Rücktritt sagte er: "Ich verhehle nicht, dass mir das alles sehr schwer fällt." Gesundheitlich gehe es ihm besser: "Mein Linksdrall ist ein Stück weniger geworden, deutlich", sagte er mit leichtem Lachen. Im Juni hatte er gesagt, nach seinem Schlaganfall habe er einen "leichten Linksdrall".
Woidke kündigte an, dass die SPD ohne Koalitionsaussage in die Landtagswahl im Herbst 2014 gehen werde. Der 51-Jährige ist seit 19 Jahren ohne Unterbrechung im Potsdamer Landtag, er war bereits SPD-Fraktionschef und Umweltminister. Der gebürtige Lausitzer gilt als umgänglich. "Er steht mit beiden Füßen fest auf märkischen Boden", sagte Platzeck über Woidke.
Wechselhafte Karriere
Platzeck war elf Jahre Ministerpräsident Brandenburgs und ist damit nach Berlins Regierendem Bürgermeister Klaus Wowereit der dienstälteste amtierende Länder-Regierungschef. Seine politische Karriere startete Platzeck 1990 als Minister ohne Geschäftsbereich in der Regierung von Ministerpräsident Hans Modrow, der vorletzten Regierung der DDR. Im Herbst 1990 berief ihn Brandenburgs erster Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD) an den Kabinettstisch, den Platzeck nur einmal für ein kurzes Zwischenspiel als Potsdamer Oberbürgermeister verließ.
Platzecks politische Laufbahn verlief anfangs recht wechselhaft. 1988 gehörte er in Potsdam zu den Gründungsmitgliedern der oppositionellen Arbeitsgemeinschaft für Umweltschutz und Stadtgestaltung (ARGUS). In Jahr darauf stieß er zur DDR-Blockpartei LDPD, um im Herbst des gleichen Jahres für die ostdeutsche Grüne Partei ins Kabinett Modrows entsandt zu werden. Nach der Landtagswahl im Herbst 1990 zog er für die Fraktion des Bündnis 90 als Umweltminister in Stolpes Kabinett ein.
Die für die SPD verlorene Bundestagswahl von 2005 brachte Platzeck an die Spitze der Bundespartei. Mit fulminanten 99,4 Prozent wurde Platzeck zum SPD-Chef gewählt, doch die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllten sich nicht. Nach nur fünf Monaten im Amt gab der den Vorsitz im April 2006 wieder ab - nachdem er mehrfach einen Hörsturz und einen Kreislaufzusammenbruch erlitten hatte.
Quelle: ntv.de, hvo/dpa/AFP