Westerwelle kritisiert Merkel Polen freut Steinbachs Verzicht
04.03.2009, 14:57 UhrDer Bund der Vertriebenen (BdV) zieht die Nominierung ihrer Präsidentin Erika Steinbach für den Stiftungsrat des Vertrieben-Zentrums zurück. Das Präsidium des BdV habe das Angebot Steinbachs angenommen, sie vorläufig nicht für den Stiftungsrat zu benennen, teilte der Verband in Bonn mit. Das Präsidium kündigte an, keinen anderen Vertreter an der Stelle Steinbachs zu benennen. "Es will diese Position demonstrativ unbesetzt lassen, um deutlich zu machen, dass es sich sein originäres Besetzungsrecht von niemandem vorschreiben lässt", hieß es in der Mitteilung.
Mit dem Rückzug wolle der BdV "die nicht durch uns verursachte Blockade" auflösen. "Das BdV-Präsidium mit seiner Präsidentin Erika Steinbach will nicht der billige Vorwand dafür sein, das Stiftungsgesetz nicht in die Tat umzusetzen und so die Stiftung auf den letzten Metern noch zu verhindern", hieß es weiter.
"An den Haaren herbeigezogen"
Der Verband kritisierte die Forderungen von SPD und Grünen nach einem Rückzug Steinbachs scharf. Die Argumente der Sozialdemokraten und Grünen gegen Steinbach seien "an den Haaren herbeigezogen und nicht stichhaltig." SPD-Fraktionschef Peter Struck hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel aufgefordert, auf die Ernennung Steinbachs zu verzichten. Nötig sei eine "klare und unmissverständliche Entscheidung", durch die der "außenpolitischen Verantwortung" Vorrang vor der Rücksicht auf "eine bestimmte Wählerklientel" gegeben werde. Die "quälende Diskussion" über die Nominierung Steinbachs sei "für die Bundeskanzlerin kein Ruhmesblatt".
Freude in Polen
Der polnische Parlamentschef Bronislaw Komorowski reagierte mit Befriedigung auf die Entscheidung des BdV. Das beweise, dass es in Deutschland ein "sehr tiefes Verständnis" für Polens Einstellung gebe, sagte der Politiker der liberalen Regierungspartei Bürgerplattform (PO). Er freue sich sehr darüber, sagte Komorowski. Polnische Politiker hatten gegen die mögliche Berufung Steinbachs heftig protestiert. In Polen wird der BdV-Chefin seit Jahren vorgeworfen, sie wolle die Geschichte des Zweiten Weltkrieges umschreiben, um die deutsche Schuld an Nazi-Verbrechen zu relativieren.
Merkel zollt Steinbach Respekt
Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Merkel zollte der Entscheidung Respekt. Damit sei man der Umsetzung der Stiftung ein gutes Stück näher gekommen. Die Entscheidung eröffne die Möglichkeit, dass das Gedenken an die Vertreibung für alle Menschen in Deutschland sichtbar werden könne, sagte sie am Rande einer Veranstaltung in Berlin.
Westerwelle kritisiert Merkel
FDP-Chef Guido Westerwelle begrüßte ebenfalls den Verzicht Steinbachs und kritisierte zugleich den Umgang Merkels mit diesem Thema. "Unklug war es von der CDU-Vorsitzenden, das seit Monaten auf diese Konfrontation hintreiben zu lassen", sagte Westerwelle.
"Der Schritt von Erika Steinbach verdient hohe Anerkennung", sagte CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla. "Mit ihrem Verzicht auf einen Sitz im Stiftungsrat zeigt sie menschliche Größe und politische Weitsicht." Sie stelle die Aussöhnung mit Polen über ihre eigenen Wünsche.
Bereits am Wochenende hatte Steinbach einen Verzicht auf den Posten nicht mehr ausgeschlossen. Sie erwäge einen Rückzug, um der Kanzlerin entgegenzukommen und den Druck aus der Debatte über die Stiftung zu nehmen, hatte es aus Kreisen der CDU/CSU-Bundestagsfraktion geheißen.
Bundesregierung startet Bennennungsverfahren
Nach Angaben von Vize-Regierungssprecher Thomas Steg hat Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) das Benennungsverfahren für den Stiftungsrat am Dienstag eingeleitet. Steg blieb die Antwort auf die Frage schuldig, ob das Verfahren in Kenntnis des Rückzugs von Steinbach begonnen wurde.
Nach dem Gesetz über die "Stiftung Flucht, Vertreibung, Versöhnung" benennen die Betroffenen - Bundestag, Auswärtiges Amt, Innenministerium, Kulturstaatsminister, Bund der Vertrieben, Evangelische Kirche, Katholische Kirche und der Zentralrat der Juden ihre Mitglieder. Für die Vertriebenen sind drei Sitze vorgesehen. Die benannten Mitglieder werden laut Gesetz durch die Bundesregierung für die Dauer von fünf Jahren bestellt.
Quelle: ntv.de