Geld als Lockmittel Politik bügelt Ärztemangel aus
01.12.2011, 14:12 Uhr
Vor allem im ländlichen Raum sind die Wege zu den Ärzten lang.
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Gegen den Ärztemangel auf dem Land verschreibt Schwarz-Gelb den Medizinern eine ordentliche Geldspritze. Minister Bahr beteuert, der Vorteil seiner Politik erreiche vor allem die Patienten. Für die Opposition ist klar, die Koalition verschlimmert das Problem. Ohne Reform fehlen vor allem in ländlichen Regionen tausende Ärzte.
Auch Patienten auf dem Land sollen in ihrer Umgebung zum Hausarzt gehen können, ohne dafür erst lange Anreisen auf sich zu nehmen. Für eine solche wohnortnahe medizinische Versorgung soll ein Gesetz sorgen, das der Bundestag beschloss.

Viele junge Mediziner scheuen den Mehraufwand eines Landarztes und vermissen das süße Leben in der Stadt.
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Junge Mediziner sollen vor allem durch mehr Geld in ländliche Regionen gelockt werden. Für sie sind bisher vor allem Ballungszentren lukrativ. Der als "Landarztgesetz" bezeichneten Neuregelung mit einem Bündel von Maßnahmen stimmten die Fraktionen von Union und FDP zu. Die Opposition votierte geschlossen dagegen und kritisierte das Gesetz als unzureichend. Es bedarf nicht der Zustimmung des Bundesrates.
Nach Angaben der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) sind derzeit zwischen Flensburg und Garmisch-Partenkirchen rund 3500 Arztsitze vakant. Bis 2020 hören allein 7000 Hausärzte auf.
Gesundheitsminister Daniel Bahr (FDP) verteidigte das Vorhaben für eine wohnortnahe Gesundheitsversorgung. "Es ist ein gutes Gesetz. Wir sorgen dafür, dass die Menschen den Landarzt nicht nur aus einer idyllischen Vorabendserie kennen", sagte er. Das Gesetz gewährleiste, dass jeder die notwendige medizinische Behandlung bekomme – bei freier Arzt- und Krankenhauswahl. In anderen Ländern dagegen gebe es "Mangelverwaltung". Es werde dafür gesorgt, dass Menschen mit besonders schweren Erkrankungen auch die bestmögliche ambulante Versorgung erhalten.
SPD: "Lobbyismus wichtiger als Wettbewerb"
In der Debatte warf der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach der schwarz-gelben Koalition vor, das Gesetz werde die Versorgungsstruktur in Deutschland nicht verbessern und den Medizinermangel nicht beheben können. "Sie verschlimmern ein Problem, das wir schon haben", sagte er. Es gehe der Koalition nicht um die Versorgung der Patienten, sondern um die Versorgung der niedergelassenen Ärzte. "Lobbyismus ist Ihnen wichtiger als der Wettbewerb", sagte Lauterbach an Bahrs Adresse.
Mehr Geld, mehr Vorteile, kaum Strafen
Das Gesetz sieht finanzielle Anreize für Mediziner in unterversorgten Gebieten vor. Hauptsächlich auf dem flachen Land finden viele Haus- und Fachärzte, die altersbedingt aufhören, keine Nachfolger. Für junge Mediziner ist eine Praxis in Ballungsräumen durchweg lukrativer. Für Landärzte wurde deshalb die Residenzpflicht aufgehoben: Sie müssen ihre Praxis nicht länger am Wohnort betreiben. Sie sollen sich auch besser vertreten lassen können. Ärzte sollen weniger Strafen fürchten müssen, wenn sie viele Arzneimittel verordnen, auch wenn solche Regresse gar nicht so oft vorkommen. Gegen Überversorgung in attraktiven Regionen sollen Kassenärztliche Vereinigungen Arztsitze kaufen können.
Neue Behandlungsmethoden sollen verstärkt zum Einsatz kommen können, auch wenn der Nutzen nicht abschließend bewiesen ist. Kassen sollen verstärkt Homöopathie und rezeptfreie Arznei anbieten können.
Quelle: ntv.de, dpa