Wegen Hitlergruß und Tatoos Polizist unter Nazi-Verdacht steht vor Gericht
16.11.2017, 18:33 Uhr
Die auf die Brust des Polizisten tätowierten Noten ergeben das Horst-Wessel-Lied.
(Foto: dpa)
Ein Polizist mit rechten Tätowierungen, der den Hitlergruß zeigt - wie ist das mit der Beamtenpflicht zur Verfassungstreue vereinbar? Das Bundesverwaltungsgericht steht vor einer Grundsatzentscheidung.
Kurz vor Schluss hat Bundesverwaltungsrichter Ulf Domgörgen für einen Berliner Polizisten unter Neonazi-Verdacht eine echte Überraschung parat. Der Mann trage doch eine große Tätowierung auf der Brust, einen Totenkopf, von Noten umkränzt. Ob er wisse, welche Melodie dort dargestellt sei, fragt Domgörgen in Leipzig am Ende einer mündlichen Verhandlung. Nein, antwortet der glatzköpfige Polizist.
"Hier auf der Richterbank sitzen mehrere Kollegen, die Noten lesen können, die Klavier spielen und die auch Geschichtswissen haben", entgegnet Domgörgen. "Bei der Melodie, die hier abgebildet ist, handelt es sich um das Horst-Wessel-Lied." Der Polizist sagt äußerst schmallippig: "Wäre mir neu." Das Horst-Wessel-Lied war unter anderem die Parteihymne der NSDAP.
Welche Folgen die Tätowierungen für den Beamten haben werden, ist noch offen. Das Land Berlin will ihn aus dem Beamtenverhältnis entfernen. Von ihm existieren auch Fotos, auf denen er den Hitlergruß zeigt. In seiner Wohnung wurden vor Jahren umfangreiche Nazi-Devotionalien gefunden. Der Mann habe damit gegen seine Pflicht zur Verfassungstreue verstoßen, argumentiert das Land.
Polizist gewann bereits zwei Instanzen
Die Klage wird in dritter Instanz verhandelt. Zweimal hatte zuvor der Polizist gewonnen. Der Leipziger Entscheidung wird eine grundsätzliche Bedeutung zukommen. Es geht um die Frage, ab wann ein Beamter gegen seine besondere Pflicht zur Verfassungstreue verstößt. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg hatte noch entschieden, dass die Tattoos zwar ein Indiz für eine verfassungsfeindliche Gesinnung sein könnten - dass dies aber noch nicht für einen Treuepflichtverstoß ausreicht. Dafür wären nach Meinung des Gerichts ein aktives Handeln des Polizisten oder eine "Teilnahme am politischen Meinungskampf" nötig gewesen.
Ob das Bundesverwaltungsgericht dem OVG folgen wird, scheint nach dem Verlauf der mündlichen Verhandlung zumindest fraglich. Richter Domgörgen nennt die Tätowierungen eine Erscheinung unserer Zeit, wo Menschen "ihren Körper als demonstrative Fläche nutzen". Wer diese Fläche einschlägig dekoriere, so die Idee dahinter, wolle vielleicht auch etwas aktiv verbreiten. Ein Urteil soll am Freitag verkündet werden.
Quelle: ntv.de, Birgit Zimmermann, dpa