Mord an Boris Nemzow Putin-Kritiker bezweifeln islamistisches Motiv
09.03.2015, 11:59 Uhr
Saur Dadajew nach seiner Festnahme.
(Foto: AP)
Es ist wie so oft in Russland: Alle Vermutungen der Behörden über den Mord an Boris Nemzow scheinen sich mit der Festnahme der mutmaßlichen Täter zu bestätigen. Doch Nemzows politische Freunde macht genau das misstrauisch.
Weggefährten des ermordeten russischen Regierungskritikers Boris Nemzow haben massive Zweifel daran angemeldet, dass das Attentat einen islamistischen Hintergrund hat. "Die Nonsens-Theorie der Ermittler über islamistische Motive beim Mord an Nemzow nutzt dem Kreml und nimmt Putin aus der Schusslinie", erklärte Ilja Jaschin, neben Nemzow Co-Vorsitzender der kleinen oppositionellen Liberalen Partei in Russland, bei Twitter.
Nemzow, der vor mehr als einer Woche erschossen wurde, war einer der bekanntesten Kritiker von Russlands Präsident Wladimir Putin. "Unsere schlimmsten Befürchtungen sind wahr geworden", schrieb Jaschin am späten Sonntagabend. Der Mordschütze werde angeklagt, aber seine Auftraggeber würden ungeschoren davonkommen.
Auch Nemzows Tochter Schanna vermutet den Kreml hinter dem Verbrechen. "Ich bin mir sicher, es war ein politisch motivierter Mord", sagte die 30-Jährige der "Bild am Sonntag". Sie sei überzeugt, dass das Attentat "mit voller Unterstützung der Machthaber begangen wurde. Dass die Täter sicher waren, dass sie nicht bestraft werden".
Am Sonntag hatte eine Richterin Haftbefehle gegen zwei von fünf inhaftierten Verdächtigen erlassen. Nach Gerichtsangaben ist einer der beiden Hauptverdächtigen geständig. Dabei handelt es sich nach Angaben der Ermittler um Saur Dadajew, einem Ex-Polizeioffizier aus Tschetschenien. Laut Nachrichtenagentur Itartass stehen sie gemäß Artikel 105 Absatz 2 des russischen Strafgesetzbuchs unter Verdacht, zusammen einen Mord verübt zu haben, um "sich zu bereichern oder im Auftrag". Dies deutet darauf hin, dass die Ermittler die Spur eines Auftragsmords verfolgen.
Ein gläubiger Mörder?
Tschetscheniens Machthaber Ramsan Kadyrow lenkte den Verdacht auf Islamisten, indem er im sozialen Netzwerk Instagram erklärte: "Alle, die Saur kennen, werden bestätigen, dass er ein tiefgläubiger Mensch ist und dass er - wie alle Muslims - über die Veröffentlichungen von Charlie und der Unterstützung des Drucks von Karikaturen schockiert war."
Islamisten hatten im Januar wegen Karikaturen über den muslimischen Propheten Mohammed die Redaktion der französischen Satirezeitung "Charlie Hebdo" überfallen und zwölf Menschen getötet. In Tschetschenien war es zu Massenprotesten gegen die Karikaturen gekommen. Nemzow hatte sich hinter die französische Satire-Zeitung und ihre Mohammed-Karikaturen gestellt.
Kadyrow, der autokratisch mit harter Hand in Tschetschenien herrscht, wird von der Regierung in Moskau unterstützt. Seine Loyalität zu ihr demonstrierte Kadyrow voriges Jahr, als er eine Massenkundgebung zu Putins Geburtstag veranstaltete.
Quelle: ntv.de, sba/rts