Orientierung nach Moskau Putin belohnt Janukowitsch
17.12.2013, 16:40 Uhr
Russland gewährt der Ukraine niedrigere Gaspreise und einen Kredit in Milliardenhöhe. Damit bindet sich das wirtschaftlich angeschlagene Land stärker an Moskau und entfernt sich von der EU. Die Opposition dürfte deshalb wütend reagieren.
Es ist ein Machtkampf der ungewöhnlichen Art, in dem sich die Europäische Union völlig unvorbereitet wiederfindet: Russland will nicht zulassen, dass sich die Ukraine mit seinen 45 Millionen Menschen nach Westen orientiert und sich an die Europäische Union bindet. Moskau droht der früheren Sowjetrepublik mit Konsequenzen - und lässt sich Wohlverhalten viel Geld kosten.
Die Ukraine bekommt russisches Gas künftig billiger. Statt mehr als 400 Dollar muss Kiew nur noch 268,50 US-Dollar pro 1000 Kubikmeter Gas bezahlen. Außerdem erhält das Land einen Kredit in Höhe von 15 Milliarden Euro. Das verkündete Russlands Präsident Wladimir Putin nach einem Treffen mit dem ukrainischen Staatschef Viktor Janukowitsch in Moskau.
Dieses Angebot konnte der in seiner Heimat massiv unter Druck stehende Janukowitsch nicht ausschlagen. Denn die Ukraine steckt in der Rezession. Das Land ist von der globalen Finanzkrise stark getroffen worden, mit den rasanten Wachstumsraten ist es vorbei. Ausländische Investoren ziehen sich zurück. Zudem leidet die Ukraine unter einem gewaltigen Staatsdefizit. Es wird geschätzt, dass die ehemalige Sowjet-Republik im kommenden Jahr um die 17 Milliarden Dollar aus dem Ausland braucht, um Schulden zu bedienen und Kosten für importiertes Erdgas zu decken.
Auf Russland angewiesen
Russland ist der wichtigste Handelspartner der Ukraine. Ein Drittel der Importe stammt aus dem Nachbarland, ein Viertel der Exporte gehen dorthin. Und vor allem: die Ukraine importiert fast ihr gesamtes Gas aus Russland, muss dafür aber einen beispiellos hohen Preis zahlen. Der Kreml setzt den Rohstoffreichtum des Russlands immer wieder als Druckmittel ein – und drehte der Ukraine im Streit bereits mehrfach das Gas ab.
Und so knickte Janukowitsch vorsorglich ein und entschloss sich, ein lange ausgehandeltes Assoziierungsabkommen mit der EU nicht zu unterzeichnen. Das führte zu wütenden Protesten in der Ukraine. Janukowitsch beeilte sich zu versichern, dass das Partnerschaftsabkommen mit der EU noch nicht vom Tisch sei. Was ihn allerdings nicht daran hindert, sich enger an Russland zu binden.
Dem ist jegliche Orientierung der Ukraine nach Westen zuwider. Stattdessen drängt er das Land zum Beitritt zur Zollunion mit Kasachstan und Weißrussland, die den Einfluss der Europäischen Union eindämmen soll. Eine Einbindung des regionalen Schwergewichts Ukraine würde dem von Russland dominierten Projekt ein deutlich stärkeres Gewicht verleihen.
In Moskau treibt Janukowitsch derweil die Annäherung an Moskau voran und bekommt nicht nur einen Milliardenkredit, sondern auch billigeres Gas. Doch die Opposition in der Ukraine droht bereits mit neuen Massenprotesten. Der Staatschef sieht sich seit seiner Absage an die EU mit der größten Protestbewegung seit der "Orangen Revolution" vor neun Jahren konfrontiert.
IWF stellt Bedingungen

Der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch und Russlands Präsident Wladimir Putin.
(Foto: REUTERS)
Statt im Kreml hätte Janukowitsch auch beim Internationalen Währungsfonds um einen Kredit verhandeln können. Doch diese von der EU favorisierte Lösung ist für die ukrainische Staatsführung wenig attraktiv. So knüpft der IWF Kredite an Strukturreformen und an die Bedingung, die Subventionierung des Gaspreises zu beenden. Diese reißt zwar große Löcher in den Staatshaushalt – doch ein Ende würde die Privathaushalte noch mehr belasten.
Und so forderte Kiew 20 Milliarden Euro Finanzhilfe von der Europäischen Union, bevor das Abkommen über engere Zusammenarbeit und freien Handel unterzeichnet wird. Doch Brüssel hält davon wenig. "Wir geben das Abkommen doch nicht auf eine Versteigerung", sagt ein ranghoher EU-Diplomat. Die EU hatte 600 Millionen Euro angeboten - falls Kiew einen Milliardenkredit des Internationalen Währungsfonds annimmt.
Eine engere wirtschaftliche und politische Kooperation mit der EU könnte für die Ukraine attraktiv sein. Rund ein Drittel der ukrainischen Exporte fließt bereits in die Union. Doch ist die Ukraine auch für die EU von Bedeutung. Rund ein Viertel ihres Gases bezieht die Union aus Russland, die Hälfte davon fließt durch die Ukraine.
Das flächenmäßig nach Russland größte europäische Land besitzt jede Menge Rohstoffe. Von Bedeutung ist auch die Landwirtschaft. Etwa 30 Prozent der fruchtbaren Schwarzerdeböden der Welt befinden sich in der Ukraine, die zu den größten Weizenexporteuren gehört. Außerdem gebe es im Energiesektor viel Potenzial, betonen Ökonomen. So haben etwa große Schiefergasvorkommen bereits internationale Energiekonzerne wie Shell und Chevron auf den Plan gerufen. Damit könnte die Ukraine unabhängiger von russischen Erdgasimporten werden.
Das allerdings ist nicht im Interesse des Kremls.
Quelle: ntv.de, mit rts/dpa