Tauwetter vor Olympia Putin lässt politische Gegner frei
19.12.2013, 14:55 UhrRusslands Präsident Putin gibt sich keine zwei Monate vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi milde und lässt seine schärfsten Kritiker frei. Zur Überraschung vieler kann auch Michail Chodorkowski mit seiner Entlassung aus der Haft rechnen.

Michail Chodorkowski soll ein Gnadengesuch gestellt haben. Sein Anwalt weiß nichts davon.
(Foto: dpa)
Der Putin-Kritiker Michail Chodorkowski und die Musikerinnen von Pussy Riot werden bald freikommen. Russlands Präsident Wladimir Putin kündigte an, den beiden inhaftierten Punk-Musikerinnen Amnestie zu gewähren. "Ich glaube wir können die Entscheidung treffen und sehr bald das Dekret für die Begnadigung unterzeichnen", sagte Putin nach seiner jährlichen Pressekonferenz. Ein Sprecher sagte anschließend, Putin habe "kürzlich" ein persönlich von Chodorkowski unterzeichnetes Gnadengesuch erhalten. Dessen Anwalt erklärte, er habe davon keine Kenntnis.

Maria Aljochina (links) und Nadeschda Tolokonnikowa können schon bald ihre Familien in die Arme schließen.
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Mehr als ein Jahr harrten die Musikerinnen im russischen Straflager aus - jetzt können Nadeschda Tolokonnikowa und Maria Aljochina ihre Sachen packen. Sie fallen unter die jüngst beschlossene Amnestie für viele Gefangene in Russland. Pussy Riot hatten Putin immer wieder scharf kritisiert, der Prozess gegen sie wurde international kritisiert.
Gnade ersetzt keine dauerhafte Rechtsstaatlichkeit
Die Bundestagsvizepräsidentin und ehemalige Grünen-Chefin Claudia sprach von einem "ermutigenden Zeichen". "Dieser "Gnadenakt" des russischen Präsidenten ersetzt aber kein unabhängiges Rechtssystem, geschweige denn führt er zu mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Russland", sagte Roth in Berlin. "Putin geht offenbar auf Kuschelkurs zum Westen, um die Olympischen Winterspiele in Sotschi nicht zu gefährden." Politischer Widerspruch, Meinungsvielfalt, Opposition und Selbstbestimmung würden vom Kremlchef auch weiterhin nicht geduldet.
Auch Amnesty International freute sich über die Nachrichten aus Moskau. Ihr Russlandexperte Peter Franck sagte aber: "Amnestien sind kein Ersatz für rechtsstaatliche Verhältnisse. Die Frauen von Pussy Riot wurden zu Unrecht verurteilt und mussten ihre Haftstrafe fast vollständig verbüßen." Franck forderte, Tolokonnikowa und Aljochina vollständig zu rehabilitieren. "Andere gewaltlose politische Gefangene wie Michail Chodorkowski und Platon Lebedew sind auch zu Unrecht verurteilt worden. Sie sind sofort und bedingungslos freizulassen."
Die Staatsduma hatte eine Massenamnestie beschlossen, die auch einzelne Putin-Gegner betrifft. Der Strafvollzug hat sechs Monate Zeit, den Gnadenakt umzusetzen. Zuletzt hieß es, die beiden Frauen von Pussy Riot müssten mehrere Dokumente vorlegen, um in Freiheit zu kommen - zum Beispiel einen Nachweis, dass sie das Erziehungsrecht für ihre minderjährigen Kinder haben.
Greenpeace-Aktivisten können auch gehen
Tolokonnikowa und Aljochina sitzen wegen eines Anti-Putin-Protests in einer Kirche ein. Weltweit hatte das Verfahren gegen sie Wellen geschlagen, Menschenrechtler kritisierten die staatliche Willkür. Die Amnestie ist vermutlich auch Teil einer Image-Kampagne: Russland will sich vor den Olympischen Winterspielen in Sotschi im Februar sauber darstellen. Danach könnte wieder ein schärferer Wind wehen.
Putin bestätigte zudem, dass 30 Umweltschützer der Organisation Greenpeace unter den Gnadenakt fielen. Damit kommen sie nicht wegen Rowdytums vor Gericht. Sie können nach ihrem Protest gegen Umweltzerstörung in der Arktis das Land jetzt verlassen.
Chodorkowski ist bereits seit einem Jahrzehnt inhaftiert. Der frühere Oligarch bat unter Verweis auf die Erkrankung seiner Mutter um Gnade. Der einstmals reichste Mann Russlands war Kopf des Jukos-Unternehmensimperiums. Mit Amtsantritt Putins verweigerte Chodorkowski ihm die Gefolgschaft - und wurde prompt ins Lager gesteckt. 2003 nahm die Polizei ihn fest, zwei Jahre später wurde er zusammen mit seinem Geschäftspartner Platon Lebedew wegen Betrugs und Steuerhinterziehung verurteilt. In einem weiteren Prozess wegen Betrugs wurden Chodorkowski und Lebedew Ende 2010 noch einmal zu sechs Jahren Gefängnis verurteilt. Seitdem wurde das Strafmaß um mehrere Jahre verringert.
Quelle: ntv.de, ppo/jtw/dpa/AFP