CDU: "Fatal für Russlands Zukunft" Putin verteidigt Durchsuchungen
05.04.2013, 17:06 Uhr
Wladimir Putin bleibt bei seiner harten Linie.
(Foto: REUTERS)
Seit Wochen werden in Russland ausländische Organisationen durchsucht, die Kritik aus anderen Staaten ist heftig. Doch Staatschef Putin gibt sich vor seinem Deutschland-Besuch unnachgiebig: Die Drangsalierungen sollen weitergehen. Außerdem steht er zu den Waffenlieferungen an Syriens Machthaber Assad. Deutsche Politiker kritisieren in scharfen Tönen.
Russlands Präsident Wladimir Putin hat anlässlich seines Deutschland-Besuchs die Überprüfung deutscher Stiftungen und anderer Organisationen in seinem Land verteidigt. Das Gesetz, wonach Organisationen, die Geld aus dem Ausland bekommen, sich als ausländische Agenten registrieren lassen müssen, "verbietet ja nichts, dieses Gesetz schränkt nichts ein und lässt niemanden dicht machen", sagte Putin in einem ARD-Interview. Selbst innenpolitische Tätigkeiten, die aus dem Ausland finanziert werden, seien in Russland nicht verboten.
"Wir wollen nur wissen, wer dieses Geld bekommt und wofür dieses Geld ausgegeben wird", fügte der russische Staatschef hinzu. Auf den Hinweis des Fragestellers Jörg Schönenborn, dass die deutsche Öffentlichkeit die Razzien in deutschen Stiftungen als Einschüchterungsversuch wahrnehme, entgegnete Putin laut Synchronübersetzung: "Ich glaube, Sie schüchtern die deutsche Öffentlichkeit ein. Es passiert doch gar nichts Ähnliches und man muss die Menschen nicht einschüchtern."
"Eindeutig für Demokratie entschieden"
Die russischen Behörden waren Ende März tagelang gegen Nichtregierungsorganisationen aller Ausrichtungen vorgegangen. Dazu zählten neben den Menschenrechtsoganisationen Amnesty International und Memorial auch die CDU-nahe Konrad-Adenauer-Stiftung und die SPD-nahe Friedrich-Ebert-Stiftung. Ihre Büros wurden durchsucht, Computer wurden vorübergehend beschlagnahmt.
Nach seinem Demokratieverständnis gefragt sagte Putin in dem Interview: "Dass wir uns eindeutig für Demokratie entschieden haben und dass wir uns keinen anderen Entwicklungsweg vorstellen, ist offensichtlich." Es sei aber "auch eine Tatsache", dass "bestimmte Standards, die in den einen Ländern zur Anwendung kommen, nur schwer angewendet werden können in anderen Ländern". Zuletzt hatte Putin sich das Recht zurückerkämpft, die Kandidaten für Gouverneurswahlen selbst auszusuchen.
Scharfe Kritik deutscher Politiker
Die russische Führung schade dem eigenen Land, sagte Andreas Schockenhoff (CDU). "Vor allem eine Politik der Einschüchterung gegenüber Nichtregierungsorganisationen und der Zivilgesellschaft ist fatal für Russlands Zukunft und für dessen Wettbewerbsfähigkeit." Russland werde in der Welt den Anschluss verlieren, wenn es "Modernisierung nur als technische Innovation der alten wirtschaftlichen Strukturen" verstehe. Russlands Wirtschaft beruhe heute stärker als vor zehn Jahren auf dem Export von Energie und Rohstoffen. Das Land sei bei der Diversifizierung der Industrie zurückgefallen.
Drastischer äußerte sich Grünen-Chefin Claudia Roth: "Mit Demokratie hat die Lage in Russland nichts mehr zu tun, man erlebt dort den Despoten Putin", sagte Roth der "Welt". Die Bezeichnung "gelenkte Demokratie" sei eine Beschönigung. Besonders scharf kritisierte die Grünen-Politikerin die jüngsten Durchsuchungen. "Denn das dortige Regime versucht, über den Druck auf die Stiftungen das zivilgesellschaftliche Engagement in Russland zu kriminalisieren und einzuschüchtern, zu diffamieren und zu diskreditieren." Roth forderte, Merkel müsse bei den Gesprächen mit Putin in den kommenden Tagen Klartext reden und die Entwicklung in Russland sowie dessen eigene Rolle thematisieren.
Syrien erhält weiter Waffen
Putin fordert in dem Interview auch einen Stopp von Waffenlieferungen an die syrische Opposition. Er verwies auf einen Zeitungsbericht, nach dem die Oppositionstruppen im syrischen Bürgerkrieg in letzter Zeit mit 3500 Tonnen Munition und Rüstungsgütern versorgt worden seien. "Das muss gestoppt werden", sagte er. Es gebe doch völkerrechtliche Normen, nach denen keine Waffen an Gruppierungen geliefert werden dürften, die ein Land destabilisieren wollen. Die russischen Waffenlieferungen an das Regime von Baschar al-Assad verteidigte Putin dagegen. "Es gibt keine Verbote von Waffenlieferungen an die amtierenden legitimen Regierungen."
Russland zählt zu den wichtigsten Waffenlieferanten des Assad-Regimes. Woher die Waffen der Opposition kommen, ist unklar. Das syrische Regime verdächtigt vor allem die Türkei, Katar und Saudi-Arabien, die Oppositionstruppen in dem bereits zwei Jahre dauernden Bürgerkrieg mit Waffen und Geld zu unterstützen. Auch in der EU hatte es im März eine von Großbritannien und Frankreich angestoßene Diskussion über Waffenlieferungen an die Opposition gegeben. Es gilt aber weiterhin ein EU-Waffenembargo für das arabische Land.
Kritik an Zwangsabgaben
Putin äußerte sich auch zur Zypern-Rettung und der damit verbundene Sonderabgabe für vermögende Bankkunden, darunter viele Russen. Dass es zur "Enteignung der Anleger" komme, sei ein "Vertrauensverlust gegenüber dem Bankensystem der Eurozone." Obwohl die Anleger "gegen nichts verstoßen hätten", würden ihre Guthaben über 100.000 Euro mit bis zu 60 Prozent "angezapft". Bei der Schnürung des Zypern-Pakets fühlte sich Putin nicht übergangen. In gewisser Weise freue er sich sogar darüber, dass die EU ihn nicht früher einbezogen habe, antwortete er auf eine entsprechende Frage. Denn dadurch sei deutlich geworden, "wie inkonsistent und wie unzuverlässig" die Einlagen bei westlichen Banken seien.
Gleichzeitig äußerte er sich aber auch positiv über Europa und den Euro: "Wir vertrauen der Wirtschaftspolitik der europäischen Großmächte und der wirtschaftlichen Politik der Bundesrepublik Deutschland." Es gebe zwar in vielen anderen Fragen Meinungsverschiedenheiten. "Aber bezüglich grundlegender Fragen glauben wir, dass man dort richtig handelt, auf dem richtigen Wege ist."
Quelle: ntv.de, che/AFP/dpa