Rechtsruck in Frankreich Raffarin bildet Regierung neu
16.06.2002, 00:01 UhrDer französische Premierminister Jean-Pierre Raffarin hat drei populäre Frauen in sein neues Kabinett geholt, die Schlüsselpositionen aber unverändert gelassen. Einen Tag nach dem Wahltriumph der gemäßigten Rechten bei den Parlamentswahlen in Frankreich präsentierte der Regierungschef am Montagabend bereits seine Kabinettsliste.
Die Ärztin und Astronautin Claudie Haigner (45) wird für Forschung und Technologie zuständig sein. Sie sorgte Ende vergangenen Jahres für Schlagzeilen, als sie als erste Europäerin zur Internationalen Raumstation (ISS) flog. Die frühere Präsidentin des Europa-Parlaments, Nicole Fontaine, rückt als beigeordnete Ministerin für Industrie ins Kabinett. Zur neuen Europaministerin wurde Nolle Lenoir, ehemaliges Mitglied des Verfassungsrates und Spezialistin für Bioethik, ernannt.
Zwei-Drittel-Mehrheit für Konservative
Am Sonntag hatte das konservative Wahlbündnis bei der zweiten Runde der Parlamentswahl einen überwältigenden Sieg errungen. Danach wird das bürgerliche Lager um Präsident Jacques Chirac künftig mehr als zwei Drittel der Abgeordneten in der Nationalversammlung stellen.
Die Konservativen um Chirac errangen 399 von 577 Sitzen. Nach der offiziellen Auszählung kommt allein Chiracs neue Dachpartei UMP auf 355 Sitze im Parlament. Die Linke wurde nach fünf Jahren als beherrschende Kraft abgelöst und verfügt in der Nationalversammlung nur noch über 178 Sitze. Davon entfallen unter anderen 140 auf die Sozialistische Partei, 21 auf die Kommunisten und 3 auf Grüne.
Die Kommunistische Partei hat damit ihren Fraktionsstatus im Parlament retten können. Ihr Chef Robert Hue verpasste jedoch seine Wiederwahl knapp. Trotz des starken Abschneidens von Jean-Marie Le Pen bei der vorangegangenen Präsidentenwahl bleibt die rechtsextreme Nationale Front (FN) in der Nationalversammlung weiterhin ohne Sitz.
Wahlbeteiligung auf Rekord-Tiefstand
Bei der Wahlbeteiligung gab es mit 61,5 Prozent einen Rekord-Tiefststand in der französischen Nachkriegsgeschichte. "Es ist wahr, alle sind etwas gelangweilt von der Wahl, besonders da wir mittlerweile das vierte Mal wählen müssen ", brachte ein 20-Jähriger die Wahlmüdigkeit seiner Landsleute auf den Punkt. Vor wenigen Wochen hatten die Franzosen in zwei Durchgängen ihren Präsidenten für die kommenden fünf Jahre bestimmt. Vergangenen Sonntag fand die erste Runde der Parlamentswahl statt.
In den vergangenen fünf Jahren hatte das rot-grüne Lager die Mehrzahl der Abgeordneten im Parlament gestellt. Frankreich ist nach Österreich, Italien, Dänemark, Portugal und den Niederlanden schon das sechste EU-Land, in dem in jüngster Vergangenheit eine sozialdemokratische Regierung durch konservative Kräfte abgelöst wird.
Quelle: ntv.de