Politik

Syriens Opposition bildet Regierung Raketen auf Aleppo abgefeuert

Ein Soldat der Freien Syrischen Armee kämpft nahe des Dorfs Yacoubieh in der nordsyrischen Provinz Idlib.

Ein Soldat der Freien Syrischen Armee kämpft nahe des Dorfs Yacoubieh in der nordsyrischen Provinz Idlib.

(Foto: AP/dpa)

Seit fast zwei Jahren kämpfen Oppositionelle gegen das Regime von Syriens Präsident Assad. Nun wollen sie in den sogenannten befreiten Zonen eine Übergangsregierung bilden. Doch gleichzeitig erlebt das Land eine neue Welle der Gewalt. Nach der Anschlagsserie in Damaskus wird Aleppo von mehreren Raketen getroffen.

In der syrischen Großstadt Aleppo sind nach Angaben der Opposition mehrere Raketen eingeschlagen. Mindestens zwölf Menschen seien bei dem Angriff auf zwei Viertel im Osten der Stadt getötet worden. Es gebe mehr als 50 Verletzte. Viele Familien seien unter den Trümmern ihrer Häuser verschüttet worden, berichtete ein Angehöriger der Opposition per Telefon. "Es ist unbeschreiblich, es ist ein schrecklicher Anblick", sagte er, nachdem er die Schäden in seinem Wohnviertel Ard al-Hamra gesehen hatte.

Die syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte, die der Opposition gegen Präsident Baschar al-Assad nahe steht, teilte mit, drei Explosionen hätten Aleppo erschüttert. 30 Häuser seien zerstört worden. Die Zahl der Todesopfer werde sicherlich noch steigen.

Derweil kündigte die syrische Opposition die Bildung einer Übergangsregierung für die von ihr kontrollierten Gebiete an. Sprecher Walid al-Bonni teilte mit, dass sich die seit Donnerstag in Kairo tagende Nationale Koalition auf die Bildung einer Regierung für die "befreiten Zonen" geeinigt habe. Bei einem weiteren Treffen am 2. März werde sie über die Zusammensetzung dieser Regierung und ihren Chef entscheiden. Das Treffen wird laut anderen Oppositionspolitikern in Istanbul stattfinden. Die Aufständischen kämpfen seit Mitte März 2011 gegen Präsident Baschar al-Assad, der Konflikt hat sich zu einem Bürgerkrieg entwickelt, in dem nach UN-Schätzungen bislang mehr als 70.000 Menschen getötet wurden.

Hunderte Dschihadisten aus Europa

Der Bürgerkrieg zieht inzwischen offenbar auch Dschihadisten aus Europa an. Wie der "Tagesspiegel" unter Berufung auf Sicherheitskreise berichtete, reisten seit vergangenem Jahr etwa 200 europäische Islamisten in das Bürgerkriegsland, etwa die Hälfte aus Großbritannien. Aus Deutschland seien seit Beginn dieses Jahres mindestens ein halbes Dutzend Salafisten nach Syrien gelangt, vor allem aus Berlin, hieß es. Sie sollen mit der Al-Nusra-Front kämpfen, die von den USA bereits als Terrororganisation eingestuft wird. Der radikal-islamischen Miliz sollen mehrere Tausend Kämpfer angehören, unter ihnen auch Afghanen, Libyer und Tschetschenen.

Bei den Anschlägen in Damaskus waren nach Schätzungen der Opposition 90 Menschen ums Leben gekommen. Das Bild stammt von der offiziellen syrischen Agentur Sana.

Bei den Anschlägen in Damaskus waren nach Schätzungen der Opposition 90 Menschen ums Leben gekommen. Das Bild stammt von der offiziellen syrischen Agentur Sana.

(Foto: AP/dpa)

Russland warf den USA unterdessen vor, in der Syrien-Politik mit zweierlei Maß zu messen. Es sei enttäuschend, dass die US-Regierung im UN-Sicherheitsrat eine Verurteilung des jüngsten Autobombenanschlags in Damaskus verhindert habe, sagte Außenminister Sergej Lawrow in Moskau. "Wir sehen darin eine Doppelmoral", betonte der Minister. Es sei eine gefährliche Entwicklung, wenn sich die USA vom Prinzip der "bedingungslosen Verurteilung von Terrortaten" verabschiedeten, sagte er bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit seinem chinesischen Amtskollegen.

Russland gehört zu den letzten internationalen Verbündeten Assads und hat als Vetomacht im Sicherheitsrat drei Mal Resolutionen verhindert, mit denen Assad unter Druck gesetzt werden sollte. Russland lehnt zudem einen Korridor für humanitäre Hilfe in Syrien ab. Dies führe zu einer unnötigen Politisierung der bereits laufenden Hilfslieferungen, hieß es in einer Erklärung des Ministeriums.

90 Tote bei Anschlagsserie

Bei der Anschlagsserie in Damaskus wurden nach UN-Schätzungen etwa 100 Menschen getötet, 250 seien verletzt worden, hieß es. Nach Schätzungen der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte seien mindestens 60 Menschen allein durch den Autobombenanschlag in der Nähe eines Gebäudes der regierenden Baath-Partei und der russischen Botschaft im Stadtteil Masraa umgekommen. Bei drei weiteren offenbar koordinierten Anschlägen auf Gebäude der Sicherheitskräfte im nördlichen Stadtteil Barse wurden demnach mindestens 22 Menschen getötet. Syrische Staatsmedien hatten die Zahl der Toten mit 53 angegeben, die der Verletzten mit 235. Nach Angaben aus Moskau wurde auch die russische Botschaft beschädigt.

Die anderen Opfer wurden der Gruppe zufolge bei drei weiteren koordinierten Anschlägen im nordöstlichen Stadtbezirk Barse getötet. Die Beobachtungsstelle beruft sich bei ihren Angaben auf Informationen aus Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen. Bislang bekannte sich niemand zu den Anschlägen. Die Regierung gab "Terroristen" die Schuld. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana berichtete, dass kurz nach den Explosionen im Zentrum der Hauptstadt ein mutmaßlicher Selbstmordattentäter mit Sprengstoff im Auto festgenommen worden sei.

Der Donnerstag war der Beobachtungsstelle zufolge einer der schlimmsten Tage des Bürgerkrieges, der aus einer Revolte gegen Assad hervorgegangen war. Fast 290 Menschen wurden insgesamt landesweit getötet. So starben etwa bei einem Luftangriff auf ein medizinisches Zentrum in der südlichen Provinz Daraa 18 Menschen, bei einer Explosion wurden außerdem sechs Frauen und ein Kind derselben Familie getötet.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch forderte derweil den freien Zugang unabhängiger Beobachter zu syrischen Gefängnissen und appelliert an den Weltsicherheitsrat. Das UN-Gremium solle beim syrischen Regime darauf pochen, dass internationale Beobachter alle Haftanstalten ungehindert betreten dürften, erklärte die Gruppe in New York und wies auf mehrere Todesfälle in den Gefängnissen hin. Der jüngste Fall habe sich erst am Samstag vergangener Woche ereignet. Der Friedensaktivist Omar Asis sei in Haft an Herzbeschwerden verstorben.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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