Streit um Haftung beim Netzausbau Regierung findet Kompromiss
23.08.2012, 19:56 Uhr
Endlich wieder Harmonie: Umweltminsiter Altmaier und Verbraucherministerin Aigner haben ihren Streit über Haftungsregeln für Windparks offenbar beigelegt.
(Foto: dpa)
Wer soll dafür zahlen, wenn Offshore-Windparks wegen schleppenden Netzausbaus nicht rechtzeitig Strom liefern können? Nicht nur die Verbraucher, sondern auch Unternehmen und Netzbetreiber - darauf hat sich jetzt offenbar die Regierungskoalition geeinigt. Juristische Bedenken bleiben.
Die Bundesregierung will die Verbraucher bei Anschlussproblemen von Windparks in Nord- und Ostsee weniger stark zur Kasse bitten als bisher geplant. Im regierungsinternen Streit um das Abwälzen von Schadenersatzzahlungen auf den Strompreis zeichnet sich eine entsprechende Einigung ab. Danach sollen sich die verantwortlichen Netzbetreiber stärker beteiligen, wenn sich der Anschluss verzögert oder Stromleitungen ausfallen.
Diese Beteiligung soll statt 90 nun maximal 100 Millionen Euro pro Jahr betragen, um die Belastungen für die Bürger geringer zu halten. Zudem sollen auch Unternehmen bis zu einem Stromverbrauch von einer Million Kilowattstunden (kWh) die volle Haftungsumlage von 0,25 Cent je kWh zahlen, die über die Netzentgelte auf den Strompreis aufgeschlagen werden soll. Unternehmen mit einem höheren Verbrauch müssen nur 0,05 Cent Umlage mittragen. Bisher war geplant, dass ab einem Verbrauch von 100.000 kWh die geringere Haftungsumlage gezahlt werden soll. Wenn Vorsatz bei Anschlussproblemen nachgewiesen wird, müssen Netzbetreiber allein den Schaden tragen.
Netzbetreiber fehlen 15 Milliarden Euro für Ausbau
CSU-Verbraucherministerin Ilse Aigner hatte zunächst wegen zu hoher Verbraucherbelastungen von Wirtschaftsminister Philipp Rösler von der FDP und Umweltminister Peter Altmaier von der CDU eingelegt. In Regierungskreisen hieß es nun aber, mit den Änderungen könne das Kostenrisiko gehandhabt werden. Das Kabinett soll den Kompromiss schon am Mittwoch beschließen. Es werde alles getan, um eine "geschlossene Vorlage einzubringen", sagte Altmaier.
Aus Regierungskreisen hieß es: Die Belastungen für die Bürger seien überschaubar, die Umlage zur Förderung erneuerbarer Energien sei ein weit größerer Kostentreiber beim Strompreis. Aufgrund der derzeitigen Verzögerungen beim Netzanschluss könne 2013 eine Schadenersatzsumme von rund einer Milliarde Euro fällig werden.
Die Regierung hofft, dass mit der Regelung von Haftungsfragen und Schadenersatzzahlungen Investoren ihre Zurückhaltung aufgeben und Kapital für den Netzausbau bereitstellen. Dem niederländischen Netzbetreiber Tennet fehlen in den nächsten Jahren bis zu 15 Milliarden Euro, um die teuren Seekabel zu verlegen. Das Ziel von 10.000 Megawatt installierter Offshore-Leistung bis 2020 ist wegen der Verzögerungen wahrscheinlich nicht mehr zu schaffen.
Juristische Bedenken
Die Verbraucherzentrale Bundesverband hat trotz des Kompromisses gegen das teilweise Abwälzen der Offshore-Kosten auf die Bürger. "Mit großer Sorge verfolgen wir die geplante Änderung des Energiewirtschaftsgesetzes und die dort vorgesehene Einführung neuer Haftungsregelungen für die Anbindung von Offshore-Windkraftanlagen", heißt es in einem Schreiben von Vorstand Gerd Billen an die FDP-Justizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger.
Hinter dem nun offenbar beigelegten Streit über die Haftungsregeln von Aigner, Rösler und Altmaier wurden zunächst auch regionalpolitische Motive vermutet. Süddeutsche Länder wie Bayern dringen darauf, vorrangig den Ausbau der Windenergie an Land voranzubringen sowie neue Kohle- und Gaskraftwerke als Ersatz für abzuschaltende Atomkraftwerke zu bauen. Dagegen setzen die norddeutschen Küstenländer als Akw-Ersatz auf die neuen Offshore-Windparks.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP