Politik

Aufstände in Syrien brutal bekämpft Regime verhaftet Hunderte

Der syrische Präsident Assad versucht mit Gewalt, die Aufstände zu beenden. Das Militär marschiert in Daraa ein, dutzende Menschen sterben. Das Regime setzt auch auf Verhaftungen von Oppositionellen. Etwa 500 Menschen seien festgenommen worden, sagen Bürgerrechtler. Die USA drohen mit Sanktionen und evakuieren teilweise ihre Botschaft.

"Stoppt das Töten", fordert dieser Junge in Daraya.

"Stoppt das Töten", fordert dieser Junge in Daraya.

(Foto: AP)

Das syrische Regime geht trotz Sanktionsdrohungen aus dem Ausland weiter mit brutaler Gewalt gegen die Protestbewegung vor. Die staatliche Nachrichtenagentur Sana meldete, die Armee sei "auf Bitten der Bewohner von Daraa" in der Stadt einmarschiert. Daraa ist eine Hochburg der Regimegegner, die seit Mitte März gegen Präsident Baschar al-Assad und seine Regierung protestieren.

Sicherheitskräfte schossen nach Angaben eines Menschenrechtsaktivisten erneut auf Demonstranten. "Die Schüsse auf die Einwohner gehen weiter", sagte Abdallah Abasid, der sich in Daraa aufhielt. Auf einem Platz im Stadtzentrum stehe ein Panzer, auch vor den Toren Daraas seien Sperren und Panzer aufgestellt, fügte er hinzu. Eine Moschee in Daraa werde beschossen und auf einem anderen Gotteshaus sei ein Scharfschütze postiert.

Am Montagmorgen waren nach Angaben von Oppositionellen Tausende von Soldaten und Angehörigen der Spezialeinheiten mit Panzern und Scharfschützen in die Stadt eingedrungen. Die Regimegegner sprachen von 20 getöteten Zivilisten. Sana meldete, sowohl in den Reihen der Sicherheitskräfte als auch aufseiten der "extremistischen Terrorgruppen" habe es zahlreiche Tote und Verletzte gegeben. Amnesty International sprach von einer "brutalen Reaktion auf die Forderungen des Volkes".

Die Regierung setzt nach Angaben von Bürgerrechtlern zudem auf Massenfestnahmen. Sicherheitskräfte hätten im ganzen Land rund 500 Anhänger der Demokratiebewegung festgenommen, teilte die unabhängige syrische Organisation Sawasiah mit. Aus der Stadt Duma hieß es, die Sicherheitskräfte seien mit Namenslisten von Haus zu Haus gegangen und hätten Dutzende Menschen abgeführt. In Homs sollen uniformierte Männer versucht haben, in das Al-Barr-Krankenhaus einzudringen, in dem verletzte Demonstranten behandelt wurden. In Naime außerhalb von Daraa suchten sie auf den Mobiltelefonen der Bewohner nach Aufnahmen von Protesten. Unterstützer der Proteste erklärten, in mehreren Ortschaften der Region Hauran seien die Strom- und Wasserversorgung und die Telefonverbindungen gekappt worden.

Sanktionen und Reisewarnungen

Das Militär war mit Panzern in Daraa einmarschiert.

Das Militär war mit Panzern in Daraa einmarschiert.

(Foto: REUTERS)

Die USA verurteilten die blutigen Militäreinsätze scharf und drohten dem Regime in Damaskus mit "gezielten Sanktionen". Die US-Führung prüfe eine Reihe von Optionen als Reaktion auf die nicht zu akzeptierende Gewalt gegen Demonstranten, sagte ein Regierungssprecher im Weißen Haus. Eine der Optionen seien Sanktionen. Auch Großbritannien wollte internationale Maßnahmen gegen Syrien anschieben. Großbritannien bemühe sich um ein klares Signal des UN-Sicherheitsrats an Syrien, sagte Außenminister William Hague in London. Mit den Partnern in der EU und denen in Arabien strebe man zudem weitere Maßnahmen an. Syrien müsse die Menschenrechte sowie die Meinungs- und Versammlungsfreiheit einhalten.

Das amerikanische Außenministerium forderte derweil die US-Bürger in Syrien zum Verlassen des Landes auf. Alle nicht zwingend notwendigen Reisen sollten unterbleiben. Auch Mitarbeiter der US-Botschaft, die nicht unbedingt vor Ort erforderlich seien, und Familienangehörige des Botschaftspersonals seien angewiesen worden, abzureisen, berichteten US-Medien. Die Botschaft in Damaskus werde geöffnet bleiben, aber die Dienstleistungen würden eingeschränkt. Auch das Auswärtige Amt rät derzeit dringend von Reisen nach Syrien ab. Deutschen in Syrien werde geraten, auszureisen, heißt es. Das Auswärtige Amt rät darüber hinaus, Menschenansammlungen und Demonstrationen zu meiden.

Schutz für syrische Christen gefordert

Außenminister Guido Westerwelle zeigte sich "sehr besorgt" über die Gewalt in Syrien. In der "Bild"-Zeitung forderte er Präsident Assad "dringend auf, die Bürger- und Menschenrechte zu respektieren". Die Grünen sprachen sich für schnelle Sanktionen aus. "Der Westen darf nicht schweigend zusehen, wenn ein weiteres Regime mit Blutvergießen auf friedliche Demonstrationen antwortet", sagte Grünen-Parteichefin Claudia Roth der "Rheinischen Post".

Der außenpolitische Sprecher der Unions-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, sieht die christliche Minderheit in Syrien durch den Bürgerkrieg gefährdet. Falls die Christen Opfer von Gewalt würden, müsse die Bundesregierung aktiv werden, forderte der CDU-Politiker. "Notfalls sollte Deutschland eine kurzfristige Aufnahme wie schon im Irak anbieten."

Grenze zu Jordanien geschlossen

Fahrer warten an der geschlossenen jordanisch-syrischen Grenze vor einem Bild des jordanischen Königs Abdullah.

Fahrer warten an der geschlossenen jordanisch-syrischen Grenze vor einem Bild des jordanischen Königs Abdullah.

(Foto: REUTERS)

Inmitten des Militäreinsatzes schloss die syrische Regierung die Grenze zum Nachbarland Jordanien. Die Entscheidung habe Damaskus einseitig getroffen, zitierte die amtliche jordanische Nachrichtenagentur Petra einen Sprecher der Regierung in Amman. Der syrische Zoll-Generaldirektor Mustafa Bukai bestritt die Schließung. "Der Verkehr von Autos und Waren läuft normal", sagte er laut der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur Sana.

Die von den Aufständen in anderen arabischen Ländern inspirierte Protestbewegung in Syrien hatte zunächst lediglich demokratische Reformen gefordert. Nachdem die Sicherheitskräfte mehrere Demonstranten erschossen hatten, riefen sie jedoch nach einem Sturz des Regimes auf. Niemand weiß genau, wie viele Demonstranten bisher getötet wurden. Die Opposition benennt mehr als 350 Opfer. Alleine am vergangenen Freitag sollen 112 Aktivisten getötet worden sein.

Präsident Assad, der nach dem Tod seines Vaters Hafis al-Assad 2000 an die Macht gekommen war, hatte in den vergangenen Tagen mehrere Reformen angekündigt und zum Teil auch beschlossen. Die Aufhebung des seit Jahrzehnten bestehenden Ausnahmezustandes - eine der zentralen Forderungen der Opposition - hatte bislang jedoch keine praktischen Auswirkungen, da die Sicherheitskräfte und Spezialeinheiten des Regimes immer noch mit unerbittlicher Härte gegen die Demonstranten vorgehen.

Quelle: ntv.de, dpa/AFP/rts

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