Erbrecht und Ökostrom Rekordsitzung im Bundestag
03.07.2009, 07:47 UhrDer Bundestag hat in der Nacht zum Freitag seinen erst zwei Wochen alten Sitzungsrekord noch einmal überboten. Erst um 1.08 Uhr erklärte Parlamentsvizepräsident Hermann Otto Solms (FDP) die Sitzung für geschlossen. Bei der bisher längsten Bundestags-Sitzung der laufenden Legislaturperiode hatten die Abgeordneten in der Nacht vom 18. zum 19. Juni lediglich bis 1.01 Uhr im Plenum ausgeharrt.
Schon am frühen Morgen begann die Plenarsitzung mit einer Regierungserklärung der Kanzlerin, in der sie die Vorhaben Deutschlands für den G8-Gipfel umriss. Wichtigste Themen des weiteren Tages waren die Entscheidungen über den Einsatz der AWACS-Flugzeuge in Afghanistan sowie über den zweiten Nachtragshaushalt für 2009. Daneben brachten die Parlamentarier noch weitere Gesetzesvorhaben auf den Weg.
Erbrecht ins 21. Jahrhundert überführt
Das mehr als 100 Jahre alte Erbrecht wird reformiert. Mit einer Gesetzesnovelle werden die möglichen Gründe für eine Enterbung den Wertvorstellungen des 21. Jahrhunderts angepasst.

Erst weit nach Mitternacht konnten sich die Abgeordneten in den Feierabend verabschieden.
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Geregelt wurde unter anderem, dass ein Verwandter nicht mehr - wie bisher - wegen eines "ehrlosen oder unsittlichen Lebenswandels" leer ausgehen. Zur Entziehung des Pflichtteils berechtigt nur noch die Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung.
Große praktische Bedeutung dürfte die neu eingeführte Privilegierung von Schenkungen haben. Für die Berechnung des Pflichtteils werden Schenkungen künftig umso weniger berücksichtigt je länger sie zurückliegen. Eine Schenkung im ersten Jahr vor dem Erbfall wird voll in die Berechnung des Nachlasses einbezogen, zwei Jahre davor jedoch nur noch zu neun Zehntel und in jedem weiteren Jahr um je ein Zehntel weniger.
Optionszwang bleibt
In Deutschland geborene Ausländerkinder müssen sich als Erwachsene weiterhin zwischen einem deutschen Pass und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden. Die Forderung der Grünen nach Abschaffung des sogenannten Optionszwangs wurde mit deutlicher Mehrheit abgelehnt.
Neben CDU/CSU und FDP stimmten auch die Sozialdemokraten gegen den Grünen-Antrag, obwohl sie die Optionsregelung eigentlich ebenfalls streichen wollen. Der migrationspolitische Sprecher der SPD-Fraktion, Rüdiger Veit, verwies auf den Koalitionsvertrag mit der Union, der ein unterschiedliches Abstimmungsverhalten grundsätzlich ausschließt.
Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 erhalten die Kinder von Ausländern neben der Staatsbürgerschaft ihrer Eltern automatisch die deutsche Staatsbürgerschaft, wenn sie in Deutschland geboren sind. Zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr müssen sie sich aber für eine der beiden Staatsbürgerschaften entscheiden. Diese Regelung wurde damals auf Druck der Union eingeführt, die doppelte Staatsbürgerschaften grundsätzlich ablehnt.
Ökostrom soll Umwelt schonen
Für die Erzeugung von Ökostrom sollen vom kommenden Jahr an nur noch umweltfreundliche Pflanzenöle verwendet werden. Laut einer entsprechender Regierungsverordnung wird Strom aus sogenannter Biomasse nur noch bei "nachhaltiger" Produktion nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) gefördert. So soll verhindert werden, dass bei der Herstellung von Ökostrom letztlich Regenwald vernichtet wird.
Raps-, Palm- und Sojaöl, für die es eine EEG-Vergütung gibt, müssen künftig so hergestellt werden, dass bei der Stromerzeugung mindestens 35 Prozent weniger Treibhausgase frei werden als etwa bei Kohle oder Erdgas. Bis 2018 soll die Vorgabe auf 60 Prozent erhöht werden. Die Pflanzen dürfen zudem nicht in Regenwäldern oder Feuchtgebieten angebaut werden. Der Bauernverband lehnte die Neuregelung ab, weil die Koalition über entsprechende EU-Regelungen hinausgehe.
CO2-Emission kosten
Im Kampf gegen das Treibhausgas Kohlendioxid müssen die deutschen Stromerzeuger ihre Berechtigungen zum CO2-Ausstoß vom kommenden Jahr an teilweise ersteigern. Jährlich sollen 40 Millionen Emissionszertifikate der Kraftwerksbetreiber für die Jahre 2010 bis 2012 versteigert werden. Das entspricht allerdings nur 10 Prozent der ihnen zugewiesenen Mengen, 90 Prozent werden weiterhin kostenlos zugeteilt.
Wer mit der zugeteilten Menge nicht auskommt, muss an der Börse zusätzliche Verschmutzungszertifikate kaufen. Wer CO2 einspart, kann hingegen Berechtigungsscheine verkaufen. Der CO2-Emissionshandel war 2005 mit einer zunächst kostenlosen Zuteilung der Zertifikate eingeführt worden. Ab 2013 müssen die Kraftwerksbetreiber die Papiere in vollem Umfang ersteigern. Experten rechnen dann mit einer erneuten Welle an Strompreiserhöhungen.
Quelle: ntv.de, dpa