Politik

Lachnummer oder Gesamtkunstwerk Rettungsversuche fürs Steuerpaket

Nach der Zustimmung des Bundestags zum Wachstumsgesetz soll nun doch mit Zusagen an die Länder eine Mehrheit im Bundesrat gesichert werden. Der besonders renitente Kieler Regierungschef Carstensen soll offenbar bei einem "Krisentreffen" im Kanzleramt wenige Tage vorher extra weichgeklopft werden.

Bislang erklärte das Kanzleramt, dass es ein Herauskaufen eines Bundeslandes für die Zustimmung zum Wachstumsgesetz nicht geben werde.

Bislang erklärte das Kanzleramt, dass es ein Herauskaufen eines Bundeslandes für die Zustimmung zum Wachstumsgesetz nicht geben werde.

(Foto: dpa)

Alles schaut nun auf den Bundesrat: Am 18. Dezember entscheiden die Bundesländer, ob das heiß umstrittene Wachstumsbeschleunigungsgesetz wie geplant am 1. Januar 2010 in Kraft treten kann. Einige CDU/FDP-geführte Länder - vor allem Schleswig-Holstein - lehnen die im Eilverfahren durchgesetzten Gesetzespläne unter Hinweis auf die leeren Länderkassen ab. Stimmt Schleswig-Holstein wie angedroht nicht zu, kippt das Gesetz, zumindest vorerst: Schwarz-Gelb hat in der Länderkammer nur eine knappe Mehrheit.

Schnittchen für alle

Bund und Länder loten daher mögliche Ausgleichszahlungen für die Steuerausfälle aus. Bisher haben es Bundeskanzlerin Angela Merkel und Finanzminister Wolfgang Schäuble (beide CDU) aber abgelehnt, die Zustimmung einzelner Länder zum Gesetz zu "erkaufen".

Offenbar will die Bundesregierung nun den Ländern mehr Geld für Bildung geben, um deren erwartete Steuerausfälle zu kompensieren. Der Bund werde den Ländern entgegenkommen, sagte Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) dem "Tagesspiegel am Sonntag". Diese hätten ein nachvollziehbares Interesse, dass sich der Bund stärker engagiere. Die Sorgen der Länder würden ernst genommen. "Wir arbeiten deshalb an einem politischen Gesamtkunstwerk", sagte Schavan.

Zwei Tage vor der Bundesratsabstimmung will die Bundesregierung dem Bericht zufolge bei einem Bildungsgipfel vorschlagen, sich stärker als bisher an den Bildungsinvestitionen zu beteiligen. Derzeit trägt der Bund demnach acht Prozent der Investitionen für Bildung und Forschung, die bis 2015 insgesamt auf zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes gesteigert werden sollen. Die Länder seien mit 51 und die Kommunen mit 17 Prozent daran beteiligt. Die übrigen 24 Prozent trage die Wirtschaft, insbesondere für die Berufsausbildung.

Als Tiger gesprungen ...?

Carstensen liegt in erster Linie das Wohl Schleswig-Holsteins am Herzen.

Carstensen liegt in erster Linie das Wohl Schleswig-Holsteins am Herzen.

(Foto: dpa)

Auch Schleswig-Holstein fordert einen Ausgleich für die Steuerausfälle. Nach "Focus"-Informationen wollen nun Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminister Guido Westerwelle (FDP) am Sonntag (13. Dezember) vor der Bundesratsabstimmung Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) sowie FDP-Landesfraktionschef Wolfgang Kubicki in Berlin zu einem Krisengespräch "empfangen". Auch Kanzleramtschef Ronald Pofalla (CDU) solle an dem Treffen teilnehmen. Das Kanzleramt wollte sich zu dem Termin nicht äußern.

Nach einem Bericht des "Spiegel" hat Carstensen bei einer internen Sitzung in Lübeck über Signale aus Berlin gesprochen, dass man zu einer Lösung finden könne. In Kieler Regierungskreisen ist demnach von einem Entgegenkommen bei den Hartz-IV-Wohnungskosten des Bundes die Rede.

Auch der saarländische Ministerpräsident Peter Müller (CDU) droht, dem Wachstumsbeschleunigungsgesetz die Zustimmung in der Länderkammer zu verweigern. Das geplante Gesetz belaste die Länder zusätzlich, sagte Müller zu "Focus". Wer an der Schuldenbremse festhalten wolle, dürfe vor allem die finanzschwachen Konsolidierungsländer nicht zusätzlich belasten. "Wir können die Lasten nicht tragen", sagte Müller. "Das steht einer Zustimmung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz entgegen."

Mit einem Ja Thüringens war ohnehin nicht gerechnet worden, da die an der Regierung beteiligten Sozialdemokraten die Regierungspläne ablehnen. So hatte sich nach anderen CDU-Ministerpräsidentin auch die Erfurter Regierungschefin Christine Lieberknecht gegen die geplanten Steuersenkungen gestellt: Das gebiete "die Verantwortung für das Land und den Haushalt".

Sachsens schwarz-gelbe Landesregierung will sich ihre Entscheidung zum nationalen Steuerpaket bis zum 18. Dezember offen halten. "Mir fiele die Zustimmung zum Wachstumsbeschleunigungsgesetz deutlich leichter, wenn wir die Handlungsspielräume aus dem eigenen Haushalt nutzen könnten", sagte Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) dem "Hamburger Abendblatt". Sachsen wolle sich nicht vom Bund zur Aufnahme von Schulden zwingen lassen. Die Bundesländer bräuchten nach Tillichs Worten mehr Eigenständigkeit in der Finanzpolitik. "Sachsen soll nicht auf ewig Annex (Anhängsel) des Bundeshaushaltes sein", so Tillich.

Der designierte Ministerpräsident von Baden-Württemberg, Stefan Mappus (CDU), rügte derweil Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust (CDU), der die Länder zum vereinten Widerstand gegen den Bund aufgefordert hatte. "Ich halte diese Äußerung für nicht tragbar", sagte Mappus zu "Focus". Alle Ministerpräsidenten hätten vor der Wahl die Zusagen gekannt. "Jetzt öffentlich quasi dazu aufzurufen, das Gegenteil zu sagen, halte ich für illoyal und für die CDU schädlich."

Lösungen gibt es immer wieder

Der Bundestag hat zugestimmt: Familien, Unternehmen und Erben sollen um bis zu 8,5 Milliarden Euro entlastet werden.

Der Bundestag hat zugestimmt: Familien, Unternehmen und Erben sollen um bis zu 8,5 Milliarden Euro entlastet werden.

(Foto: dpa)

Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) ist trotz des Länderwiderstands zuversichtlich für eine mehrheitliche Zustimmung im Bundesrat. "Allen ist klar, dass wir dieses Gesetz brauchen", sagte er den "Ruhr Nachrichten". Auch FDP-Fraktionschefin Birgit Homburger gibt sich in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" optimistisch: "In der Endphase von Verhandlungen gibt es einen hohen Druck. Dann werden immer Lösungen gefunden."

"Eine einzige Lachnummer"

Besonders kritisiert wird an dem Steuerpaket, das Entlastungen im Gesamtumfang bis zu 8,5 Milliarden Euro im Jahr vor allem für Familien, Erben, Unternehmen und das Hotelgewerbe vorsieht, die geringere Mehrwertsteuerbelastung für Hotelübernachtungen. Das Vorhaben sei eine "einzige Lachnummer", sagte der Vorsitzende der Gewerkschafts Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG), Franz-Josef Möllenberg,  der Zeitung "Rheinpfalz am Sonntag". Das Steuergeschenk bringe weder den Hotelgästen noch den Beschäftigten einen Vorteil. Denn das Gesetz sehe keinerlei Auflagen für die Unternehmen vor. Insofern trügen die Steuersenkungspläne weder zu mehr Wachstum noch zur Wachstumsbeschleunigung bei.

Für Gaststätten dagegen sei es überfällig, den niedrigeren Mehrwertsteuersatz für Speisen und Getränke einzuführen, wie es unter anderem in Frankreich der Fall sei. Allerdings sei dort die Steuersenkung an Bedingungen geknüpft, etwa neue Arbeitsplätze zu schaffen oder die Preise zu senken.

Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) Berlin, Klaus Zimmermann, hält den ermäßigten Mehrwertsteuersatz für "Klientelpolitik". Der "Bild"-Zeitung sagte er: "Die Steuersenkung wird nur die Branche subventionieren." Die Ermäßigung habe nichts mit der Deckung von Grundbedarf zu tun, sondern habe stattdessen "einen Geschmack von Willkür".

Zimmermann schätzt ein, dass das Wachstumsbeschleunigungsgesetz insgesamt kaum wirtschaftliche Impulse geben werde: "Dieses Gesetz ist weder Wachstum noch Beschleunigung."

Quelle: ntv.de, hdr/dpa/rts/AFP

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