"Beitragszahler als Bittsteller" Rösler kämpft um seine Reform
05.09.2010, 21:51 UhrDie Uhr tickt für Gesundheitsminister Rösler. Seine hart umkämpfte Gesundheitsreform soll in Kürze über den Tisch des Kabinetts gehen. Nach einer schnellen Einigung sieht es in der Koalition aber nicht aus. Vor allem die CSU hat noch viele Fragen - und sorgt sich um die Gerechtigkeit.
Zweieinhalb Wochen vor dem geplanten Kabinettsbeschluss zur Gesundheitsreform ringt die Koalition weiter um die umstrittenen Zusatzbeiträge plus Sozialausgleich. Dabei geht es vor allem um die Frage, wie der Sozialausgleich gerecht gestaltet werden kann, wenn krankenversicherte Arbeitnehmer mehrere Einkünfte beziehen. Die erste Gesundheits-Koalitionsrunde zur konkreten Umsetzung des Referentenentwurfs von Minister Philipp Rösler (FDP) brachte keine abschließende Klärung. Die Reform soll am 22. September das Kabinett passieren.
Rösler steht in einem der schwierigsten Ressorts unter Erfolgsdruck.
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Der Vizechef der Unionsfraktion, Johannes Singhammer (CSU), sagte: "Wir haben eine ganze Reihe von Fragen mitgegeben, die vom Ministerium noch beantwortet werden." In Koalitionskreisen wird davon ausgegangen, dass von den rund 50 Millionen gesetzlichen Kassenmitgliedern etwa 4 Millionen mehrere Einkommen oder Renten beziehen. Laut Rösler-Entwurf sollen die Krankenkassen die Daten sammeln und dem Arbeitgeber mitteilen, welches Einkommen er beim Sozialausgleich zugrundelegen soll. Singhammer sagte: "Wir haben noch keine Festlegungen getroffen."
Hintergrund ist, dass künftig die Arbeitnehmer Kostensteigerungen bei Gesundheit allein über nach oben offene Zusatzbeiträge schultern sollen. Übersteigen diese zwei Prozent des Einkommens, soll der Steuerzahler einen Sozialausgleich bezahlen. Für kommendes Jahr wird damit noch nicht gerechnet, weil zunächst der Beitragssatz von 14,9 auf 15,5 Prozent steigen und das erwartete 11-Milliarden-Defizit der Kassen mindern soll. Zudem soll es Einsparungen geben.
Mehr Geld für Zahnärzte
Das Ministerium versuchte Bedenken zu zerstreuen, dass strittige Teile der Reform erst später beschlossen werden könnten. "Die Beratungen haben gezeigt, dass der Zeitplan für die Finanzierungsreform steht", sagte die Parlamentarische Gesundheits-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU). Viele von der CSU angesprochene Fragen hätten geklärt werden können. Auch die FDP-Gesundheitsexpertin Ulrike Flach sagte: "Wir sind weiter im Plan." Bedenken hinsichtlich mehr Bürokratie hätten sich als unbegründet erwiesen.
Bayerns Gesundheitsminister Markus Söder (CSU) rief Rösler in der "Süddeutschen Zeitung" hingegen dazu auf, das Regelwerk zu überarbeiten. "Was wir in den Planungen sehen, ist bürokratisch und macht Beitragszahler in bestimmten Fällen sogar zu Bittstellern."
Änderungen soll es bei den geplanten Preisverhandlungen zwischen Pharma-Herstellern und Kassen geben. Zusatzkosten sollen künftig bei neuen Mitteln nicht höher sein als der Zusatznutzen. Dem dabei entscheidenden Bundesausschuss von Ärzten, Kliniken und Kassen sollen nun Vorgaben gemacht werden. Singhammer sagte: "Durch eine Verordnung wird sichergestellt, dass das Gleichgewicht zwischen Einsparungen und Innovationen gewährleistet wird." Das Honorar der Zahnärzte in Ostdeutschland soll zudem schon 2012/13 und somit früher als zwischenzeitlich geplant auf Westniveau steigen, wie CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn ankündigte.
Die Reform dürfte nach einem "Spiegel"-Bericht Löcher in die Staatskassen reißen. Das Finanzministerium gehe davon aus, dass die Beitragssatzerhöhung den Bundesetat mit 420 Millionen Euro belastet. Da die höheren Sätze steuerlich absetzbar seien, käme es zudem zu Mindereinnahmen von gut einer Milliarde Euro zu. Die Rentenversicherung werde um 580 Millionen Euro belastet.
Quelle: ntv.de, dpa