Schwierige Verhandlungen in Cancún Röttgen bleibt skeptisch
07.12.2010, 22:43 UhrNach Auskunft von Bundesumweltminister Röttgen verlaufen die Verhandlungen beim Klimagipfel im mexikanischen Cancún langsam. Zwar macht er eine konstruktive Atmosphäre aus, das Risiko des Scheiterns bestehe aber weiterhin. Streit gibt es vor allem um die Nachfolge des Kyoto-Protokolls. Und Wikileaks spielt auch hier eine Rolle.
Die Verhandlungen auf dem Klimagipfel im mexikanischen Cancún sind nach Auskunft von Bundesumweltminister Norbert Röttgen schwierig und langsam. Selbst Verfahrensfragen für die letzten Konferenztage seien noch offen, sagte der CDU-Politiker. Es sei noch nicht vorauszusagen, ob es ein Ergebnis geben werde, "das Risiko des Scheiterns besteht". UN-Generalsekretär Ban Ki Moon reiste derweil nach Cancún, um die Minister bei ihrer Arbeit zu unterstützen.
Röttgen sagte nach seinen ersten Gesprächen, dass es tatsächlich eine andere Atmosphäre sei als in Kopenhagen, sie sei konstruktiv und geprägt von einem Willen zum Ergebnis. Röttgen bekräftigte, Deutschland und die EU wollten ein Paket, "zu dem alle ihren Beitrag leisten müssen". Dies gelte in besonderem Maße auch für die USA und China als den größten Emittenten von Treibhausgasen. "Das ist ein schrittweiser Prozess und nicht der große Sprung", dämpfte der Minister zugleich erneut die Erwartungen. Auch ein Erfolg in Cancún werde nicht ausreichen, um das Ziel zu erreichen, die Erderwärmung auf zwei Grad zu begrenzen. Vielmehr müssten später weitere Schritte folgen. "Es ist ein langsames Tempo, aber wichtig ist, dass wir nicht stehenbleiben", sagte Röttgen. Ansonsten wäre der UN-Klimaschutzprozess als Ganzes gefährdet, zu dem er keine positive Alternative sehe.
Viele technische Details wurden bei den Verhandlungen bereits vereinbart. Auch beim Streitpunkt, ob es ein Kyoto-Nachfolge-Vertrag oder ein anderes Abkommen geben soll, gibt es erste Lösungsansätze. Ban wollte die Ministerrunde feierlich eröffnen und dann mit hochrangigen Vertretern des UN-Umweltprogrammes, der Weltwetterorganisation, der Weltbank und Ministern Lösungswege ausloten. Dabei geht es vor allem um die Form eines neuen Abkommens.
China stellt dreiteiligen Weg vor
Die Entwicklungsländer wollen ein Kyoto-Nachfolgeabkommen - doch ausgerechnet Japan, wo das Abkommen 1997 entstand, lehnt Kyoto-2 ab. Die EU möchte den Kyoto-Prozess retten, aber nicht um jeden Preis. Sie stimme nur zu, wenn andere Länder mitmachen und der Vertrag seine Integrität nicht verliert, unterstrich EU-Klimakommissarin Connie Hedegaard. "Wir dürfen nicht aufgeben, was Jahre an Arbeit gekostet hat."
Röttgen sagte zur Zukunft des Kyoto-Protokolls, Deutschland und die EU seien weiterhin zu einer zweiten Verpflichtungsperiode für die Reduktion von Treibhausgasen nach 2012 bereit, "in welcher rechtlichen Form auch immer". Wenn das Kyoto-Protokoll später in einem neuen, umfassenden Abkommen aufgehen sollte, sei auch dies "ein möglicher Prozess". "Die Frage ist dann allerdings der Inhalt", schränkte Röttgen mit Blick auf Bedenken vor allem von Schwellen- und Entwicklungsländern ein, ein neues Abkommen könne einen geringeren Verbindlichkeitsgrad haben als das Kyoto-Protokoll.
China stellte einen dreiteiligen Weg vor, der zu einem Kompromiss führen könnte: "Erstens benötigen wir eine zweite Verpflichtungsperiode von Kyoto", sagte Delegationsleiter Xie Zhenhua. Dort sollten die Industrieländer des Kyoto-Protokolls verbindliche Ziele erhalten. Industrieländer, die dabei nicht mitgemacht haben, sollten bindende Ziele im Rahmen eines neuen Vertrags erhalten, sagte er mit Blick auf die USA. Die Entwicklungsländer sollten im selben Vertrag freiwillige Ziele bekommen. Das Abkommen solle auf der Klimakonvention von Rio 1992 basieren. Ein ähnlicher Ansatz lässt sich auch aus den vorliegenden Arbeitspapieren der Konferenz ablesen, diese enthalten jedoch noch vielerlei verschiedene Optionen.
"Sehr spärlich im Bereich Transparenz"
Wie die Reduktionsziele der Industrie- und der Entwicklungsländer überprüft werden sollen, steht auch noch infrage. Der US-Delegationschef Todd Stern kritisierte das vorliegende Arbeitspapier: "Es ist sehr spärlich im Bereich Transparenz." Chinas Delegationsleiter Xi sagte zu, die Ausarbeitung der Regeln unterstützen zu wollen. Sie seien sehr wichtig, um Vertrauen aufzubauen und voneinander zu lernen.
Entscheiden müssen die Minister auch, ob Industrieländer das Kohlendioxid aus Kraftwerken in Entwicklungsländern unterirdisch speichern und sich das für ihre Klimaziele anrechnen lassen können. Beim Thema CCS-Technik (Carbon Capture and Storage) gehe es zunächst um eine Erprobungsphase von zwei Jahren, erläuterte der deutsche Delegationsleiter Karsten Sach und nannte die EU-Position: "Wir können uns das als Pilotprojekt vorstellen, aber nur unter scharfen Umweltauflagen."
Die Industriegewerkschaft BCE (Bergbau, Chemie, Energie) drang für Deutschland auf eine rasche nationale Regelung zu CCS. Das sei auch für die Zement- oder Chemieindustrie bedeutend. Gegen die unterirdische Speicherung gibt es großen Widerstand in betroffenen Regionen und von Klimaschützern, die dies als Unterstützung für die Kohleindustrie ansehen.
Erst Überschwemmungen, dann Dürre
Der Leiter des UN-Umweltprogramms UNEP, Achim Steiner, stellte eine neue Studie zum Abschmelzen von Gletschern vor. Demnach sind wegen des Verlusts wichtiger Wasserspeicher hunderte Millionen Menschen zunächst durch Überflutungen und später durch Dürre bedroht. Besonders gefährdet seien Gebiete in Südasien, sagte der norwegische Umweltminister Erik Solheim.
Norwegen unterstützt ein Programm für Anpassungsmaßnahmen in der Himalaja-Region mit mehr als zwölf Millionen Dollar (neun Millionen Euro). Der Bericht zeigt einen weltweiten, rapiden Rückgang der Gletschermasse, außer in Asien besonders massiv in Südamerika und Alaska. Allerdings gibt es regional laut UNEP auch gegenläufige Trends, zum Beispiel bei einigen Gletschern in Europa und Neuseeland.
Von Wikileaks unbeeindruckt
Die Veröffentlichung vertraulicher Gesprächsprotokolle von Klimaverhandlungen durch Wikileaks hat nach Diplomaten-Auskunft keinen Einfluss auf die Gesprächsatmosphäre in Cancún. Der Klimagipfel in Mexiko ist die erste UN-Konferenz nach den jüngsten Enthüllungen durch die Internetplattform. "Die Vertrauensbasis ist nicht gestört", betonte der deutsche Verhandlungsleiter Sach.
"Ich habe mit beiden genauso gesprochen, wie ich es vorher auch getan habe", erläuterte Sach mit Blick auf den US-Chefunterhändler John Pershing und die Leiterin der EU-Delegation, Hedegaard. Auch seine anderen Gespräche seien unbeeinflusst gewesen. Wikileaks hatte unter anderem Gesprächsaufzeichnungen zwischen den USA und der EU zur Finanzierung eines Klimafonds veröffentlicht.
UN-Klimachefin Christiane Figueres rief die Wirtschaft auf zu helfen. Sie könne noch wesentlich mehr tun als bislang, bevor es politische Regeln gebe, sagte sie beim Wirtschaftstag am Dienstag in Cancún.
Quelle: ntv.de, dpa/AFP