Am Scheideweg Rot-Grün und die Rente
11.11.2002, 14:25 UhrDie Bundesregierung plant, den Rentenbeitragssatz per Gesetz von 19,1 auf 19,5 Prozentpunkte anzuheben. Doch innerhalb der Grünen-Fraktion lehnen Abgeordnete das Vorhaben ab - und riskieren ein Scheitern des Gesetzes, das am Freitag in den Bundestag eingebracht wird. n-tv.de sprach mit dem verkehrspolitischen Sprecher der Grünen-Fraktion, Albert Schmidt, über den Koalitionsstreit bei der Rente.
n-tv.de: Herr Schmidt, Sie haben angekündigt, die Erhöhung der Rentenbeiträge am kommenden Freitag im Bundestag abzulehnen. Warum?
Albert Schmidt: Wir brauchen jetzt eine verbindliche Verabredung darüber, dass die Rentenstrukturkommission, die im kommenden Jahr ihre Arbeit aufnehmen soll, klar Richtung Beitragssenkung und vor allem Richtung Generationengerechtigkeit marschiert. Wenn sich das jetzt als eindeutiges Signal an die Koalitionsfraktionen verabreden lässt, muss man sich am Freitag keine Sorgen um die Mehrheit machen. Denn dann ist übergangsweise die Beitragserhöhung hinnehmbar.
n-tv.de: Was muss die SPD konkret tun, damit Sie und weitere Kollegen Ihrer Fraktion am Freitag doch zustimmen?
Schmidt: Es ist nicht nur ein Konflikt zwischen den Grünen und der SPD. Auch in den Reihen der SPD gibt es kritische Stimmen vor allem unter jüngeren Abgeordneten. Wir sollten in den kommenden Tagen gemeinsam versuchen, die Marschrichtung dieser Rentenstrukturkommission in Sachen Rente und Gesundheit miteinander so zu verabreden, dass der Wille deutlich wird, grundlegende Strukturreformen anzupacken und nicht nur mit Beitragserhöhungen zu sanieren.
n-tv.de: Wie realistisch sind die Chancen, dass in diesen Punkten in den verbleibenden Tagen noch Einigkeit erzielt wird?
Schmidt: Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir das hinbekommen. Schließlich will keiner die Zusammenarbeit von Rot-Grün in Frage stellen. Wir wollen nur die Marschrichtung in Sachen Sozialreform in die richtige Richtung bestimmen.
n-tv.de: Wenn die von Ihnen und Kollegen geforderten Bedingungen erfüllt werden, stimmen sie dem Gesetzespaket am Freitag dann zu - obwohl die Beiträge auf 19,5 Prozent erhöht werden?
Schmidt: Ja. Denn dann ist diese Maßnahme auch vertretbar. Um Zeit zu gewinnen für grundlegende Reformschritte. Es kann nicht allein diese kurzfristige Beitragserhöhung das politische Geschäft bestimmen.
n-tv.de: Ist es denn der richtige Schritt für notwendige Strukturreformen, kurzfristig die Beiträge zu erhöhen, um sie dann mittelfristig wieder zu senken?
Schmidt: Es geht in einer Rentenstrukturkommission darum, das Gesamtpaket der Fragen aufzuwerfen. Zum Beispiel, wo besteht der Beitrag der älteren Generationen zur Sanierung der sozialen Sicherungssysteme? Worin besteht der Beitrag der Selbstständigen, der Beamten? Welche zusätzlichen Einkommen zu den Lohneinkommen sind möglicherweise bei der Altersvorsorge mit zu berücksichtigen? Alle diese Fragen kann man nicht übers Knie brechen, sondern muss sie sorgfältig diskutieren und entscheiden. Und das kostet Zeit. Und um diese Zeit zu überbrücken, ist sehr wohl die Einnahmesituation in der Rentenkasse zu verbessern. Aber immer mit der klaren Ansage, dass dies nur eine Interimsmaßnahme, eine Notoperation ist.
n-tv.de: Ihr wirtschaftspolitischer Sprecher, Werner Schulz, beziffert die Zahl der zum Widerstand gegen das Gesetz entschlossenen Grünen-Abgeordneten allerdings auf 15.
Schmidt: Diese Zahl entstammt der internen Abstimmung vom Dienstag vergangener Woche. Mit einem klaren Signal an die Fraktionen wird es bei der Abstimmung am Freitag ein positiveres Meinungsbild geben. Denn auf dieses Signal, auf die präzise Zielrichtung des Arbeitsauftrages der Rentenstrukturkommission, warten sehr viele Abweichler.
(Das Gespräch führte Sebastian Rudolph)
Quelle: ntv.de