Kiew hält Stellungnahme zurück Russen fahren Asow-Kämpfer in Bussen weg
16.05.2022, 22:19 Uhr
Augenzeugen verfolgen den Abtransport der Soldaten. Weitere Details sind unklar.
(Foto: REUTERS)
Für einige der verletzten Kämpfer im Stahlwerk von Mariupol ist die Einkesselung wohl vorbei: Ein Augenzeuge berichtet von Bussen, die Soldaten des Asow-Regiments in eine russisch kontrollierte Stadt bringen. Ob sie dort in Sicherheit sind, ist allerdings nicht gewiss.
In Mariupol werden nach wochenlanger Belagerung ukrainische Soldaten aus dem von russischen Einheiten eingeschlossenen Stahlwerk Asowstal abtransportiert. Ein Reuters-Augenzeuge sah, wie rund ein Dutzend Busse das riesige Werksgelände verließen. Es war zunächst nicht möglich festzustellen, wie viele ukrainische Soldaten in den Bussen waren. Unklar war auch, ob sich Verwundete in den Bussen befanden.
Rund 40 verletzte Soldaten sollen nach ukrainischen Angaben im Stahlwerk gewesen sein, insgesamt sollen sich rund 600 Soldaten dort verschanzt haben. Das Stahlwerk ist zum Symbol des ukrainischen Widerstandes gegen die russischen Besatzer geworden.
Ein Kommandeur der im Stahlwerk eingeschlossenen Truppen erklärte in einem Video, er führe Befehle des Oberkommandos aus, um Leben der Soldaten zu retten. Er ließ aber offen, was genau gemeint sei. Eine mögliche Kapitulation erwähnte er nicht. Das Verteidigungsministerium in Moskau hatte zuvor mitgeteilt, es sei eine Vereinbarung über den Abtransport von Verwundeten getroffen worden. Sie würden zur medizinischen Behandlung nach Nowoasowsk gebracht. Die Stadt wird von Russen kontrolliert.
Die ukrainische Vize-Verteidigungsministerin Hanna Maljar lehnte im Fernsehen eine Stellungnahme ab, um, wie sie sagte, den Vorgang nicht zu gefährden. "Da der Prozess im Gange ist, können wir nicht sagen, was gegenwärtig geschieht."
Ehefrauen berichten von Folterungen der Gefangenen
Derweil reisen vier junge Frauen der eingeschlossenen Kämpfer durch Europa und bitten um internationale Hilfe für ihre Befreiung. "Wir wissen nicht, welches Land uns wirklich helfen kann, deshalb wenden wir uns an alle", sagte Olha Andrianowna beim Besuch der Frauen in Paris am Sonntag. Andrianowna und drei weitere Ehefrauen ukrainischer Soldaten waren am 23. April von Kiew aus aufgebrochen und machten bisher Station in Polen, Deutschland und im Vatikan, wo Papst Franziskus sie zu einer kurzen Audienz empfing.
Die Lage in dem Stahlwerk sei so kritisch, dass "jeder Tag so viel zählt wie sechs Monate oder ein Jahr", sagte Andrianowna. Es gebe in dem Stahlwerk keine Lebensmittel mehr, auch das Wasser sei knapp. Die Kämpfer müssten sich wenige Becher teilen und könnten nur "alle sechs bis acht Stunden einen Schluck trinken". Seit der Bombardierung eines Lazaretts in dem Industriekomplex müssten die Soldaten zudem "ohne Betäubung operiert und amputiert werden".
Swjatoslaw Palamar, ein Kommandeur des ukrainischen Asow-Regiments, hatte kürzlich erklärt, unter den 1000 eingeschlossenen Soldaten seien fast 600 Verletzte. Eine Kapitulation komme für die Männer trotzdem nicht in Frage, berichteten ihre Ehefrauen. Gefangen genommene Mitglieder des ukrainischen Asow-Regiments seien grausam gefoltert worden, sagte Andrianowna. "Im Anschluss haben die Russen die Fotos der Leichen der Gefolterten an deren Mütter geschickt."
Quelle: ntv.de, mau/rts/AFP