Beschwerdebrief an Gouverneur Russische Soldaten beklagen "nicht nachvollziehbare Offensive"
09.11.2022, 10:39 Uhr (aktualisiert)
Die Soldaten geben an, bei der Offensive in Pawliwka auch die Hälfte der Fahrzeuge verloren zu haben.
(Foto: IMAGO/ZUMA Wire)
Ein Brief von russischen Infanteristen gibt Einblicke in die Stimmungslage an der Front: Berichten zufolge beklagen sich die Soldaten über ihre Befehlshaber, denen es vornehmlich um ihren Ruhm gehe. Bei einer fehlgeschlagenen Offensive erleidet die Brigade in der Ostukraine demnach hohe Verluste.
Russische Soldaten in der Ostukraine beklagen sich Berichten des russischen Exilmediums "Meduza" sowie der "Nowaja Gazeta" zufolge über Fehler in der Kriegsführung und hohe Verluste. Das geht aus einem Brief von Angehörigen der 155. Marine-Infanteriebrigade der Pazifikflotte an den Gouverneur ihrer Heimatregion Primorje, Oleg Kozhemyako, hervor. Auch mehrere kremlnahe Quellen, darunter der "Kriegskorrespondent" des staatlichen Rundfunks, Alexander Sladkow, berichten über die Beschwerde.
Die Soldaten schreiben Übersetzungen zufolge, dass sie im Laufe von vier Tagen während einer "nicht nachvollziehbaren Offensive" im Dorf Pawliwka in der Nähe von Wuhledar in der Region Donezk "etwa 300 Männer verloren haben - tot, verwundet und vermisst". Sie hätten zudem die Hälfte der Fahrzeuge verloren. Sie hoben hervor, dass es sich dabei nur um die Verluste ihrer eigenen Brigade handele. Ihre Kommandeure versuchten, die immensen Verluste zu "verschleiern". Begründet seien die Verluste darin, dass die Soldaten höher gelegene ukrainische Verteidigungsanlagen angreifen sollten. "Das Blut fließt und fließt", heißt es in dem Schreiben.
Titel und Prämie als Ziel
Laut den Verfassern des Schreibens planten ihre Befehlshaber - "General Muradow und sein Landsmann und Kumpel Achmedow" - die Offensive so, dass Erster "vor den Führern des Generalstabs eine Prämie verdienen" und Zweiter den Titel "Held Russlands" erhalten würde. "Sie kümmern sich um nichts, außer sich selbst zu schmücken. Sie nennen die Menschen Fleisch", heißt es in dem Brief. Rustam Muradow ist Kommandeur des östlichen Militärdistrikts und damit Oberbefehlshaber der betreffenden Einheit.
Die Marineinfanteristen bitten darin Kozhemyako um die Entsendung einer "unabhängigen" Kommission, die nicht mit dem Verteidigungsministerium verbunden ist, heißt es. Diese solle "den Zweck solcher Aktionen" erfragen. In der Region Primorje, in der Kozhemyako regiert, ist die 155. Marine-Infanteriebrigade beheimatet. Tatsächlich meldete das russische Verteidigungsministerium am 5. und 6. November "Niederlagen gegen Einheiten der ukrainischen Streitkräfte" in der Nähe des Pawliwka.
Gouverneur Kozhemyako räumt mittlerweile Verluste in der 155. separaten Marinegardebrigade während des Angriffs auf Wuhledar ein, versichert aber, dass die Berichte über 300 getötete, verwundete und vermisste Marinesoldaten "stark übertrieben" seien. Die Videobotschaft wurde auf seinem offiziellen Telegrammkanal veröffentlicht. "Wir haben die Kommandeure der Soldaten an der Front kontaktiert. Wir vertrauen ihnen. Sie sagten uns Folgendes über die Kampfhandlungen in Pawliwka: 'Wir führen heftige Angriffe durch, ja, es gibt Verluste, aber bei weitem nicht so schwere.' Ein Kampfkommandant betont demnach, dass die Verluste unter den Marinesoldaten aus Primorje erheblich übertrieben seien!"
(Dieser Artikel wurde am Montag, 07. November 2022 erstmals veröffentlicht.)
Quelle: ntv.de, als/jog