Problemfall Rösler SPD: Wir springen nicht ein
15.09.2011, 16:30 Uhr
Merkel, Rösler: Was verbindet die beiden noch?
(Foto: dpa)
Mehr oder weniger offen wird in Berliner Kreisen spekuliert, wie lange die schwarz-gelbe Koalition angesichts der liberalen Querschüsse in der Griechenland-Frage noch halten kann. Während Kanzlerin Merkel auf höchster Ebene kämpft, schürt FDP-Mann Rösler das Feuer. Die SPD stellt klar: Eine Große Koalition wird es jetzt nicht geben.
SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier hat ein Koalitionsangebot seiner Partei an die Union für den Fall eines Bruchs des schwarz-gelben Regierungsbündnisses ausgeschlossen. "Jetzt stehen wir nicht zur Verfügung", sagte Steinmeier. Einen Regierungseintritt der SPD werde es nur nach einer Bundestagswahl geben: "Neue Mehrheiten gibt es nach Wahlen - und wann die stattfinden, das entscheidet auch diese Regierung selbst." Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) habe die Liberalen selbst "zu ihren Traumpartnern erklärt", sagte Steinmeier. "Das ist nun nichts geworden."
Mit der Politik der Bundesregierung ging Steinmeier scharf ins Gericht. "Was wir bei dieser Regierung täglich erleben, macht mich einigermaßen fassungslos", sagte er. Insbesondere kritisierte Steinmeier die Überlegungen von Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) zu einer griechischen Staatsinsolvenz. Ein Vizekanzler dürfe "nicht daherreden wie am heimischen Küchentisch", so der Fraktionschef. "Eine Regierung darf für sich nichts tabuisieren, sie muss auch über alles nachdenken, sie darf bloß nicht jeden Tag rumschwätzen, als sei man irgendwo in einem Kindergarten."
"FDP auf den Spuren der Tea Party"
SPD-Chef Sigmar Gabriel sieht die Freien Demokraten sogar auf dem Weg der populistischen Tea Party in den USA. Wie in der Protestbewegung in den Vereinigten Staaten seien bei den deutschen Liberalen die Kräfte im Vormarsch, die aus ideologischen Gründen auf strikte "wirtschaftliche Staatsfeindlichkeit" setzten, sagte Gabriel. Die Äußerungen von Rösler zeigten, dass dazu noch eine betonte Distanz zu Europa kommen solle.
Mit seinem Gerede habe der Wirtschaftsminister "Millionen von Kleinanlegern und Rentnern enteignet", meinte Gabriel. Merkel habe offensichtlich nicht mehr genügend Autorität, um solche Stimmen bei ihrem Koalitionspartner und auch in den eigenen Reihen zu stoppen.
Rösler lehnte ein Einlenken ab. "Gerade in meinem Amt muss ich offen sprechen", verteidigte sich der FDP-Chef im "Tagesspiegel". Die Menschen erwarteten von ihrer Regierung Ehrlichkeit, so Rösler. "Man muss ihnen sagen, was passieren kann, wenn Griechenland seine Zusagen nicht einhält."
"Politische Insolvenz"
Steinmeier stellte Röslers Verbleib im Amt in Frage. Eine Entlassung des Ministers "drängt sich fast auf", sagte er. Die Grünen beantragten im Bundestag eine Aktuelle Stunde, in der die Bundesregierung ihre Haltung zu einer griechischen Insolvenz darlegen soll. Grünen Geschäftsführer Volker Beck sagte dazu: "Wir haben heute eine Aktuelle Stunde zur politischen Insolvenz der Bundesregierung (...) beantragt."
Röslers Äußerungen stoßen auch bei Politikern seiner eigenen Partei auf Skepsis. Die Äußerungen des Ministers seien zwar "kein Fehler" gewesen, sagte der frühere Parteichef Wolfgang Gerhardt. "Wenn man nachdenkt, muss man allerdings das, was man sagt, einbetten in einen Zusammenhang." Dies sei bei der FDP die "europäische Orientierung". Der FDP-Europaabgeordnete Jorgo Chatzimarkakis forderte Rösler auf, seine Insolvenz-Äußerungen nicht zu wiederholen. "Man kann als deutscher Wirtschaftsminister nicht über eine Insolvenz reden, ohne zu wissen, wie sie sich abspielen soll", sagte er der "Welt".
Immer mehr unterschreiben
Bei den Kritikern des Euro-Kurses in der FDP schritten derweil die Vorbereitungen für einen Mitgliederentscheid voran. Rund 1800 Mitglieder hätten die Forderung nach einem Entscheid unterzeichnet, teilte der Abgeordnete Frank Schäffler mit. Schäffler will die FDP auf die Ablehnung des ab 2013 geplanten unbefristeten Euro-Rettungsschirms ESM festlegen. Die FDP-Spitze geht nach Informationen aus Parteikreisen davon aus, dass die erforderlichen 3200 Unterschriften zusammenkommen. Der Parteivorstand will für diesen Fall einen Gegenantrag vorlegen.
Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) forderte Rösler auf, sich der Forderung der Kanzlerin nach einem Ende der Insolvenz-Debatte zu beugen. "Rösler hat sich unterzuordnen", sagte er. Unionsfraktionsvize Michael Meister (CDU) warnte Rösler davor, in der Debatte um die Euro-Rettung "Stimmungen kurzfristiger Art" nachzugeben. Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl zeigte sich besorgt über "gewisse anti-europäische Tendenzen" in der FDP.
Quelle: ntv.de, dpa/rts/AFP