Steuerpaket soll im Bundesrat scheitern SPD gibt den Spielverderber
07.11.2011, 16:25 Uhr
Gabriel und die SPD halten ihren Blockade-Kurs.
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Mit Hängen und Würgen einigt sich die schwarz-gelbe Koalition auf steuerliche Entlastungen. Doch die SPD droht mit einem Verweis auf die Schuldenbremse weiter mit der Blockade des Vorhabens im Bundesrat. CDU-Generalsekretär Gröhe bittet die Opposition, einzulenken. Die Menschen hätten Erleichterungen verdient.
Die SPD will die Steuersenkungspläne der Koalition über den Bundesrat zu Fall bringen. Ohne einen finanziellen Ausgleich für die Länder werde es mit der SPD keine Zustimmung in der Länderkammer geben, kündigte Parteichef Sigmar Gabriel nach Beratungen der Spitzengremien in Berlin an.
Die Bundesregierung müsse den Ländern die Möglichkeit geben, die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse einzuhalten. Dies könne nur durch Kompensationen und durch entsprechende Einsparungen im Bundeshaushalt geschehen. Bei einer Umgehung der Schuldenbremse "werden wir Nein sagen", betonte er. Dies sei bereits mit den SPD-geführten Regierungen im Prinzip so besprochen.
Zuvor hatten die Sozialdemokraten bereits mit einem Gang zum Verfassungsgericht gedroht. Die Schuldenbremse sehe vor, dass konjunkturell bedingte Steuermehreinnahmen zur Reduzierung des Staatsdefizits verwendet werden müssten, argumentierte Parteichef Sigmar Gabriel in der "Bild am Sonntag".
"Ein katastrophales Signal"
Die Parteispitze der Grünen will ihren Länderregierungen keine Empfehlung für die Abstimmung in der Länderkammer geben. Trotzdem rechnet die Vorsitzende Claudia Roth mit einem Scheitern des Steuergesetzes. Eine Zustimmung des Bundesrates sei "höchst unwahrscheinlich", meinte sie.
Roth erneuerte die Kritik ihrer Partei an den Beschlüssen der Koalition. "Das war ein Manöver für den weihnachtlichen Koalitionsfrieden", meinte die Grünen-Chefin. Im einzelnen kritisierte Roth, die geplanten Steuersenkungen brächten eben keine Entlastung für die schwächeren Einkommen. "Die soziale Schieflage wird weiter zementiert." Von der Einführung eines Mindestlohns, den der Koalitionsgipfel nicht beschlossen hat, würden dagegen 4,6 Millionen Menschen profitieren.
Die Fraktionschefin der Grünen, Renate Künast, hatte zuvor bei n-tv gesagt, dass von den Koalitionsbeschlüssen ein "katastrophales Signal ausgeht". Sie glaube nicht, dass die Koalition – wie sie selbst behauptet – sich hier am Riemen gerissen habe. "Frau Merkel hat für jeden ihrer Jungs – rechts und links – ein bisschen was dabei gehabt: für Seehofer, für Rösler." In Wirklichkeit gingen die Geschenke zu Lasten Dritter, "nämlich derer, die jetzt klein sind oder die noch gar nicht geboren sind". Künast appellierte in dem Gespräch mit n-tv an die Bundesländer, das Vorhaben der Koalition im Bundesrat zu stoppen.
"Menschen haben Erleichterungen verdient"

Hermann Gröhe hat sich die Steuerpläne schon genau angeschaut, die Opposition soll das nun auch tun.
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Die CDU hat an die Opposition appelliert, die geplanten Steuerentlastungen nicht zu blockieren. Die Menschen hätten die von der schwarz-gelben Koalition verabredeten Erleichterungen verdient, sagte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe. Deshalb sollten sich die Länder dem nicht entgegenstellen. Die Opposition solle sich die Pläne genau anschauen, "bevor man über Blockade schwadroniert".
Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) hatte zuvor erklärt. er gehe davon aus, dass die Opposition den Steuerentlastungen im Bundesrat zustimmen wird. Allerdings hatten auch mehrere CDU-Ministerpräsidenten im Vorfeld Widerstand gegen Steuersenkungen angekündigt.
Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) zeigte sich zunächst zufrieden. "Die Anhebung des steuerlichen Existenzminimums hilft Menschen mit geringen Einkommen und ist deshalb gute Sozialpolitik", sagte der Regierungschef. Der Bund folge damit einem Gebot des Verfassungsgerichtes, dem sich auch die Länder nicht verweigern könnten. Zudem sei es eine kluge Entscheidung des Bundes, wenn er die Last von rund zwei Milliarden Euro aus der Abmilderung der "kalten Progression" allein finanziert, sagte Carstensen. "Weder das Konsolidierungsland Schleswig-Holstein noch die Kommunen haben Spielraum für einen solchen zusätzlichen Einschnitt."
Entlastung vor allem unterer Stufen
Nach den Beschlüssen der schwarz-gelben Koalition sollen Steuerfreibeträge in zwei Stufen angehoben werden, um gezielt Arbeitnehmern mit geringem Einkommen finanziell mehr Luft zu verschaffen. Ab 2013 soll der steuerliche Grundfreibetrag (Existenzminimum) angehoben werden – das hätte die Regierung aber ohnehin bis 2014 tun müssen. Dies kostet Bund und Länder jeweils zwei Milliarden Euro.
Bei der Abmilderung der "kalten Progression" – Lohnerhöhungen werden bei starker Inflation vom Fiskus größtenteils wieder aufgefressen – will der Bund 2,2 Milliarden Euro alleine tragen. Bei diesem Punkt ist unklar, ob der Bundesrat zustimmen wird.
Pflegeversicherung wird teurer
Der Beitrag zur Pflegeversicherung soll 2013 um 0,1 Prozentpunkte angehoben werden. Dies bringt rund 1,1 Milliarden Euro mehr in die Kasse. Bislang liegt der Beitragssatz bei 1,95 Prozent, für Kinderlose sind es 2,2 Prozent. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) betonte, das Geld solle insbesondere für die Versorgung von Demenzkranken verwendet werden. Für die künftige Vorsorge im Pflegefall sollen die Versicherten freiwillig individuell nach dem Modell der Riester-Rente sparen. Die FDP-Forderung nach einer obligatorischen Zusatzversicherung ist damit vom Tisch.
Nach Ansicht von SPD-Vize Manuela Schwesig hat die Koalition mit dem Pflegebeschluss die "Tür zu einer Zweiklassen-Pflege" aufgestoßen. Anders als angekündigt werde auch der steigenden Zahl von Demenzkranken kaum geholfen.
Für jeden ein bisschen
Gegen den Willen der Liberalen drückte die CSU das im Koalitionsvertrag bereits vorgesehene Betreuungsgeld für Eltern durch, die für ihre Kleinkinder keine Krippe in Anspruch nehmen und sie selbst betreuen. Ab 2013 erhalten sie monatlich 100 Euro im zweiten Lebensjahr des Kindes. Ab 2014 gibt es 150 Euro für das zweite und dritte Lebensjahr des Kindes.
Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer (CSU) erhält schon im nächsten Jahr eine Milliarde Euro mehr für die Verkehrsinfrastruktur. Bei der Zuwanderung wird die Einkommensgrenze von 66.000 auf 48.000 Euro gesenkt, um mehr ausländische Experten zur Bekämpfung des Fachkräftemangels ins Land zu holen.
Quelle: ntv.de, dpa