"Das ist keine Sicherheitspolitik" SPD greift Guttenberg an
24.08.2010, 10:34 Uhr
(Foto: picture alliance / dpa)
Die Pläne zur Reform der Bundeswehr stoßen in der SPD auf Ablehnung. Die angepeilte Zahl der Freiwilligen sei viel zu klein, heißt es. Minister Guttenberg stellt jedoch klar: Die 7500 Freiwilligen seien eine Untergrenze, er rechne mit mehr als 10.000. Zudem will das Ministerium Anreize für den freiwilligen Dienst setzen.
In der Auseinandersetzung um die hat Kanzlerin Angela Merkel Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg eine "konstruktive Begleitung" seiner Vorstellungen zugesagt. In einem Interview mit der Madsack-Mediengruppe in Berlin begrüßte sie, dass sich Guttenberg die Freiheit genommen habe, die Sicherheitsarchitektur so zu denken, wie er und das Ministerium glauben, dass Deutschland seine äußere Sicherheit garantieren könne und bündnisfähig bleibe.
Dagegen kritisiert die SPD die Pläne Guttenbergs. Zwar sei es zu begrüßen, dass der CSU-Minister die Idee der Sozialdemokraten für einen freiwilligen Grundwehrdienst übernehme, sagte der verteidigungspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Rainer Arnold, der "Passauer Neuen Presse". "Allerdings stellen wir uns einen anderen Umfang vor. 7500 Freiwillige im Jahr sind bei weitem nicht genug, um ausreichend qualifizierten Nachwuchs für die Bundeswehr gewinnen zu können." Vielmehr seien zwischen 20.000 und 30.000 Freiwillige erforderlich. "Wenn es deutlich weniger wären, würden Aufwand und Nutzen nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis stehen", sagte Arnold.
Minister verteidigt sich
Guttenberg rechnet allerdings mit mehr als 10.000 freiwillig Wehrdienstleistenden. Die in seinem Konzept für die Bundeswehrreform genannten 7500 Freiwilligen seien nur eine Untergrenze, sagte er bei einem Truppenbesuch im bayerischen Grafenwöhr. Es gebe "noch Spielraum nach oben". Eine fünfstellige Zahl sei machbar und auch sein Ziel, sagte Guttenberg. "Wenn das Ganze noch attraktiver ausgestaltet wird, habe ich keine Sorge." Aus demografischen Gründen sieht der Minister allerdings eine Obergrenze bei 15.000.
Guttenberg will eine ganze Reihe von Anreizen für den freiwilligen Dienst setzen. Das Verteidigungsministerium hat bereits einen Katalog von 20 bis 25 Maßnahmen erarbeitet, um den Dienst attraktiv zu gestalten. Dazu zählt beispielsweise die Möglichkeit, kostenlos den Führerschein bei der Bundeswehr zu machen oder auch eine Anrechnung der Dienstzeit bei der Rentenversicherung. Angedacht ist auch eine Probezeit, während der man wieder aussteigen kann.
Kritik am Zeitplan
Auch die SPD wolle die Wehrpflicht aussetzen, so Arnold weiter. "Wenn wir die Bundeswehr so umbauen, machen wir sie zukunftsfähig." Der SPD-Politiker kritisierte, dass die Bundesregierung erst im Herbst endgültig über die Reform entscheiden will. "Sie nimmt billigend in Kauf, dass die Verunsicherung in der Truppe zunimmt. Die Bundeswehr darf nicht zum haushaltspolitischen Spielball werden."
Der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter-Bartels warf der Bundesregierung Willkürlichkeit vor. Die Aufgaben der Bundeswehr würden nach Kassenlage definiert, sagte Bartels dem NDR. "Guttenberg legt erst Haushaltszahlen vor und jetzt unterschiedliche Personalmodelle. Am Ende wird dann über die Aufgaben der Bundeswehr entschieden. Das ist keine Sicherheitspolitik." Bartels bezweifelte zudem, dass die Reformpläne des Verteidigungsministers geeignet sind, die Einsatzfähigkeit der Bundeswehr zu erhöhen: "Mit weniger Soldaten tatsächlich mehr einsatzfähige Soldaten auszubilden, das klingt nach einem Widerspruch in sich."
"Reparatur, die glücken kann"
Der Vorsitzende des Bundeswehrverbandes, Oberst Ulrich Kirsch, sieht in Guttenbergs Plänen eine "Reparatur, die glücken kann". Im Deutschlandradio Kultur kritisierte er zugleich: "Aber das hätten wir ja schon etwas früher haben können." Stattdessen sei erst der im Koalitionsvertrag festgeschriebene sechsmonatige Wehrdienst umgesetzt worden. "Nachdem nun alle festgestellt haben, dass es nichts bringt, gehen wir diesen Schritt." Kirsch wies zugleich die Vorstellung zurück, im Verteidigungsetat ließen sich 8,3 Milliarden Euro bis 2014 einsparen. Die Bundeswehr sei ohnehin permanent unterfinanziert. "Das ist wie mit einem trockenen Schwamm, wenn Sie da draufdrücken, kommt halt nichts mehr raus."
Guttenberg hatte am Montag den Verteidigungsexperten der Koalition fünf Modelle für eine Bundeswehrreform präsentiert. Nach Angaben aus Regierungskreisen favorisiert der Minister dabei eine Variante, die eine Verkleinerung der Bundeswehr von 252.000 auf 165.000 bis 170.000 Soldaten vorsieht. Darunter sollen 156.000 Zeit- und Berufssoldaten und mindestens 7500 Freiwillige sein. Die Wehrpflicht soll zwar im Grundgesetz verankert bleiben, junge Leute sollen aber nicht mehr gegen ihren Willen eingezogen werden. Der Minister will einen freiwilligen "Schnupper-Wehrdienst" mit einer Länge von 12 bis 23 Monaten anbieten, der vor allem dazu dienen soll, Nachwuchs für die Berufsarmee zu rekrutieren. Auch Frauen sollen sich freiwillig melden können.
Standortfrage: "Kein Grund zur Panik"
Rückendeckung für seine Pläne erhielt Guttenberg vom Vorsitzenden der CSU-Landesgruppe, Hans-Peter Friedrich. Er halte das Argument einiger Unions-Politiker nicht für richtig, wonach die Wehrpflicht zum Markenkern der Union gehöre, sagte Friedrich im Deutschlandfunk. "Ich glaube nicht, dass es ein konservatives Profil ist, wenn wir 15 Prozent der Wehrpflichtigen für sechs Monate einziehen." Die mangelnde Gerechtigkeit sei ein Hauptargument gegen die Wehrpflicht in ihrer heutigen Form.
Friedrich sagte weiter, es sei Guttenbergs Anliegen, die Bundeswehr effizienter zu machen. Dazu gehöre, dass man neben dem Angebot für Zeit- und Berufssoldaten auch die Möglichkeit eines Freiwilligendienstes schaffe. Dieser könne die bisherige Wehrpflicht in ihrer jetzigen Form vorübergehend ersetzen. Zugleich wies er Befürchtungen aus der Union zurück, die Reform werde sich auf einige Bundeswehrstandorte wirtschaftlich negativ auswirken. "Ich glaube, es ist kein Grund zur Panik", sagte er dem Sender.
Kritik an Schröders Plänen
Mit dem Wehrdienst würde auch der Zivildienst entfallen. Die Arbeiterwohlfahrt (AWO) kritisierte die Pläne von CDU-Familienministerin Kristina Schröder für einen freiwilligen Zivildienst. "Der angekündigte bundesweite Freiwilligendienst wirft mehr Fragen auf als er Antworten gibt", sagte der AWO-Bundesvorsitzende Wolfgang Stadler. So stelle sich die Frage, warum Schröder nicht die bestehenden Strukturen für die Jugendfreiwilligendienste nutzen und für ihren Ausbau die freiwerdenden Mittel einsetzen wolle. "Freiwilliges Engagement lässt sich nicht wie der bisherige Zivildienst staatlich verordnen und verwalten."
Dagegen stoßen die Pläne beim Deutschen Roten Kreuz auf Zustimmung. Der Einsatz von Zivildienstleistenden für die Schwachen der Gesellschaft sollte erhalten bleiben, erklärte DRK-Präsident Rudolf Seiters. "Wir würden uns sehr freuen, wenn noch mehr junge Männer - und junge Frauen - auf diesem Weg in soziale Berufe hineinschnuppern können", fügte er hinzu.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund forderte, einen verpflichtenden Sozialdienst für junge Frauen und Männer einzuführen. Dafür sieht Ministerin Schröder aber keine Chance.
Dies wäre ein "riesiger Eingriff in die Freiheit eines jungen Menschen", für den es nach einem Aussetzen der Wehrpflicht keinen gewichtigen Grund gebe, sagte sie. Dies lasse "höchstwahrscheinlich" das deutsche Verfassungsrecht nicht zu und auch nicht die "Gesetzgebung auf europäischer Ebene". Der von ihr angedachte freiwillige Zivildienst müsse "so attraktiv wie möglich" gestaltet werden, sagte Schröder. Die angepeilten 500 Euro Monatslohn seien "eine ganz grobe Größe", die sich an der Bezahlung eines freiwilligen Wehrdienstes orientieren werde.
Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dem "Handelsblatt", in einer alternden Gesellschaft sollte überlegt werden, ob nicht jeder junge Mensch verpflichtet werden sollte, sich für eine bestimmte Zeit für die Gemeinschaft zu engagieren. Es sei fraglich, ob ein freiwilliger Zivildienst die Lücken, mit der Aussetzung der Wehrpflicht entstehen, tatsächlich schließen könne. Schröder hatte erklärt, dass voraussichtlich rund 35.000 Frauen und Männer pro Jahr für einen freiwilligen Zivildienst gewonnen werden könnten.
Quelle: ntv.de, rts/dpa/AFP