Politik

AU stemmt sich gegen Übergangsrat Sarkozy und Cameron in Tripolis

Cameron und Sarkozy besuchen Patienten einer Klinik in Tripolis.

Cameron und Sarkozy besuchen Patienten einer Klinik in Tripolis.

(Foto: AP)

Als erste Staatsgäste nach dem Sturz Gaddafis besuchen Frankreichs Präsident Sarkozy und der britische Premier Cameron Tripolis. Sie wollen sich mit dem Übergangsrat treffen - und schlagen damit auch den türkischen Premier Erdogan. Das Internationale Rote Kreuz entdeckt derweil noch wöchentlich neue Massengräber.

Der französische Präsident Nicolas Sarkozy und der britische Premierminister David Cameron sind zu einem Überraschungsbesuch im weitgehend von den Rebellen eroberten Libyen eingetroffen. Nachdem ihre Maschinen auf dem Militärflughafen Mitiga gelandet waren, wurden die beiden Politiker von einem enormen Aufgebot an Sicherheitskräften ins Zentrum der Hauptstadt Tripolis begleitet.

Ein Mädchen flieht vor den Kämpfen in Bani Walid - und wird von einem der Rebellen gegrüßt.

Ein Mädchen flieht vor den Kämpfen in Bani Walid - und wird von einem der Rebellen gegrüßt.

(Foto: REUTERS)

Anschließend besuchten sie ein Krankenhaus mit Kriegsverletzten und trafen mit den Mitgliedern des Übergangsrates zusammen. Dieser lenkt seit der Vertreibung des langjährigen Machthabers Muammar al-Gaddafi aus Tripolis die Geschicke des Landes. Gaddafi ist seit dem Umsturz untergetaucht. Er wird aber noch in Libyen vermutet. Die Rebellen belagern derzeit die letzten Widerstandsnester der Gaddafi-Loyalisten.

Es ist der erste Besuch ausländischer Staats- und Regierungschefs in Libyen seit der im August. Frankreich und Großbritannien waren die treibenden Kräfte hinter dem internationalen Militäreinsatz in Libyen gewesen, der maßgeblich zur dessen Sturz beigetragen hat. Die beiden westlichen Staatsführer kamen mit ihrer kurzfristig angekündigten Visite dem türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan zuvor. Dieser habe seinen Besuch in Tripolis für diesen Freitag angekündigt.

Gaddafi vor Gericht stellen

Sarkozy rief zum Aufbau eines Rechtsstaates auf. Der noch flüchtige bisherige Machthaber Gaddafi müsse verhaftet werden und sich ebenso wie dessen Umfeld vor einem internationalen Gericht rechtfertigen. Es dürfe keine privaten Abrechnungen geben, sondern ein funktionierendes Rechtssystem, sagte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Cameron und Vertretern des Übergangsrates. "Frankreich und Europa werden an Eurer Seite sein", betonte Sarkozy an die Adresse des Übergangsrates. Der Übergangsrat beanspruchte derweil den bisherigen UN-Sitz des Landes für sich.

Die Rebellen haben noch nicht ganz Libyen unter ihrer Kontrolle.

Die Rebellen haben noch nicht ganz Libyen unter ihrer Kontrolle.

(Foto: AP)

Auch Cameron sicherte dem Übergangsrat seine volle Unterstützung zu. Er kündigte aber auch an, dass die Militäraktion der NATO fortgesetzt werde, solange Gaddafi auf freien Fuß sei. Der britische Regierungschef kündigte zudem an, weiterhin libysches Vermögen, das Gaddafi ins Ausland gebracht hatte, dem Übergangsrat zugänglich zu machen. Zunächst sollten Gelder in Höhe von 600 Millionen Pfund (690 Millionen Euro) freigegeben werden.

Beobachter gingen davon aus, dass Cameron bei seinem Besuch in Tripolis Hilfe für den Aufbau der neuen Zivilverwaltung ankündigen würde. Sarkozy und Cameron erwarteten wiederum, dass die neuen Führer des Landes ihre Zusage bekräftigen, bestehende Wirtschaftsverträge einzuhalten. Unternehmen aus Frankreich und Großbritannien - wie auch aus den USA, Italien und Deutschland - waren unter Gaddafi an der Nutzung der bedeutenden Erdöl- und Gaslagerstätten und am Ausbau der Infrastruktur in Libyen beteiligt.

Reise nach Bengasi

Cameron und Sarkozy wollten noch im Laufe des Tages in die ostlibysche Metropole Bengasi weiterreisen. Dort war im Februar der Volksaufstand gegen das despotische Gaddafi-Regime ausgebrochen. Einen Monat später hatten die Luftangriffe der NATO auf die Gaddafi-Truppen verhindert, dass die Großstadt in die Hände des Regimes fiel. Gaddafi hatte zuvor der rebellischen Bevölkerung von Bengasi grausame Rache geschworen.

Übergangsrats-Chef Dschalil fordert Waffenlieferungen.

Übergangsrats-Chef Dschalil fordert Waffenlieferungen.

(Foto: dpa)

Führende Vertreter der Afrikanischen Union haben unterdessen die neue libysche Führung erneut zur Bildung einer Einheitsregierung aufgerufen. Die afrikanischen Staaten wollten "mit dem Nationalen Übergangsrat und allen anderen Akteuren in Libyen" zusammenarbeiten, hieß es in einer Erklärung.

Obwohl inzwischen etwa 20 afrikanische Staaten den libyschen Übergangsrat als offizielle Vertretung des Landes anerkannt haben, lehnt die Afrikanische Union den Schritt bislang ab und pocht auf einen von ihr erarbeiteten Plan für einen Übergang, der auch die Bildung einer Einheitsregierung vorsieht. Für den linksgerichteten lateinamerikanischen Staatenbund ALBA wandte sich Venezuelas Regierung gegen eine Anerkennung der neuen Führung in der UN-Vollversammlung.

Das Internationale Rote Kreuz teilte mit, in zuletzt umkämpften Gegenden Libyens . Die Funde erfolgten etwa "in wöchentlichen Abständen", erklärte die Hilfsorganisation. Bisher seien in Tripolis und Umgebung zwölf Massengräber mit insgesamt 125 Leichen entdeckt worden, in den Nefusa-Bergen zudem 34 Leichen. Die Mitarbeiter seien bemüht, den Familien der geborgenen Opfer die Todesnachrichten zu überbringen und für eine Exhumierung der Leichen zu sorgen.

Übergangsrat fordert Waffen

In einer neuen Botschaft forderte Gaddafi die internationale Staatengemeinschaft dazu auf, der Belagerung seiner Heimatstadt Sirte, die noch immer von seinen Anhängern gehalten wird, ein Ende zu setzen. Gegen die Stadt würden "Gräuel" und "Verbrechen" verübt, erklärte Gaddafi laut der im syrischen Sender Arrai verlesenen Botschaft.

Der Chef des libyschen Übergangsrats Mustafa Abdul Dschalil bat für den Kampf gegen die Gaddafi-Anhänger um Waffenlieferungen. Dschalil sagte dem britischen Sender BBC, die Kämpfer des Übergangsrates benötigten die Waffen, um die Landesteile zu erobern, die noch Gaddafi unterstützten. Gaddafi sei im Süden Libyens und plane Racheangriffe. Ziele könnten Städte, Ölfelder und Kraftwerke sein, saget Dschalil.

Quelle: ntv.de, AFP/dpa/rts

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