Politik

So denken die Griechen über die Deutschen "Schäuble? Arrogant und taktlos"

"2008 war Deutschland in Griechenland noch das angesehenste Land der EU. Mit der Krise ist das gekippt."

"2008 war Deutschland in Griechenland noch das angesehenste Land der EU. Mit der Krise ist das gekippt."

(Foto: AP)

Generalstreik, Massenentlassungen und dann auch noch Schäuble: Der Besuch des deutschen Finanzministers provoziert viele Griechen. Damian Mac con Uladh, ein Journalist aus Athen, verrät im Interview mit n-tv.de, wieso die Deutschen und vor allem Schäuble so unbeliebt sind.

n-tv.de: Der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble besucht an diesem Donnerstag Griechenland. Im Vorfeld der Reise wurden große Proteste angekündigt. Wie ist die Stimmung in Athen?

Das Zentrum von Athen ist wie leer gefegt während des Besuchs des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble.

Das Zentrum von Athen ist wie leer gefegt während des Besuchs des deutschen Finanzministers Wolfgang Schäuble.

(Foto: REUTERS)

Damian Mac con Uladh: Es gibt kaum Demonstrationen. Die Polizei hat ein riesiges Demonstrations- und Versammlungsverbot für das ganze Athener Stadtzentrum verhängt. Der Besuch von Schäuble ist hier ein heikles Thema. Er gilt als einer der Hauptrepräsentanten und Antreiber der EU-Austeritätspolitik. In den griechischen Medien gab es zuletzt auch zahlreiche Artikel über die deutschen Kriegsreparationen.

Die konservative Zeitung "Real" titelte am Wochenende in Anspielung auf die ausstehende Rückzahlung deutscher Kriegsschulden: "Herr Schäuble, bringen Sie das Gestohlene zurück". Wie weit verbreitet ist dieses Thema in Griechenland?

Das Thema ist sehr verbreitet, aber es gibt unterschiedliche Formen, wie damit umgegangen wird. Einige Historiker sprechen seit Jahren ganz nüchtern über dieses Thema. Aber nur wenige Griechen plakatieren etwa die bekannten Bilder, die deutsche Politiker in SS-Uniform zeigen.

Als Bundeskanzlerin Angela Merkel im vergangenen Jahr Griechenland besuchte, protestierten einige Griechen mit Hakenkreuzen und Hitler-Bärtchen.

Ja, das stimmt. Aber das war nur eine Gruppe von Demonstranten, eine Minderheit. Die Aufnahmen gingen jedoch um die ganze Welt.

"Von Hitler zu Merkel": Plakat eines Griechen im Oktober 2012.

"Von Hitler zu Merkel": Plakat eines Griechen im Oktober 2012.

(Foto: picture alliance / dpa)

Wie schlecht ist das Deutschland-Bild in Griechenland?

Leider hat sich das Bild sehr verschlechtert. 2008 war Deutschland hier noch das angesehenste Land der EU. Mit der Krise ist das gekippt. Deutschland ist inzwischen das unbeliebteste Land. Viele Griechen machen jedoch einen Unterschied zwischen den Politikern und der Bevölkerung. Mit den deutschen Touristen, die nach Griechenland kommen, hat kaum jemand ein Problem. Ich kenne viele Deutsche, die hier wohnen oder Urlaub machen, und habe noch nie etwas Schlimmes gehört.

Wie groß ist Ihr persönliches Verständnis für die Wut vieler Griechen?

Ich bin Ire, aber ich habe jahrelang in Deutschland gelebt, ich kenne das Land und die Menschen gut. Aber jemandem wie Schäuble ist offenbar manchmal nicht bewusst, wie seine Worte ankommen. Heute hat er gesagt, man müsse nicht über einen Schuldenschnitt nachdenken, das sei gefährlich und nicht im Interesse von Griechenland. Diese Diskussion müsse aufhören. Das klingt wie ein Befehl. Außerdem hat Schäuble gesagt: Weil wir wirtschaftlich so stark sind, haben wir eine Vorbildfunktion. Die Griechen nehmen das als taktlos und arrogant wahr. Das gilt für viele Äußerungen von deutschen Politikern.

Schäuble mit dem griechischen Ministerpräsidenten Samaras.

Schäuble mit dem griechischen Ministerpräsidenten Samaras.

(Foto: REUTERS)

Am Mittwoch wurde die Entlassung von 15.000 Beamten beschlossen. Wie viel Verständnis haben die Griechen für den Sparkurs und den Druck aus dem Ausland?

Das ist ein heikles Thema. Zum ersten Mal wurden Angestellte aus dem Öffentlichen Dienst entlassen. Dazu gibt es hier zwei Meinungen. Unter ehemaligen Angestellten aus der Privatwirtschaft gab es zuletzt viel Wut. Sie wurden plötzlich arbeitslos, während die griechischen Beamten bisher nie um ihren Job bangen mussten. Andererseits ist die Entlassung der 15.000 Beamten für viele nicht die Lösung des Problems. Denn das Land hat ja schon eine Arbeitslosenquote von 27 Prozent. Viele fordern bessere Überprüfungen, womit griechische Schulen, Behörden und Verwaltungen ausgestattet sein müssten.

Griechenland steckt seit Jahren in der Rezession. Die Wirtschaft schrumpft, die Arbeitslosigkeit steigt. Gibt es bei den Griechen überhaupt noch Hoffnung auf den Aufschwung?

Viele Menschen haben die Hoffnung verloren und sehen im Moment kein Licht am Ende des Tunnels. Jeder kennt Leute, die ihre Arbeit verloren haben. Viele arbeiten unbezahlt. Man schätzt, dass etwa eine Million Menschen seit Monaten auf ihr Geld warten. Das Leben hier ist ziemlich schwer geworden.

Wie groß ist das Bewusstsein der Griechen für die eigene Verantwortung an der Krise?

Die griechischen Politiker haben ein eigenes System aufgebaut. Viele kommen nur durch persönliche Kontakte in den Staatsdienst. Das ist den Menschen in Griechenland bewusst. Viele sehen auch ein, dass es in der Vergangenheit möglicherweise nicht genug Druck auf die politische Klasse gegeben hat, aber gleichzeitig weisen sie die Schuld an der Krise von sich und verweisen auf strukturelle Probleme mit dem Euro. In der Zeit des wirtschaftlichen Booms hat sich Griechenland viel Geld geliehen. Aber es gibt Geldgeber und -nehmer. Wenn etwas schiefgeht, muss es auch auf beiden Seiten Verantwortung geben. Viele Griechen hatten jedoch das Gefühl, dass bei der Krisenpolitik einfach ein beliebiges Muster an ihr Land angelegt wurde, ohne, dass es an die Bedingungen vor Ort angepasst wurde.

Seit wann sind Sie in Athen?

Seit den Olympischen Spielen vor neun Jahren. Aber das war ein anderes Land (lacht). Das hat heute nichts mehr mit dem Griechenland zu tun, wie ich es damals angetroffen habe. Ich bin Redakteur der englischsprachigen Nachrichtenseite enetenglish.gr. Anfangs waren wir eine große Redaktion, inzwischen wurden alle außer mir entlassen. Ich bin der letzte verbliebene Redakteur und seit Mai unbezahlt. Wie lange es noch so weitergeht, weiß ich nicht. Ich versuche einfach, das Beste zu tun, was ich kann.

Mit Damian Mac con Uladh sprach Christian Rothenberg

Quelle: ntv.de

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